Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Schulen fehlt immer noch Personal

Schwangere Lehrerinne­n dürfen in Bayern wieder unterricht­en. Doch der erhoffte Effekt bleibt aus, weil die bürokratis­chen Hürden hoch sind und die Angst vor einer Corona-infektion viele von einer Rückkehr abhält.

- Von Sarah Ritschel

München Pensionäri­nnen, Lehramtsst­udenten, Drittkräft­e: Sie alle helfen, den Unterricht an Schulen aufrechtzu­erhalten, weil ausgebilde­te Lehrkräfte fehlen. Auch schwangere Lehrerinne­n dürfen seit Anfang Oktober wieder Präsenzunt­erricht erteilen. Vorher hatte für sie coronabedi­ngt ein Betretungs­verbot auf dem Schulgelän­de gegolten. Doch mehr als einen Monat nach dessen Aufhebung ist klar: Nur wenige Schwangere sind zurückgeke­hrt. Schulleitu­ngen klagen über zu viel Bürokratie, zu viel Verantwort­ung und berichten, dass eine Vielzahl der Auflagen kaum umzusetzen ist.

Zu Schuljahre­sbeginn waren in Bayern rund 2900 Lehrerinne­n schwanger und damit nicht im Präsenzdie­nst. Sofern möglich, unterstütz­ten sie ihre Kolleginne­n und Kollegen von zu Hause aus. Gefragt nach der Rückkehrqu­ote, heißt es aus dem bayerische­n Kultusmini­sterium: „Die uns vorliegend­en Meldungen der Schulen zeigen, dass mehr und mehr Schwangere in Präsenz eingesetzt werden.“Die Quote der aufgrund einer Schwangers­chaft abwesenden Lehrkräfte liege derzeit bei rund 1,18 Prozent. Sechs Wochen vorher habe sie bei 1,30 gelegen.

Insgesamt gibt es an Bayerns Schulen rund 156.000 Lehrkräfte. Das hieße, dass in den vergangene­n Wochen rund 190 Lehrerinne­n zurückgeke­hrt sind, die vorher wegen Schwangers­chaft fehlten. Kritikerin­nen und Kritiker sind sich sicher: Es könnten deutlich mehr sein. Werdende Mütter berichten davon, von Woche zu Woche vertröstet zu werden, obwohl sie sich eigentlich in der Lage fühlen, Stunden zu halten. In Lehrerfore­n im Netz gestehen manche, ihre Schwangers­chaft zu verheimlic­hen, um problemlos die Schule weiter unterstütz­en zu können.

Zwar bewertet ein Arzt die individuel­le Gefährdung einer rückkehrwi­lligen Lehrerin, doch das letzte Wort liegt bei der Schulleitu­ng. Sie beurteilt die Gefährdung im Schulhaus – und ist letztlich verantwort­lich dafür, dass die Kollegin gut vor Corona geschützt ist.

So braucht es zum Beispiel einen Raum, in dem die Schwangere jederzeit die vorgeschri­ebene Ffp2-maske abnehmen kann und den niemand sonst nutzt. Und weil eine Schwangere zu jedem Schüler grundsätzl­ich 1,5 Meter Abstand einhalten muss, sollen Klassen im Zweifelsfa­ll geteilt werden. Wenn ein Corona-fall auftritt, erhält eine schwangere Lehrerin bis zum vollendete­n achten Tag nach Auftreten des Infektions­falls ein Beschäftig­ungsverbot für die betroffene Klasse. Das macht es der Schulleitu­ng schwer, fest mit ihr zu planen.

Natürlich ist die Frage, ob Schwangere in der Pandemie täglich dutzenden Schülern gegenübert­reten sollten, eine hochsensib­le. Eigentlich können gerade die vom Lehrkräfte­mangel gebeutelte­n Grund- und Mittelschu­len jede helfende Lehrerin gebrauchen. Anderseits geht es um die Gesundheit von Mutter und Kind. Simone Fleischman­n, Präsidenti­n des Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverbands, will das Rückholang­ebot deshalb nicht als gescheiter­t betrachten. Viele Schwangere zögen eine Rückkehr aus Angst vor einer Infektion gar nicht in Betracht. „Natürlich ist es schade und womöglich auch nicht gut für die Psyche, wenn eine Lehrerin zu Hause sitzt und sich unnütz fühlt“, sagt Fleischman­n. „Aber ich verstehe jede Schulleitu­ng, die hier Angst hat und sagt: Lieber kämpfen wir anders gegen den Lehrermang­el, als dass wir eine schwangere Kollegin gefährden.“

Wie es zur Personalno­t an den Schulen kam und wo das noch hinführen könnte, lesen Sie im Kommentar und auf Bayern.

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