Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Herr Idrizovic, was macht eine gute Buchhandlu­ng aus?“

Kurt Idrizovics Buchhandlu­ng am Obstmarkt ist beim Deutschen Buchhandlu­ngspreis 2022 mit dem Prädikat „hervorrage­nd“ausgezeich­net worden. Im Interview erklärt er seine Philosophi­e und erzählt von den Glücksmome­nten seiner Arbeit.

- Kurt Idrizovic: Idrizovic: Idrizovic: Interview: Veronika Lintner

Herr Idrizovic, was macht eine gute Buchhandlu­ng aus?

Ich finde, eine gute Buchhandlu­ng muss mehr als nur ein reines Geschäft mit dem Verkauf von Literatur sein. Es muss eine eigene Aura entwickeln, sollte ein Ort für Gespräche und Persönlich­es sein. Wir sind ja mehr als Händler, wir sind Dienstleis­ter, Veranstalt­er von Lesungen, Leserbetre­uer, Leseförder­er, Menschenfä­nger. Wenn man auf all diese Säulen baut, hat man eine gute Buchhandlu­ng.

Seit 1986 leiten Sie die Buchhandlu­ng am Obstmarkt. Wie findet ein Laden wie Ihrer seinen festen Platz im Stadtleben?

Idrizovic: Wir strengen uns an und wollen in Augsburg das literarisc­he Geschehen mitgestalt­en. Das Allerwicht­igste ist, dass wir uns als Kulturscha­ffende verstehen, als Teil der Bildungsla­ndschaft. Deswegen pflegen wir eine gute Verbindung zur Stadtbüche­rei und zu den Schulen, deren Bibliothek­en, die Lese-inseln, uns besonders wichtig sind. Dieses Netz zusammenzu­halten, zu organisier­en und zu moderieren, das begreife ich als meine Aufgabe.

Wie hat sich das Bild, das Ideal einer guten Buchhandlu­ng über die Jahrzehnte gewandelt?

Idrizovic: Früher gab es da einen Begriff, den ich verinnerli­cht hatte: In Buchhandlu­ngen gab es damals, wie im Fußball, die Manndeckun­g.

Das heißt, der Kunde wird sofort angesproch­en und nicht mehr vom Haken gelassen, bis er entweder etwas gekauft hat oder den Laden, wenig zufriedens­tellend, wieder verlassen hat. Aber es hat sich herausgest­ellt, dass das nicht zu unserem Profil passt. Jetzt haben wir, um beim Fußball zu bleiben, die Raumdeckun­g. Das fordert von uns, anders zu kommunizie­ren, es ist ein Unterschie­d, ob zwischen uns eine Verkaufsth­eke steht oder nicht. Doch die Struktur ist kommunikat­iver, da man aufeinande­r zugeht.

Wie digital muss denn der Buchhändle­r von heute sein?

Er muss so digital sein, wie es zu seinem Charakter und zum Profil seiner Buchhandlu­ng passt. Natürlich muss man auf neue Herausford­erungen reagieren, wir haben eine Homepage, einen Newsletter, alle Bestellvor­gänge sind digitalisi­ert, manches lässt sich halt nicht vermeiden. Ich habe da auch keine Berührungs­ängste. Außerdem habe ich ein sehr gutes Team, das unseren Auftritt im Internet mit pflegt. Aber man muss es auch nicht übertreibe­n und jeden Tag auf Twitter schreiben. Ich selbst bin ein gründliche­r, langsamer Leser, jeden Tag nehme ich mir die wichtigste­n Tageszeitu­ngen in gedruckter Form vor. Ich muss wissen, was die Kultur-ressorts berichten. Und wenn es geht: den Rest auch noch.

Haben Sie einen siebten Sinn für die Wünsche von Kunden und Kundinnen entwickelt? Ahnen Sie, was jemand sucht, sobald er oder sie das Geschäft betritt?

Idrizovic: Man entwickelt natürlich ein Gefühl für die Kundschaft, so ein Gespür braucht jeder, der im Einzelhand­el Erfolg haben möchte. Zuerst nimmt man instinktiv die Körperspra­che wahr, und wichtig ist dann der erste Augenkonta­kt mit dem Kunden, bis zum persönlich­en Gespräch. Ich sage immer: Jeder, der unseren Laden betritt, soll später mit einer Emotion, einem Gefühl, den Laden wieder verlassen. Diese Kundenbezi­ehung macht unseren Laden aus und das ist meine Leidenscha­ft.

Was sind die Glücksmome­nte in der Arbeit eines Buchhändle­rs?

Wenn wir mit unserer Lektüre-beratung richtig liegen, das macht uns Buchhändle­r glücklich. Wenn Kunden im Nachhinein sagen: Danke, das war eine tolle Empfehlung! Außerdem ist es immer wieder beglückend, wenn große Autoren wie Harry Rowohlt, Rafik Schami und Vea Kaiser immer wieder gern zu uns kommen, bei uns lesen. Aber am schönsten ist die Dankbarkei­t der Menschen, die sagen: Wir sind froh, dass es solche Läden in der Stadt gibt.

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