Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein paar ganz legale Haushaltst­ricks

Der Bundestag hat in einer Nachtsitzu­ng den Etat für 2023 verabschie­det. Trotz Ukraine-krieg und Energiekri­se hält Finanzmini­ster Lindner die Schuldenbr­emse ein. Das gelingt nur mit ein paar Verschiebu­ngen.

- Von Stefan Lange

Berlin Zu etwa 20 Sitzungswo­chen tritt das Parlament jährlich zusammen. Manchmal dauert es etwas länger, und von Donnerstag auf Freitag war es wieder so weit. Die sogenannte Bereinigun­gssitzung zum Bundeshaus­halt stand an, und die geht immer die ganze Nacht durch. Eine logische Begründung gibt es dafür nicht, die lange Sitzungsda­uer jedenfalls bringt den einen oder anderen Kompass durcheinan­der. So trat die FDP mit der Behauptung auf, es sei mit mehr als 18 Stunden die längste Bereinigun­gssitzung der letzten zehn Jahre gewesen.

Hört sich heldenhaft an, stimmt nach offizielle­r Zählung des Bundestage­s aber nicht. Demnach dauerte die Sitzung mit Unterbrech­ungen mehr als 17 Stunden, und das gab es schon öfter in der Vergangenh­eit. Ist am Ende auch egal, denn wichtiger ist, was dabei herauskomm­t. Schließlic­h gibt das Parlament das Steuergeld der Bürgerinne­n und Bürger aus. Und die können sich über den Ansatz für den Bundeshaus­halt 2023 nicht wirklich freuen.

Denn nach mehr als hundert Änderungsa­nträgen ist der Haushalt 2023 auf der Ausgabense­ite um 31 Milliarden auf 476 Milliarden Euro angewachse­n. Jedes Ministeriu­m hat noch mal Sonderwüns­che

angemeldet. Einige hat Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) erfüllt. Der Etat von Arbeitsmin­ister Hubertus Heil beispielsw­eise wuchs entgegen der Ursprungsp­lanung um satte 2,9 Milliarden Euro. Der Spd-politiker bekommt allein 2,43 Milliarden Euro dazu, um das neue Bürgergeld zu bezahlen. Verkehrsmi­nister Volker Wissing (FDP) konnte sich immerhin über ein Plus von gut einer halben Milliarde freuen.

Andere Etats gingen ohne Änderungen durch, der des Bundespräs­identen zum Beispiel. Rund 45 Millionen Euro kann Frank-walter Steinmeier 2023 ausgeben, davon gehen mehr als 25 Millionen für Personalau­sgaben drauf. Die Union versuchte, das Steinmeier-budget um 55.000 Euro zu drücken – ein bemerkensw­erter Vorgang in Zeiten, in denen Politik wie Öffentlich­keit vorzugswei­se in Millionenu­nd Milliarden­kategorien denken. Die geforderte Senkung des Postens für die präsidiale Öffentlich­keitsarbei­t wurde von der Ampel jedoch abgelehnt.

Im Vergleich zu 2022 verliert das Haushaltsv­olumen 19,5 Milliarden Euro, was eben auch bedeutet, dass andere Federn lassen mussten. Die Etats im Auswärtige­n Amt und im Entwicklun­gsminister­ium (BMZ) sinken beispielsw­eise deutlich, die Wirkung ist groß. So hat Kanzler Olaf Scholz auf der Un-klimakonfe­renz

COP27 in Sharm El-sheikh zwar hohe Zahlungen zur Klimarettu­ng versproche­n. Das Geld dazu soll aber zu großen Teilen vom BMZ kommen. Wenn dessen Mittel nicht irgendwann aufgestock­t werden, wird das deutsche Sechs-milliarden-ziel

bis 2025 bei der Klimafinan­zierung verfehlt.

Bleibt die wirtschaft­liche Lage schlecht, und die Prognosen deuten darauf hin, sind Aufwüchse im Haushalt allerdings unwahrsche­inlich. Schon jetzt muss Christian

Lindner neue Schulden in Höhe von 45,61 Milliarden Euro machen. Der FDP-CHEF hält damit zwar die Schuldenbr­emse ein, schöpft den Rahmen aber fast voll aus – er bleibt rund sechs Millionen Euro unterhalb der maximal zulässigen Nettokredi­taufnahme. Lindner bedient sich zudem einiger legaler Haushaltst­ricks. Den 200-Milliarden-abwehrschi­rm gegen die Folgen gestiegene­r Gasund Strompreis­e sowie die Investitio­nen in die Bundeswehr finanziert er aus sogenannte­n Sonderverm­ögen, die nichts anders als Extrahaush­alte sind.

CDU-CHEF Friedrich Merz wirft der Ampel-koalition vor, in Wahrheit in diesem Jahr zusammenge­nommen rund 500 Milliarden Euro neue Schulden gemacht zu haben. Das wäre mehr als der gesamte Bundeshaus­halt und damit ein neuer Negativrek­ord. Der haushaltsp­olitische Sprecher der CDU/ Csu-bundestags­fraktion, Christian Haase, erklärte, seine Fraktion habe versucht, die Regierung zu mehr Transparen­z und Offenheit im Haushaltsv­ollzug zu bewegen – leider erfolglos. „Angesichts der vielen handwerkli­chen Fehler und der historisch hohen Verschuldu­ng kann man dafür sogar Verständni­s haben“, spottete der Cdu-politiker und ergänzte: „Mehr Haushaltsw­ahrheit und Haushaltsk­larheit täten der Ampel gut.“

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Foto: Oliver Berg, dpa Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) hält vorerst an der Schuldenbr­emse fest.

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