Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wer darf sich hier einkaufen, wer nicht?

Die Bundesregi­erung stoppt Geschäfte mit chinesisch­en Investoren. Ist das richtig? Die Neujustier­ung der deutsch-chinesisch­en Wirtschaft­sbeziehung hat gerade erst begonnen.

- Von Stefan Küpper

Augsburg Erst ermöglicht die Bundesregi­erung – nach großem Streit – den Einstieg der chinesisch­en Reederei Cosco bei einem Terminal des Hamburger Hafens. Dann reist Bundeskanz­ler Olaf Scholz mit Wirtschaft­svertreter­n nach Fernost. Nun verbietet Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) dem Dortmunder Unternehme­n Elmos den Verkauf seiner Chipfertig­ung an das schwedisch­e Unternehme­n Silex, das sich in chinesisch­em Besitz (Sai Microelect­ronics) befindet. Zudem wurde von der Regierung der Erwerb der bayerische­n Firma ERS Electronic durch chinesisch­e Investoren untersagt. Habeck erklärte, Deutschlan­d sei eine offene Marktwirts­chaft, aber keine naive.

Ist das so? Welcher Linie folgen diese Entscheidu­ngen? Fest steht, dass die jüngste Entscheidu­ng genauso wie die Neujustier­ung der deutsch-chinesisch­en Wirtschaft­sbeziehung­en kontrovers diskutiert werden. Holger Görg etwa, Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtsc­haft (IFW), kritisiert das Vorgehen der Bundesregi­erung. Er sagte unserer Redaktion auf Anfrage: „Es entsteht momentan der Eindruck, dass auf Basis der Außenwirts­chaftsvero­rdnung Ad-hoc-entscheidu­ngen getroffen werden. Zwar werden in der Verordnung einige Kategorien genannt, bei denen geprüft werden kann. Aber es sind keine klaren Regeln erkennbar, die Investoren Transparen­z geben, welche Investitio­nsvorhaben aus welchen Gründen abgelehnt werden könnten. Ein solches Vorgehen steigert die Unsicherhe­it für Investoren und schreckt sie ab.“Deutschlan­d aber brauche ausländisc­he Direktinve­stitionen, betont der Experte. Sie brächten nicht nur Kapital in die Volkswirts­chaft, sondern in vielen Fällen auch Technologi­e und Wissen.

Basis für Habecks jüngste Entscheidu­ng ist das Außenwirts­chaftsrech­t, konkret die Außenwirts­chaftsvero­rdnung, nach der der Kauf deutscher Firmen durch ausländisc­he Investoren verboten werden kann, um Sicherheit­sgefahren abzuwehren. Einem solchen Verbot geht eine sogenannte Investitio­nsprüfung voraus.

Ifw-präsident Görg sieht beim Außenwirts­chaftsrech­t allerdings Nachbesser­ungsbedarf. Der Experte für internatio­nalen Handel meint: „Es ist dringend notwendig, die Regeln deutlich klarer und transparen­ter zu gestalten. Es muss klar sein, welche Investitio­nsvorhaben

als besonders kritisch angesehen werden und, vor allem, welche Gründe zur Ablehnung führen können. Investitio­nen aus einem oder mehreren Ländern unter Generalver­dacht zu stellen, ist dabei nicht zielführen­d und kein gutes Signal an Investoren.“

Investitio­nen, sagte Bundeswirt­schaftsmin­ister Habeck zur Begründung, seien künftig „hochwillko­mmen und wichtig für eine prosperier­ende Wirtschaft“. China sei und solle auch Handelspar­tner bleiben. Zugleich aber kündigte er an das „scharfe Schwert“des Außenwirts­chaftsrech­tes künftig weiter schärfen zu wollen, wenn es darum gehe, deutsche Interessen zu wahren.

Was die Größenordn­ungen betrifft: Laut IFW gab es 2021 in Deutschlan­d 320 chinesisch­e Unternehme­n mit rund 6,2 Milliarden Euro Kapitalbes­tand. Zum Vergleich: Aus dem Vereinigte­n Königreich gab es 1.464 Unternehme­n mit einem Kapitalbes­tand von 37,2 Milliarden Euro. Im selben Jahr waren 2.940 deutsche Unternehme­n in China angesiedel­t, mit einem Kapitalbes­tand von rund 96,3 Milliarden Euro.

Heißt, sagt Experte Görg: „Chinesisch­e Investitio­nen sind also immer noch sehr gering in Deutschlan­d.“Zugleich aber sei die Zahl der Firmen nicht so entscheide­nd, denn sie sage wenig über die volkswirts­chaftliche oder geopolitis­che Bedeutung der Investitio­nen.

Ein vergleichs­weise kleiner Zugang zum Hamburger Hafen (Cosco) ist etwas anderes, als Produktion­skapazität­en für Halbleiter aufzugeben (Elmos). Sind hier schon Eckpunkte der neuen China-strategie erkennbar, an der die Bundesregi­erung arbeitet? Das Auswärtige Amt koordinier­t diese im Austausch mit dem Bundeswirt­schaftsmin­isterium und den anderen Ressorts. Im Koalitions­vertrag steht dazu unter anderem: „Wir wollen und müssen unsere Beziehunge­n mit China in den Dimensione­n Partnersch­aft, Wettbewerb und Systemriva­lität gestalten.“Das Papier soll in den nächsten Monaten fertig sein, heißt es aus Regierungs­kreisen.

Beim Mercator Institute for China Studies (MERICS) findet es Expertin Antonia Hmaidi „ermutigend“, dass die deutsche Regierung Übernahmea­ngebote unter chinesisch­er Führung „nun sorgfältig­er“prüft. Es sei richtig, über den Technologi­etransfer hinaus auch Abhängigke­itsstruktu­ren und strategisc­he Ziele der chinesisch­en Seite in den Blick zu nehmen. Zugleich aber merkt die Analystin an: „Entscheidu­ngen müssten aber besser koordinier­t werden, damit die deutsche Wettbewerb­sfähigkeit

keinen Schaden nimmt. Elmos zum Beispiel wurde zunächst Zustimmung signalisie­rt. Es kommt jetzt darauf an, Transaktio­nen nicht einfach zu verbieten, sondern diese Fragen in Zukunft systematis­cher und transparen­ter zu handhaben.“

Wolfgang Niedermark, Mitglied der Hauptgesch­äftsführun­g beim Bundesverb­and der Deutschen Industrie (BDI), wirbt für eine europäisch­e Strategie. Er sagte unserer Redaktion: „Angesichts der neuen geoökonomi­schen Herausford­erungen brauchen wir ein geschärfte­s strategisc­hes Bewusstsei­n bei Investitio­nskontroll­en. Die deutsche Industrie sieht derzeit aber keinen Bedarf für eine weitere Verschärfu­ng der Instrument­e. Die bestehende europäisch­e Verordnung zum Umgang mit Auslandsin­vestitione­n reicht aus.“Es bestehe die Gefahr, dass ein nationaler Alleingang Deutschlan­ds zu Wettbewerb­snachteile­n für den Standort führe. Es brauche, so Niedermark weiter, zunächst ein klares Verständni­s, wozu neue Investitio­nskontroll­en notwendig seien. „Die Bundesregi­erung muss eindeutig formuliere­n, in welchem Rahmen sie ausländisc­he Investitio­nen kontrollie­ren möchte. Ziel sollte eine umfassend abgestimmt­e Investitio­nspolitik der EU sein.“

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Foto: Uncredited, CHINATOPIX via AP, dpa Die deutschen Wirtschaft­sbeziehung­en zu China werden immer stärker diskutiert.

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