Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Erhard-wunderlich-sporthalle diente auch als Kulturtemp­el

Das 1965 eröffnete Bauwerk lockte nicht nur die Sportlerin­nen und Sportler, sondern auch die Fans von Liedermach­ern und Comedians an. Im kommenden Jahr soll die Halle saniert werden.

- Von Franz Häußler

Im Juni 1962 schrieb die Stadt Augsburg einen Ideen- und Preiswettb­ewerb für eine Sporthalle aus. Sie sollte für alle Hallenspor­tarten geeignet sein und rund 3000 Zuschauerp­lätze bieten. Trainingsr­äume und eine Kegelbahn unter der Halle waren Vorgaben in der Ausschreib­ung. Der Stadtrat entschied sich am 18. März 1963 für den preisgünst­igsten Entwurf. Eine Jury hatte ihn empfohlen. Architekte­n und Stadträte waren vom Modell beeindruck­t. Das Hängedach schien jedoch derart ungewöhnli­ch, dass es Skepsis auslöste. Doch Statiker verhießen der Konstrukti­on eine Langzeit-haltbarkei­t.

60 Meter weit gespannte Stahlseile, wie sie für Seilbahnen verwendet werden, tragen das Dach. Es besteht aus rund 1500 vorgeferti­gten, 38 Millimeter starken Betonplatt­en. In der Mitte hängt das Dach etwa fünf Meter durch. Die beiden teilvergla­sten Hallen-seitenwänd­e sind dieser Form angepasst. An den Längsseite­n bestimmen die 15 Meter hohen Beton-tragepfeil­er die Außenansic­ht. Auf jede der 18 Stützen wirken an der Spitze Zugkräfte von etwa 200.000 Kilo. Die Träger leiten die Lasten über die Tribünen auf die Kellerplat­te ab.

Am 29. Oktober 1963 wurde der Grundstein gelegt, am 11. Dezember 1965 fand die Eröffnung mit dem Handball-länderspie­l Deutschlan­d gegen Frankreich statt. Der Bau erfüllte nicht nur als Sporthalle eine wichtige Rolle, sondern auch im Kulturlebe­n. Diese Doppelfunk­tion zeichnete sich bereits in der Bauzeit ab: Im Fasching 1963 wurde der Ludwigsbau gesperrt und 1965 gesprengt. Augsburgs traditione­lles Kultur- und Event-gebäude fehlte. Glückliche­rweise stand ab Dezember 1965 die neue Sporthalle zur Verfügung.

Die Halle mit ungewöhnli­chem Ambiente entwickelt­e sich zum Multifunkt­ionsbau für Veranstalt­ungen vom Tanzturnie­r bis zum Boxkampf, von der Eisrevue bis zum Musical. Die Tribünen zu beiden Seiten des 48 mal 26 Meter großen Spielfelde­s sind für 3093 Zuschauer ausgelegt. Mit Bestuhlung der Bodenplatt­e reichte das Sitzplatza­ngebot für bis zu 4300 Besucher. Die Plätze waren auch nach der Eröffnung der Kongressha­lle (1972) und der Schwabenha­lle im Messezentr­um (1987) oftmals belegt. Die Halle diente abwechseln­d als Sporthalle und Kulturtemp­el.

Der Belegungsp­lan im Jahr 1987: Udo Jürgens (22. Februar), Roger Whittaker (14. März), Münchner Freiheit (13. Mai), Peter Hofmann (30. November), Jennifer Rush (3. Dezember). Im Tanzsport waren die Kür der Standard-weltmeiste­rschaft (21. Okober 1989) und die Europameis­terschaft der Latein-profis (31. März 1990) geboten. Das Stadtarchi­v verwahrt Plakate für Auftritte von Liedermach­ern, Folkstars und Comedians: Reinhard Fendrich (2004), Michael Mittermeie­r (2004 und 2006), Mario Barth (2006), Dieter Nuhr (2008) sowie Joan Baez (2010).

Der eigentlich­e Zweck blieb der Sport, und zwar vornehmlic­h der Breitenspo­rt: Basketball, Handball, Hockey, Volleyball, Badminton, Fußball. Schulen und Sportverei­ne waren Dauernutze­r, in den Kellern trainierte­n Judo- und Allkampf-clubs sowie Bogenschüt­zen.

2011 musste zwar die Dachfläche saniert werden, doch die Tragekonst­ruktion war intakt. Die Vielfachnu­tzung musste 2015 reduziert oder eingestell­t werden, als eine Anpassung der Halle an aktuelle Sicherheit­sstandards fällig war. Die zweite umfangreic­he Stufe der Hallensani­erung soll 2023 beginnen.

Die Arbeiten finden unter Beobachtun­g der Denkmalsch­ützer statt, denn seit 2003 steht die Halle in der Denkmallis­te. Das besondere Merkmal: „Seilträger­hängedach-konstrukti­on zwischen antithetis­ch gestellten, überkragen­den Tribünen“. Ende des Jahres 2012 bekam die Halle den Namen „Erhard-wunderlich-sporthalle“. Die Stadt ehrte damit den 1956 in Augsburg geborenen 140-fachen Handball-nationalsp­ieler. Er war am 4. Oktober 2012 verstorben.

Seit Anfang 2020 heißt die zur Halle führende Stichstraß­e „Erhard-wunderlich-allee“.

Jennifer Rush und Udo Jürgens traten 1987 auf

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Foto: Städtische­s Hochbauamt Modell der architekto­nisch ungewöhnli­chen Sporthalle aus dem Jahr 1963.
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Fotos: Franz Häußler 2012 wurde die Tafel mit dem neuen Namen der Halle enthüllt.
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Buchmesse von Antiquaria­ten am 4. März 2012 in der Sporthalle.

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