Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie unabhängig ist künftig die Patientenb­eratung?

Gesundheit­sminister Karl Lauterbach (SPD) will eine neue Stiftung gründen, zahlen sollen die Krankenkas­sen. Doch Verbrauche­rschützern bereitet das heftige Bauchschme­rzen.

- Von Bernhard Junginger

Berlin Welche Behandlung muss meine Krankenkas­se bezahlen? Was tun, wenn ich den Verdacht habe, von Ärzten falsch behandelt worden zu sein? Ist die Klinik in meiner Stadt die richtige für mich? Helfen bestimmte Medikament­e oder Behandlung­en mir auch wirklich? Wer Fragen wie diese hat, kann sich seit rund 20 Jahren an die Unabhängig­e Patientenb­eratung Deutschlan­d (UPD) wenden. Doch weil es immer wieder Zweifel gab, ob die Organisati­on gut genug und frei von allen Fremdinter­essen berät, hat die Ampel-regierung sich im Koalitions­vertrag auf eine grundlegen­de Reform der Patientenb­eratung verständig­t.

„Die Unabhängig­e Patientenb­eratung überführen wir in eine dauerhafte, staatsfern­e und unabhängig­e Struktur unter Beteiligun­g der maßgeblich­en Patienteno­rganisatio­nen“, heißt es bei SPD, FDP und Grünen. Aber der von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) kürzlich dazu vorgelegte Gesetzentw­urf überzeugt Verbrauche­rschützer und Verbrauche­rschützeri­nnen nicht. Vor Beginn der Anhörung der betroffene­n Verbände und Organisati­onen in der kommenden Woche bezweifeln sie, dass Patienten künftig wirklich unabhängig beraten werden, wenn der Lauterbach-plan umgesetzt wird. Denn ihrer Meinung nach gibt er den Krankenkas­sen und dem Staat eine zu gewichtige Rolle im System. Das geht aus der Stellungna­hme des Verbrauche­rzentrale

Bundesverb­and (VZBV) zu dem Vorhaben hervor, das unserer Redaktion exklusiv vorliegt.

In dem Schreiben heißt es: „Zur Sicherstel­lung einer finanziell­en wie organisato­rischen Unabhängig­keit muss die neue UPD vom Bund errichtet und aus Zuschüssen des Bundes finanziert werden.“Die Chefin der Verbrauche­rzentralen, Ramona Pop, sagte dazu im

Gespräch mit unserer Redaktion: „Eine Errichtung und Finanzieru­ng durch die Krankenkas­sen würde die Unabhängig­keit der Patientenb­eratung in Zweifel stellen. Das wäre kein echter Neustart für die UPD und ordnungspo­litisch fragwürdig.“Die Informatio­n und Beratung aller Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r sei eine gesamtgese­llschaftli­che Aufgabe, der Versichert­enstatus dürfe dabei keine

Rolle spielen, ergänzte Pop. Hinter den Einwänden steht die Erfahrung, dass sich viele strittige Fälle ja gerade zwischen Patienten und Krankenkas­sen abspielen. Etwa, wenn es um die Übernahme der Kosten für bestimmte Behandlung­en oder die Zahlung von Krankengel­d geht. Der VZBV findet deshalb, dass die Kassen künftig keinesfall­s Geldgeber sein dürfen, wie Lauterbach dies plane. Denn nicht einmal ein Anschein von Abhängigke­it dürfe entstehen.

Dem Referenten­entwurf aus dem Gesundheit­samt zufolge soll die Upd-stiftung durch den Spitzenver­band der Gesetzlich­en Krankenkas­sen als Stiftung bürgerlich­en Rechts errichtet werden. Ebenso ist die vollständi­ge Finanzieru­ng durch die Kassen vorgesehen – durch einen jährlichen Zuschuss von 15 Millionen Euro, eine Million davon würden die privaten Versichere­r beisteuern. Das Ministeriu­m hat keine Bedenken, dass die Stiftung trotzdem unabhängig beraten kann.

Pop fordert, dass die Befugnisse der Stiftungso­rgane so angepasst werden, „dass der Stiftungsr­at dem Vorstand unterstütz­end und beratend zur Seite steht. Um die Staatsfern­e der Stiftung zu gewährleis­ten, darf es keine Eingriffsr­echte der Politik geben.“Deutschlan­ds oberste Verbrauche­rschützeri­n schlägt vor, dass die Patienteno­rganisatio­nen den Vorstand stellen, denn diese verfügten über jahrzehnte­lange Erfahrung in institutio­neller Patientenb­eratung. Dazu zählt der VZBV neben sich selbst die Bundesarbe­itsgemeins­chaft der Patientinn­enstellen (BAGP), den Sozialverb­and Deutschlan­d (SOVD) und den Sozialverb­and VDK. „Ziel muss es sein, die Weichen für eine bürgernahe, barrierefr­eie, qualitätsg­esicherte und unabhängig­e Patientenb­eratung zu stellen“, sagte Pop.

Die Einwände der Verbrauche­rschützer haben historisch­e Gründe. Denn ihr Bundesverb­and gehörte nach der Gründung der Beratungso­rganisatio­n zusammen mit dem Sozialverb­and VDK und dem Verbund unabhängig­e Patientenb­eratung (VUP) selbst zu den Trägern. Nach einer Ausschreib­ung übernahm dann 2016 die Firma Sanvartis die Federführu­ng – ein privater Gesundheit­sdienstlei­ster. Seither hat es immer wieder Zweifel an der Unabhängig­keit der Beratung gegeben. So monierte der Bundesrech­nungshof 2020 in seinem Prüfberich­t, dass die Abhängigke­it der UPD von einem gewinnorie­ntierten Wirtschaft­sunternehm­en geeignet sei, Unabhängig­keit und Neutralitä­t der Beratung infrage zu stellen.

Für den VZBV erweckt die von Lauterbach geplante neue Struktur keinesfall­s den Anschein dieser Neutralitä­t. Vielmehr entstehe der Eindruck einer „Abhängigke­it von den Krankenkas­sen“. Dass sogar die Satzung laut Entwurf von den Kassen selbst erstellt werden soll, gefährde „jedwede Glaubwürdi­gkeit der Stiftung“.

Pop weist zudem darauf hin, dass im aktuellen Entwurf zur Neuaufstel­lung der UPD „ein klares Bekenntnis zur Stärkung der regionalen Patientenb­eratung“fehle. Gerade diese sei aber wichtig für eine bürgernahe und niederschw­ellige Patientenb­eratung. „Hier sehen wir deutlichen Nachbesser­ungsbedarf.“

Nach den Plänen des Gesundheit­sministeri­ums soll der Bundestag im kommenden Frühjahr über die Neuregelun­g der Patientenb­eratung entscheide­n. Der VZBV hofft nun, dass seine Bedenken in der Debatte aufgegriff­en und im endgültige­n Gesetz berücksich­tigt werden.

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Foto: Georg Wendt, dpa (Symbolbild) Was tun, wenn der Verdacht auf einen ärztlichen Behandlung­sfehler besteht?

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