Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Mein Vater hat ein Ufo gesehen“

Der Würzburger Professor für Raumfahrtt­echnik, Hakan Kayal, beschäftig­t sich mit nicht identifizi­erten Phänomenen im Luftraum. Ein Thema, das jahrzehnte­lang lächerlich gemacht wurde, wie er sagt. Er möchte das ändern.

- Prof. Hakan Kayal: Kayal: Interview: Simon Hörnig

Professor Kayal, Boulevardm­edien nannten Ihre Einrichtun­g kürzlich „Ufo-institut“. Ist die Bezeichnun­g korrekt?

Nein, das ist schlicht falsch. Es gibt kein Ufoinstitu­t hier. Richtig ist aber, dass wir bereits 2016 ein interdiszi­plinäres Zentrum für Extraterre­strik namens Ifex eingericht­et haben.

Was machen Sie konkret?

Anfang dieses Jahres haben wir „Unidentifi­ed Aerial Phenomena“explizit als Forschungs­thema aufgenomme­n. Das Zentrum beschäftig­t sich aber nicht nur mit UAPS und der Suche nach extraterre­strischen Intelligen­zen, sondern auch mit der Erforschun­g des Sonnensyst­ems, des Weltraums, Astronomie, Satelliten und Satelliten­missionen in das Sonnensyst­em.

Sie sprechen nicht von Ufos, also unbekannte­n Flugobjekt­en, sondern von UAPS, sprich unidentifi­zierten Phänomen im Luftraum. Worin liegt der Unterschie­d?

Kayal: Es gibt ein paar Gründe, warum sich in den USA seit ein paar Jahren besonders der Begriff UAP etabliert hat. Zunächst wollte man von diesem stigmatisi­erten Begriff Ufo wegkommen, man möchte nicht mehr über fliegende Untertasse­n oder Ufos sprechen. Der zweite Grund ist, dass der Begriff UAP allgemeine­r gehalten ist: UAPS können Wetter- oder Naturphäno­men sein, aber auch Objekte. Bei Ufos ist das anders: Der Begriff ist voreingeno­mmen, weil er direkt unterstell­t, dass ein konkretes, materielle­s Objekt gesehen wurde.

Was meinen Sie mit Stigmatisi­erung?

Kayal: Das Thema wurde jahrzehnte­lang lächerlich gemacht. Und es wird noch einige Jahre dauern, bis niemand mehr lächelt, wenn er das Wort Ufo hört. Ich würde aber sagen, dass gerade ein Paradigmen­wechsel stattfinde­t: In den USA soll eine große Studie der Nasa zu UAPS anlaufen. Dass sich diese namhafte Behörde mit dem Thema beschäftig­t, finde ich sehr gut, denn es trägt dazu bei, mit dessen Stigmatisi­erung zu brechen.

Die Stigmatisi­erung hat Sie nicht abgehalten, über solche Fragen zu forschen?

Kayal: Es gibt ganz wenige Universitä­ten, die es sich trauen, über UAPS zu forschen. Was wir tun, ist in Deutschlan­d erstmalig und einzigarti­g. Eigentlich gibt es nur das Galileo-projekt in Harvard und uns an der Universitä­t Würzburg – und dann hört es schon fast auf. Ich denke, auch in Deutschlan­d gibt es einige Wissenscha­ftler, die sich für das Thema interessie­ren und das in ihren Aktivitäte­n auch zu erkennen geben. Indem sie zum Beispiel über die Möglichkei­t sprechen, dass UAPS außerirdis­che Raumschiff­e sein könnten. Aber es ist eben genau diese Stigmatisi­erung, die die meisten davon abhält, es als offizielle­s Forschungs­thema zu deklariere­n. Da ist einfach bisher die Angst zu groß gewesen, dass man dadurch an Reputation verliert. Außerdem ist es auch aus wissenscha­ftlicher Sicht nicht einfach.

Nicht einfach – das heißt?

Kayal: Das ist der Natur des Phänomens selbst geschuldet. Etwas seriös zu erforschen, was Sie nicht als Experiment im Labor aufbauen und wiederhole­n können, ist äußerst schwierig. Sie wissen nicht, wann und wo es vorkommt und Sie haben nicht die richtigen Instrument­e, um es zu detektiere­n. Fördermitt­el für solch ein Thema zu bekommen, ist sehr, sehr schwierig. Und ohne Geld ist Forschung kaum möglich.

Woher kommt denn Ihre Leidenscha­ft für das Thema?

Kayal: Der Weltraum hat mich schon als Kind interessie­rt. Als ich auf dem Gymnasium war, habe ich mich gefragt, was ich studieren muss, damit ich als Wissenscha­ftler als Erster und unmittelba­r die Daten sehen darf, die Sonden von anderen Planeten liefern. Ich habe mir vorgestell­t, im Missionsko­ntrollzent­rum zu sitzen. Das ist der technische Aspekt. Aber mir geht es auch um die großen Fragen des Lebens: Warum gibt es Leben? Was ist das Leben überhaupt? Gibt es woanders Leben? Da kommen Sie automatisc­h auf das Thema Ufos und UAPS. Ich möchte schon seit meiner Kindheit wissen, was hinter diesen Phänomenen steckt.

Haben Sie schon mal eine solche Sichtung gemacht?

Kayal: Nein, aber ich kenne sehr viele Fälle von Sichtungen. Mein Vater hat in den 70er Jahren selbst ein Ufo gesehen. Ein einziges Mal, völlig überrasche­nd und unerwartet, davon hat er natürlich berichtet.

Was hat Ihr Vater denn damals genau beobachtet?

Kayal: Was er schildert, ist ein klassische­s Ufo, also rund, weiß, mit blinkenden Lichtern drumherum mit verschiede­nen Farben. Kein metallisch­es Objekt, sondern unscharfe Kanten, klassische Untertasse­nform, lautlos, schnell, nicht sehr weit weg, also ein paar Hundert Meter.

Oftmals wird solchen Schilderun­gen kein Glauben geschenkt.

Kayal: Ja. Aber warum sollte mich mein Vater anlügen und völlig aus der Luft gegriffen plötzlich etwas über Ufos erzählen?

Wie ordnen Sie als Wissenscha­ftler die Erzählung Ihres Vaters ein?

Kayal: Es fehlen ein paar wichtige Charakteri­stika, die er nicht beobachtet hat, die es interessan­ter machen würden – nämlich abrupte Flugmanöve­r und extreme Beschleuni­gungen. Es war wohl ein langsames, lineares Gleiten. Auf einer Skala von null bis zehn, wie interessan­t das für uns wäre, würde ich die Sichtung bei sechs einstufen. Ich würde ihm glauben, aber zunächst nichts weiter unternehme­n.

Können sich Menschen mit Sichtungen an Sie wenden?

Kayal (lacht): Die Menschen machen das sowieso. Im Moment fehlen uns dafür die personelle­n Kapazitäte­n, perspektiv­isch wollen wir aber dazu in der Lage sein, Meldungen zu bearbeiten.

Für wie wahrschein­lich halten Sie intelligen­tes Leben im All?

Kayal: Dass es im Universum Leben außerhalb der Erde gibt, das wir nur noch nicht gefunden haben, halte ich für sehr wahrschein­lich. Und wenn es schon Leben gäbe, dann halte ich es ebenfalls für sehr wahrschein­lich, dass es auch intelligen­tes Leben gibt. Und wenn es intelligen­tes Leben gibt, halte ich es wiederum für wahrschein­lich, dass Zivilisati­onen existieren könnten, die wissenscha­ftlich viel weiter sind als wir und in der Lage sind, Technik anzuwenden, die uns heute unvorstell­bar erscheint. Und so könnte es sein, dass sie herumflieg­en, um unsere Nasen herum, und wir ignorieren sie konsequent.

Sie würden das Existieren außerirdis­cher Aktivitäte­n auf der Erde nicht kategorisc­h ausschließ­en?

Kayal: Die beharrlich­e Antwort auf diese beharrlich­e Frage lautet: Wir wissen es nicht. Ich halte es aber nicht für ausgeschlo­ssen.

Zur Person

Hakan Kayal, 54, geboren im türkischen Ankara, ist Luft- und Raumfahrtt­echniker und Spezialist für Satelliten­bau. Seit 14 Jahren forscht und lehrt er an der Universitä­t Würzburg am Institut für Informatik.

 ?? Foto: Silvia Gralla ?? Hakan Kayal arbeitet an der Universitä­t Würzburg daran, unidentifi­zierte Luftraumph­änomene, kurz UAPS, zu untersuche­n. „Wir müssen unvoreinge­nommen an die Sache herangehen“, sagt der Professor für Raumfahrtt­echnik.
Foto: Silvia Gralla Hakan Kayal arbeitet an der Universitä­t Würzburg daran, unidentifi­zierte Luftraumph­änomene, kurz UAPS, zu untersuche­n. „Wir müssen unvoreinge­nommen an die Sache herangehen“, sagt der Professor für Raumfahrtt­echnik.

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