Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie gut sind die neuen Impfstoffe?

In Bayern haben bisher rund 1,3 Millionen Menschen einen zweiten Booster erhalten, viele davon mit einem angepasste­n Vakzin. Wem eine Auffrischu­ng empfohlen wird.

- Von Stephanie Sartor

Rein statistisc­h wird in Deutschlan­d derzeit fast jede Sekunde ein Mensch gegen Corona geimpft. Das klingt nach viel – in Wahrheit ist das Impfen aber ziemlich eingeschla­fen. Pro Tag werden derzeit etwa 68.000 Impfungen verabreich­t. In Spitzenzei­ten waren es mehr als anderthalb Millionen. Rund 76 Prozent der Gesamtbevö­lkerung sind mittlerwei­le grundimmun­isiert. Knapp über 62 Prozent haben eine oder zwei Auffrischu­ngsimpfung­en bekommen. Für wen wird eine vierte Spritze überhaupt empfohlen? Wie groß ist die Nachfrage nach den neuen, angepasste­n Impfstoffe­n? Und wie gut ist eigentlich deren Wirksamkei­t?

Wie viele Menschen in Bayern sind ein viertes Mal geimpft und wie oft wurde dabei einer der an die Omikron-subvariant­en angepasste­n Impfstoffe verwendet? Den Daten des Robert-koch-instituts (RKI) zufolge haben in Bayern rund 1,3 Millionen Menschen eine zweite Auffrischu­ngsimpfung erhalten (Stand Dienstag). Davon wurden etwa 352.000 Impfungen mit einem angepasste­n Impfstoff von Biontech/pfizer und rund 6600 Impfungen mit dem neuen Impfstoff von Moderna durchgefüh­rt. „Die Nachfrage nach Corona-impfungen ist insgesamt auf einem sehr niedrigen Niveau“, sagt Dr. Wolfgang Ritter, Vorstandsm­itglied im Bayerische­n Hausärztev­erband, gegenüber unserer Redaktion. „Auch der angepasste Impfstoff führte nur zu einem moderaten Anstieg.“

Gibt es Daten über die Wirksamkei­t der angepasste­n Impfstoffe? Vor wenigen Tagen haben Biontech und Pfizer neue klinische Daten zu ihrem an BA.4/BA.5 angepasste­n Impfstoff veröffentl­icht. Sie zeigten einen Anstieg der neutralisi­erenden Antikörper gegen BA.4/BA.5 in der Altersgrup­pe der Über-55-jährigen um das etwa Vierfache im Vergleich zu Personen, die eine Auffrischu­ng mit dem ursprüngli­chen Vakzin erhielten. BA.5 ist in Deutschlan­d die aktuell dominieren­de Variante und macht mehr als 90 Prozent der Fälle aus.

Reichen die Daten, um die Wirksamkei­t bewerten zu können? „Wir dürfen auf der Basis dieser randomisie­rten Phase-ii/iii-studie in den nächsten Monaten noch weitere, dann noch stärker belastbare Zahlen erwarten“, sagt Professor Dr. Clemens Wendter, Immunologe und Chefarzt an der München Klinik Schwabing, gegenüber unserer Redaktion. „Aber bereits jetzt ist klar, dass der adaptierte bivalente Impfstoff bezüglich seiner Neutralisa­tionskapaz­ität gegenüber Omikron BA.4/5 besser ist als der traditione­lle Wildtyp-impfstoff, auch wenn das genaue Ausmaß der Verbesseru­ng erst nach noch weiteren wissenscha­ftlichen Auswertung­en exakt fixiert werden kann.“Darauf müsse – und solle – man aber nicht warten. „Angesichts des nahenden Winters drängt die Zeit, um sich und seine Nächsten zu schützen“, sagt der Mediziner.

Die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) empfiehlt eine vierte Impfung ab einem Alter von 60 Jahren oder bei Menschen mit Vorerkrank­ungen. Können sich auch jüngere, gesunde Menschen erneut boostern lassen?

Die Stiko-empfehlung basiere auf den neuesten wissenscha­ftlichen Daten, aus denen hervorgehe, dass jüngere Menschen ohne Vorerkrank­ungen kaum von einer vierten Impfung profitiere­n, erklärt Ritter vom Bayerische­n Hausärztev­erband. „Dennoch gibt es natürlich medizinisc­h sinnvolle Indikation­en, auch jüngere Patienten zu impfen.“Dies müsse aber in einem Gespräch am besten mit dem Hausarzt geklärt werden. Neben Personen über 60 Jahren wird eine vierte Impfung für Bewohnerin­nen und Bewohner von Pflegeheim­en, Personal in medizinisc­hen Einrichtun­gen oder Menschen ab fünf Jahren mit einem Risiko für einen schweren Verlauf, etwa durch Erkrankung­en des Immunsyste­ms, empfohlen.

Werden für die vierte Impfung ausschließ­lich die an Omikron angepasste­n Impfstoffe verwendet? Die Stiko empfiehlt, für Auffrischu­ngsimpfung­en ab zwölf Jahren „vorzugswei­se“einen der an Omikron angepasste­n mrnaimpfst­offe zu verwenden. Dies gelte sowohl für die BA.1- als auch für die Ba.4/5-adaptierte­n Impfstoffe, da beide im Vergleich zu den bisherigen mrna-impfstoffe­n eine verbessert­e Antikörper­antwort gegenüber verschiede­nen Omikronvar­ianten auslösen und gegenüber dem Sars-cov-2-wildtypsta­mm eine gleichblei­bend gute Antikörper­antwort erzielen würden, heißt es vonseiten der Stiko. Für die Auffrischi­mpfung von Kindern im Alter von fünf bis elf Jahren mit einer entspreche­nden Indikation – etwa einer schweren Grunderkra­nkung – müssen der Stiko zufolge aber weiterhin die bisherigen Impfstoffe und nicht die angepasste­n verwendet werden.

Wirken die neuen Impfstoffe auch gegen die sich ausbreiten­den Subvariant­e BQ.1.1?

Das kann man bisher nicht sagen. Wie gut die neuen – und auch bisherigen – Impfstoffe vor BQ.1.1 schützen, sei aufgrund der begrenzten Datenlage noch unklar, erklärt eine Sprecherin des bayerische­n Gesundheit­sministeri­ums.

„Die Zeit drängt, um sich und seine Nächsten zu schützen.“

Professor Clemens Wendter

Wie viele Fälle von BQ.1.1 gibt es bereits in Bayern?

Nach Angaben des bayerische­n Gesundheit­sministeri­ums verzeichne­t das Netzwerk BAY-VOC im Freistaat bislang 131 nachgewies­ene Fälle der Ba.5-sublinie BQ.1.1 (Stand Dienstag). Bundesweit wurde von Kalenderwo­che 38 bis Kalenderwo­che 43 ein Anstieg der Sublinien BQ.1/BQ.1.1 von 0,3 Prozent der Neuinfekti­onen auf 8,1 Prozent verzeichne­t. „Die Sublinie BQ.1.1 scheint eine erhöhte Fähigkeit zur Immunfluch­t zu haben, was auch bei geimpften und genesenen Personen zu vermehrten Ansteckung­en führen kann“, sagt die Ministeriu­mssprecher­in gegenüber unserer Redaktion.

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Foto: Wolfgang Krumm, dpa

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