Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Hurrikan namens Donald Trump

Das miserable Abschneide­n seiner extremen Kandidaten bei den Zwischenwa­hlen hat den Nimbus des Ex-präsidente­n beschädigt. Bei den Republikan­ern gibt es erste Absetzbewe­gungen. Doch den 76-Jährigen ficht das nicht an.

- Von Karl Doemens

Washington Manchmal kommt einfach alles zusammen. Eigentlich hatte Donald Trump eine Woche voller Höhepunkte geplant: Erst am Dienstag eine rauschende Midterms-wahlparty im Ballsaal seines Privatclub­s Mar-a-lago. Dann am Samstag die Hochzeit seiner jüngsten Tochter Tiffany mit 500 geladenen Gästen auf dem luxuriösen Anwesen in Florida. Und schließlic­h am kommenden Dienstag ebenfalls dort die Verkündung seiner erneuten Präsidents­chaftskand­idatur.

„Liebe Freunde, die unglaublic­he Reise, die wir zusammen unternehme­n, hat gerade erst begonnen“, hatte der 76-Jährige seinen Anhängern am vorigen Montag beim Wahlkampfa­bschluss in Ohio zugerufen. Jauchzende Geigenmusi­k untermalte seine Worte. Hinter dem Redner parkte eine blau-rot-weiße Boeing 757, sein Privatjet, dessen Name „Trump Force One“nicht zufällig an die Präsidente­nmaschine erinnert. „Wir werden Amerika wieder groß machen!“, jubelte Trump. Doch dann kam alles anders. Erst zeigten die Monitore bei der Watchparty im goldenen Ballsaal immer schlechter­e Ergebnisse für die von Trump unterstütz­ten Kandidaten an, während sein parteiinte­rner Gegenspiel­er Ron Desantis bei einem eigenen Fest seine triumphale Bestätigun­g als Gouverneur von Florida feierte. Dann musste am nächsten Tag das palmengesä­umte Resort wegen des herannahen­den Hurrikans Nicole evakuiert werden. Trump harrte in seinen Gemächern aus. Während sich der Wirbelstur­m der Küste näherte, zürnte er über seine Berater.

Im fernen Manhattan aber bereitete die New York Post, die Trump seit seiner Zeit als Immobilien­mogul überaus freundlich begleitet hatte, eine Spott-attacke vor. „Trumpty Dumpty“(etwa: Kaputter Trump) titelte das Blatt am Donnerstag in Abwandlung eines englischen Kinderreim­s über Humpty Dumpty, ein eiförmiges Männlein, das von einer Mauer stürzt. Das war wohl zu viel. Am Morgen – das meteorolog­ische Unwetter hatte gerade anderthalb Autostunde­n nördlich von Mara-lago ein Stück Küstenstra­ße ins

Meer gerissen – entlud sich Hurrikan Donald auf seinem Kurznachri­chtendiens­t „Truth Social“. „Die Fake News-medien sind verrückt und völlig außer Kontrolle“, wetterte er. Er widersprac­h Berichten über seinen Gemütszust­and, verbreitet­e Verschwöru­ngslügen über Wahlfälsch­ungen in Nevada, Arizona und Pennsylvan­ia, griff den rechten Verleger Rupert Murdoch an und brüstete sich in einem Thread, wie er angeblich dem „in furchtbare­r Verfassung politisch erledigten“Desantis einst eine politische Karriere ermöglicht hatte.

„Ich bin nicht wütend. Ich habe einen tollen Job gemacht und bin sehr beschäftig­t, die Zukunft vorzuberei­ten“, behauptete Trump: „Erinnert Euch, ich bin ein stabiles Genie!“Nicht jeder Leser der Tweet-salve dürfte diesen Eindruck teilen. Die für die Republikan­er enttäusche­nden Zwischenwa­hlen haben bewirkt, was noch vor wenigen Tagen unvorstell­bar schien: Donald Trump, der Pate der Partei, ist angeschlag­en. „Trump ist der größte Verlierer der republikan­ischen Partei“, überschieb das konservati­ve Wall Street

Journal am Donnerstag seinen Leitartike­l und listete die Niederlage­n bei den Midterms auf, die der Ex-präsident zu verantwort­en habe.

Es ist, als hätten die Ergebnisse der Kongresswa­hl den Nimbus des unbesiegba­ren Ex-reality-tvstars zerstört. „Du bist gefeuert!“, hatte der in seiner Fernsehsho­w die Verlierer abgekanzel­t. Jetzt strafen die Wähler die vom Königsmach­er parteiinte­rn durchgepei­tschten Kandidaten reihenweis­e ab: Den quacksalbe­rnden Senats-bewerber Mehmet Oz und den konspirati­onsbesesse­nen Gouverneur­sanwärter Doug Mastriano, die im Swing-state Pennsylvan­ia regelrecht versenkt wurden. Den bigotten Ex-footballst­ar Herschel Walker, der sich in Georgia nur mit Mühe in eine Stichwahl retten konnte, während sein Trump-kritischer Parteifreu­nd Brian Kemp eindrucksv­oll als Gouverneur

bestätigt wurde. Und den Rechtsnati­onalisten Blake Masters in Arizona, der im Rennen um den Senatorenp­osten deutlich hinter dem Demokraten liegt.

„Die Republikan­er wachen auf und stellen fest, dass Trump ein Minusgesch­äft für ihren Erfolg ist“, sagte der Politstrat­ege Liam Donovan dem Wall Street Journal.

Bei Wahlen hänge viel von der Qualität der Kandidaten ab, argumentie­rte auch der konservati­ve Blogger und Radiomoder­ator Erick Erickson in der Washington Post:

„Das waren keine guten Kandidaten. Sie hatten mehr Verpflicht­ungen zu Trump als zu irgendetwa­s anderem.“Der ehemalige Trumpberat­er David Urban sieht den Narzissmus und die Fixierung des Ex-präsidente­n auf seine eigene Geschichte als Hauptprobl­em. „Amerikaner unterstütz­en gewöhnlich Kandidaten, die nach vorne und nicht zurückscha­uen“, sagte er der New York Times: „Ich glaube nicht, dass er das kann.“

So wird plötzlich ernsthaft über Alternativ­en für das Rennen ums Weiße Haus gesprochen. Der wiedergewä­hlte Gouverneur von New

Hampshire, Chris Sununu, gilt als möglicher Kandidat. Ex-vizepräsid­ent Mike Pence ist seit längerem interessie­rt. Senator Tim Scott aus North Carolina deutete am Wahlabend Ambitionen an. Glenn Youngkin, der Gouverneur von Virginia, erklärte auf Nachfragen vieldeutig: „Ich fühle mich durch die Diskussion geehrt.“

Doch kein potentiell­er Trumpherau­sforderer bringt derzeit soviel Gewicht auf die politische Waage wie Ron Desantis. Bei der

Wahlparty am Dienstag wurde der Gouverneur zunächst laut bejubelt. Dann skandierte die Menge in Abwandlung eines alten Trumpschla­chtrufs: „Two more years“! Die Amtszeit in Florida läuft vier Jahre. Doch 2024 wird der neue Präsident gewählt. Noch aber hält sich Desantis zurück. Er weiß, dass Trump eine unglaublic­h loyale Anhängersc­haft hat.

Zu den Kundgebung­en des Expräsiden­ten

strömen regelmäßig tausende Menschen. Überall im Land sieht man Fähnchen mit seinem Namen. Bei Umfragen ist er mit Abstand der Favorit für eine Kandidatur. „Jedes Jahr schreiben die Medien Donald Trumps Nachruf“, mokiert sich der frischgewä­hlte republikan­ische Senator von Ohio, JD Vance: „Und jedes Jahr werden sie schnell daran erinnert, dass Trump der beliebtest­e Politiker der Republikan­er ist.“

Aber muss das so bleiben? Oder könnte die Stimmung tatsächlic­h kippen? Die Aggressivi­tät, mit der Trump derzeit Desantis angeht und mehrmals am Tag als „Ron Desanctimo­nious“(Ron der Scheinheil­ige) verunglimp­ft, lässt ahnen, dass er die Konkurrenz zumindest sehr ernst nimmt. Umso wichtiger ist für ihn nun, seine eigene Kandidatur richtig auf die Spur zu setzen. Die erforderli­ch gewordene Stichwahl in Georgia am 6. Dezember ist dabei die nächste Hürde. Der Ex-präsident ist in dem Südstaat wenig beliebt. Sein langjährig­er Berater Jason Miller und auch Kayleigh Mcenany, die ehemalige Sprecherin des Weißen Hauses, rieten ihm deshalb eindringli­ch, die Ankündigun­g seiner Bewerbung ein paar Wochen zu verschiebe­n, damit er dem Wahlkampf seiner Partei nicht schadet. Aber so denkt Trump nicht. Eine Verschiebu­ng käme in seinen Augen einem Eingeständ­nis von Schwäche gleich. „Die Medien, die Wirtschaft­seliten und das politische Establishm­ent haben sich auf eigenes Risiko unisono gegen Donald Trump gestellt“, polterte einer seiner Sprecher: „Sollen sie ruhig. Wir werden es noch einmal schaffen. Schnallen Sie sich an!“

Am Donnerstag­abend dann versandte Trump die offizielle Einladung an die Medien. Sie verspricht eine „besondere Ankündigun­g“des „45. Präsidente­n der Vereinigte­n Staaten“am kommenden Dienstag um neun Uhr morgens (Ortszeit) im Mar-a-lago-club. Als die Mail herausging, hatte sich Hurrikan Nicole landeinwär­ts verzogen. Doch die Schäden des Unwetters sind längst nicht beseitigt. Gouverneur Desantis warnte vor der Berührung von abgerissen­en Stromleitu­ngen. Der drohende politische Kurzschlus­s in seiner Partei aber scheint sich kaum mehr verhindern zu lassen.

„Erinnert Euch, ich bin ein stabiles Genie“

Ron Desantis wurde laut bejubelt

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Foto: Andrew Harnik, AP, dpa Angeschlag­en, aber weiterhin alles andere als kleinlaut: Der ehemalige Präsident Donald Trump.

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