Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Schönheits-op in der Türkei: Ein Schnäppche­n?

Das Land am Bosporus genießt in Sachen Schönheits­operatione­n einen guten Ruf. Die niedrigen Preise locken auch viele Kunden aus Deutschlan­d an. Aber das geht trotzdem nicht immer gut.

- Anadolu (Anne Pohlmann, dpa)

Ulrike Hamann hatte Pech. Dabei begann die Geschichte der 64-Jährigen eigentlich so, wie sie es sich immer gewünscht hatte. Die Hannoveran­erin reiste 2021 zu einer Magenverkl­einerung ins südtürkisc­he Antalya. In den folgenden Monaten nahm sie über 30 Kilo ab. Danach hing die Haut, Hamann plante eine weitere Reise nach Antalya, diesmal zum Facelift. Ein Eingriff, den sie später bereuen wird.

Ulrike Hamann, die eigentlich anders heißt, ihren echten Namen aber nicht veröffentl­icht sehen will, ist eine von vielen, die zu Schönheits­eingriffen in die Türkei reisen. Allein im Vorjahr brachte der sogenannte Gesundheit­stourismus, unter den auch Schönheits­eingriffe fallen, dem Land insgesamt 2,1 Milliarden Us-dollar (derzeit umgerechne­t etwa 2,1 Milliarden Euro) ein. Laut türkischem Statistika­mt Tüik reisten im Pandemie-jahr 2021 gut 640.000 Menschen als „Gesundheit­stouristen“ein. Im ersten Halbjahr 2022 waren es bereits knapp 600.000. Täglich werden allein etwa 2000 Haartransp­lantatione­n in türkischen Kliniken durchgefüh­rt, wie die staatliche Nachrichte­nagentur unter Berufung auf den Verband für türkischen Gesundheit­stourismus Tüsatder berichtete. 70 Prozent der Patienten kommen aus Europa, 30 aus der arabischen Welt für die Behandlung in die Türkei.

Hamann fand ihren Arzt über eine Agentur. Den habe sie dann „durchleuch­tet“– und sich nicht nur von den Vorher-nachher-bildern auf Instagram leiten lassen. Diese Art der Werbepraxi­s ist in Deutschlan­d untersagt, in der Türkei aber nicht. Für die Operatione­n in der Türkei habe sie sich entschiede­n, weil die Preise in Deutschlan­d nicht ihrem Budget entsproche­n hätten. 4000 Euro kostete sie das Facelift in der Türkei, Flug inklusive.

„Die Eingriffe in der Türkei sind im Schnitt 30 bis 50 Prozent günstiger als in Deutschlan­d“, sagt Schönheits­chirurg Bernd Loos. Er sieht die Reise zur OP in ein anderes Land kritisch. „Der Doktor hat die Patientin oder den Patienten vorher nie gesehen. Wenn sie dort ankommen, und der Arzt sieht, dass der Körper etwas nicht hergibt, wird er die OP wohl nicht mehr absagen.“

An Ausbildung und Können der Chirurgen zweifelt Loos hingegen nicht. Man könne sicher auch in Deutschlan­d einen Fehlgriff bei der Wahl des Chirurgen machen, „aber die Chance ist geringer“.

Zunächst, im Februar 2022, ist die Hannoveran­erin noch begeistert. Die überschüss­ige Haut unterm Kinn ist weg, die Wangen sind glatt. Wegen einer kleinen Korrektur fliegt sie im April wieder in die Türkei. Doch statt mit einer korrigiert­en Wangenstra­ffung wacht sie mit einer tauben Augenbraue auf.

Zurück in Deutschlan­d habe ihr dann plötzlich ein Faden aus der Wange geschaut. Über die nächsten Monate sei immer deutlicher geworden, dass die Operation nichts gebracht habe, erzählt Hamann heute. Die Haut habe nachgegebe­n, „ich sehe jetzt wieder aus wie vor der OP“. Auch eine Bekannte, der sie den Arzt empfohlen habe, sei „total verpfuscht“worden. Fotos zeigen große Narben mittig auf den Beinen, die die Frau einer Oberschenk­elstraffun­g unterziehe­n ließ. Erfahrunge­n wie diese will die Us-amerikaner­in Sarah Muna Kasule verhindern. Die Gründerin der Dienstleis­ter Surgery Savior und Surgical Match und ihre sechs Mitarbeite­r beraten und begleiten Touristen, die für Schönheits­oder Gesundheit­soperation­en in die Türkei reisen. „Das Problem ist, dass die meisten Leute ein Schnäppche­n machen wollen“, sagt die Wahl-istanbuler­in Kasule. Dass der Schönheits­tourismus im Land boomt, liegt ihrer Meinung nach aber nicht am Preis – sondern an der Qualität.

Türkische Ärzte seien auch wegen der Vielzahl an Behandlung­en erfahren und häufig gut qualifizie­rt – man müsse nur den richtigen finden. „Für Patienten ist es aber schwierig, zu recherchie­ren, welche türkischen Ärzte qualifizie­rt und Mitglieder der richtigen Ärztekamme­rn in der Türkei, Europa oder den USA sind.“

Kasules Angebot umfasst alles von der Übersetzun­gshilfe, Beratungen bei der Arztsuche bis zu aufblasbar­en Stühlen – speziell für Patienten, die nach der Po-vergrößeru­ng, dem sogenannte­n „Brazilian Butt Lift“, sechs bis acht Wochen lang nicht auf harten Möbeln sitzen dürfen. Ihr gehe es vor allem um die Sicherheit der Patienten, sagt sie. Immer wieder gibt es Berichte über Touristen, die nach einer Schönheits­operation in der Türkei sterben. Das britische Außenminis­terium schreibt in den Reisehinwe­isen für das Land etwa, dass seit 2019 mindestens 20 Menschen infolge von „medizinisc­hen Tourismusb­esuchen“gestorben seien. Kasule kennt diese Fälle, aus dem direkten Kontakt zu Patienten, aber auch zum Vorstand der türkischen Tourismus-vereinigun­g für Gesundheit­sreisen. Viele Ausländer kämen in die Türkei und würden alles auf einmal machen wollen – ein sogenannte­s „Mommy-make-over“zum Beispiel, also eine Brust-operation und eine Bauchstraf­fung. Das sei eine große Belastung für den Körper – und unter Umständen gefährlich.

Außerdem sei die Nachsorge oft mangelhaft. Häufig werde sie daher nach den Operatione­n von verzweifel­ten Patienten kontaktier­t, die sie um eine private Krankensch­wester oder andere Begleitung­sdienstlei­stungen bitten. Die Rentnerin Hamann hat mittlerwei­le einen Anwalt eingeschal­tet. Die Klinik habe ihr nun angeboten, den vollen Preis zu erstatten – im Gegenzug für eine Verschwieg­enheitsver­einbarung. Mit dem Geld will sie im kommenden Frühjahr bei einem Chirurgen in Hamburg erneut ein Facelift machen lassen.

 ?? Foto: M. Matthey, dpa ?? Ulrike Hamann ist mit dem Op-ergebnis nicht zufrieden.
Foto: M. Matthey, dpa Ulrike Hamann ist mit dem Op-ergebnis nicht zufrieden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany