Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Augsburg gehört in die DEL“
Larry Mitchell ist seit 1. November als Sportdirektor beim EHC Kloten tätig. Im Interview spricht der 55-Jährige über seine neue Aufgabe in der Schweiz sowie die Gerüchte im Sommer hinsichtlich einer Aev-rückkehr.
Larry Mitchell, seit 1. November sind Sie als Sportdirektor beim EHC Kloten tätig. Wie haben Sie sich als „bayerischer Deutsch-kanadier“in der Schweiz eingelebt?
Bislang sehr gut. Seit meinem Arbeitsbeginn habe ich sehr viel zu tun. Was die Sprache betrifft: Ich versuche, mit jedem Deutsch zu sprechen, beziehungsweise frage mein jeweiliges Gegenüber, ob er das auch tun könnte, damit ich etwas verstehe (lacht). Erst kürzlich bei einem internen Direktoren-meeting hat unser Geschäftsführer Anjo Urner die anderen Teilnehmer gebeten, sich Hochdeutsch auszudrücken, da ich versprochen hätte, bei unserem nächsten Treffen auf Schwiizerdütsch zu sprechen (lacht).
Als Trainer und Sportdirektor hatten Sie zuvor „nur“in Deutschland beziehungsweise Bayern (Landsberg, Augsburg, Straubing, Ingolstadt) gearbeitet. Mit wie viel Respekt gehen Sie Ihre erste Aufgabe im Ausland an?
Ich habe sicherlich großen Respekt – aber das habe ich vor jeder neuen Aufgabe! In Landsberg habe ich zum ersten Mal als Trainer gearbeitet, was mit dem Zweitliga-aufstieg sehr gut geklappt hat. Danach habe ich im Jahr 2007 die Herausforderung in Augsburg angenommen, mich jedoch gefragt: Bin ich wirklich gut genug für die DEL? Mein Wechsel nach Straubing war vielleicht am einfachsten, weil ich als bereits gestandener Del-trainer dorthin gewechselt bin. Etwas anders war es dann in Ingolstadt. Auch dort hatte ich riesengroßen Respekt, da es mein erster Posten als reiner Sportdirektor war. Grundsätzlich bin ich ein Mensch, der sich sehr gerne neuen Herausforderungen stellt und auch darauf freut.
In der DEL beziehungsweise in Deutschland kannten Sie den Spielermarkt quasi in- und auswendig. Wie wollen Sie sich dieses Wissen in den kommenden Wochen und Monaten nun auch in der Schweiz aneignen?
Mitchell: Nun, als ich damals nach Augsburg in die DEL gekommen bin, habe ich damit begonnen, mich sehr intensiv mit dem dortigen Spielermarkt zu beschäftigen. Und das Gleiche muss ich jetzt in der Schweiz machen. Den Anfang habe ich bereits dadurch gemacht, dass ich in den vergangenen Jahren alle Schweizer Teams zumindest einmal gesehen habe. Aber es wäre natürlich blauäugig zu behaupten, dass ich einen Schweizer Spieler, den ich dreimal gesichtet habe, genauso gut kennen würde wie einen Del-akteur, der von mir 30 Mal gescoutet wurde. Aus diesem Grund liegt mein aktueller Fokus auch darauf, möglichst viele Partien in der National League zu verfolgen, um mir ein genaues Bild zu machen.
Wie intensiv haben Sie denn den bisherigen Saisonverlauf in der DEL verfolgt?
Mitchell: Schon sehr intensiv! Ich würde jetzt lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht darauf spekuliert hätte, erneut in der DEL einen Trainer- oder Sportdirektorenposten zu bekommen. Grundsätzlich
wäre das sicher die realistischste Option gewesen. Deshalb wollte ich mich darauf entsprechend gut vorbereiten, war in zahlreichen Stadien und habe mir viele Partien angeschaut. Als dann der erste Anruf vom EHC Kloten kam, hat sich mein Fokus entsprechend verändert. Innerhalb von einer Woche bin ich dreimal nach Kloten zu Spielen gefahren, um mein Interesse zu untermauern. Auch in meiner jetzigen Funktion werde ich die DEL, die mich 15 Jahre lang geprägt hat, selbstverständlich weiter beobachten und verfolgen.
Was hat Sie im bisherigen Delsaisonverlauf bei Ihren Ex-klubs mehr überrascht: Das bislang erfolgreiche Auftreten des ERC Ingolstadt (Rang zwei) oder das schlechte Abschneiden der Augsburger Panther (Platz 15)?
Mitchell: Ich habe den ERC Ingolstadt in den vergangenen Jahren stets als „Top-vier-mannschaft“gesehen – und das ist auch heute noch der Fall! Der Eishockey-fan oder Experte hatte die Augsburger Panther hingegen im Vorfeld jetzt nicht unbedingt im Spitzenfeld der DEL erwartet. Dass man nach dem 18. Spieltag jedoch auf dem letzten Tabellenplatz steht, ist für mich schon eine Überraschung.
Nachdem Sie bekanntlich mit den Augsburger Panthern doch sehr viel verbindet: Machen Sie sich ernsthafte Sorgen um den AEV?
Mitchell: Ich weiß jetzt nicht, ob Sorgen das richtige Wort ist. Aber für mich steht völlig außer Zweifel, dass die Augsburger Panther in die DEL gehören. Als Spieler, Trainer oder Sportdirektor ist es in meinen Augen legitim zu sagen, dass man hier oder dort seine schönste Zeit erlebt hat. Als ich selbst noch gespielt habe, war das definitiv in Bad Nauheim, wo auch mein Sohn zur Welt gekommen ist. Als Trainer beziehungsweise Sportdirektor hatte ich hingegen meine schönste Zeit in Augsburg. Aus diesem
Grund hoffe ich auch, dass die Panther im weiteren Saisonverlauf die Abstiegsplätze noch verlassen und den Klassenerhalt schaffen.
Welche Auswirkungen hätte Ihrer Meinung nach ein Del-abstieg für den Eishockey-standort Augsburg?
Nachdem ich mittlerweile doch zu weit weg bin, ist das schwierig für mich einzuschätzen. Aber ich sage es nochmals: Ich muss nicht eine Sekunde überlegen, um zu sagen, wo Augsburg als Gründungsmitglied sportlich hingehört: in die DEL! Wenn man sieht, wie sich die Panther in all den Jahren entwickelt haben beziehungsweise was Lothar Sigl in den zurückliegenden rund drei Jahrzehnten für das Eishockey in Augsburg geleistet hat, wäre es unfassbar schade, wenn der AEV am Ende absteigen müsste.
Nachdem Ihr Abschied vom ERC Ingolstadt bekannt wurde, fiel in den darauffolgenden Monaten Ihr Name immer wieder in Zusammenhang mit den Augsburger Panthern. War für beide Seiten eine erneute Zusammenarbeit tatsächlich eine ernsthafte Option?
Mitchell: Ich bin ein Mensch, der Dinge, die im Hintergrund laufen, nicht kommentiert. Aber klar, ich habe diese Dinge natürlich auch gelesen und wurde häufig darauf angesprochen, ob ich denn nun als Sportdirektor, Cheftrainer oder sogar als Assistenzcoach von Peter Russell nach Augsburg zurückkehren würde. Ich habe darauf immer die Wahrheit gesagt, sprich: Dass das nicht stimme, ich bislang noch nirgends unterschrieben habe und mich nach wie vor auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber befinde. Mit meiner Unterschrift beim EHC Kloten hat jeder gesehen, dass das keine Lüge war.
Zur Person
Larry Mitchell arbeitete von 2007 bis 2014 als Trainer und Manager in Personalunion bei den Augsburger Panthern. Nach der Trainer-station in Straubing (2014 bis 2017) war er zwischen 2017 und 2022 als Sportdirektor beim ERC Ingolstadt tätig.