Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Warum diese Familie Solarstrom auf ihrem Hausdach möchte

Ronald Perzul und seine Frau Nadya investiere­n in ihr Haus im Bärenkelle­r. Doch welche Leistung soll die Anlage haben? Und an was müssen die Eigentümer denken? Ein unabhängig­er Experte ermittelt im Auftrag der Stadt passende Lösungen.

- Weitere Solar-beratungsm­öglichkeit­en und Vorträge gibt es im Rahmen der Energieber­atung der Stadt Augsburg (augsburg.de/energieber­atung), telefonisc­h und in den Beratungsb­üros (nach Anmeldung). Von Eva Maria Knab

Es ist ein hübsches Eigenheim, das sich Familie Perzul im Bärenkelle­r geschaffen hat. Die Perzuls haben ihr Haus Schritt für Schritt modernisie­rt und erweitert. Bislang stand der Wohnkomfor­t im Mittelpunk­t. Auch die Schwiegerm­utter sollte genügend Platz haben. „Wir haben viel Geld reingestec­kt und dafür ein Darlehen aufgenomme­n“, erzählt Ronald Perzul. Jetzt ist der Augsburger an einem Punkt angekommen, an dem er die Energiever­sorgung daheim zukunftssi­cher machen will. Eine Solar-anlage soll aufs Dach. Doch was die passende Lösung für das fast 40 Jahre alte Bestandsge­bäude, den Fünfperson­en-haushalt und das neue Elektroaut­o: Guter Rat ist teuer – oder nicht?

An diesem Tag klingelt bei Familie Perzul ein Mann an der Tür, der mit dem E-roller gekommen ist und einen großen schwarzen Rucksack dabei hat. Es ist Klaus Becker vom Meringer Energiebür­o. Er ist als unabhängig­er Energieber­ater im Auftrag der Stadt Augsburg unterwegs. Im Rahmen der städtische­n Solaroffen­sive informiert er Bürger, die sich Strom aus regenerati­ven Energieque­llen ins Haus holen möchten, kostenlos vor Ort. Aus seinem Rucksack zieht er zwei dicke Ordner mit Unterlagen und einen Laptop. Man merkt: Die Sache ist komplex.

„Ich bin froh, dass ich die Beratung zufällig im Internet gefunden habe“, sagt Perzul. Zunächst hatte er versucht, sich selbst einen Überblick zu verschaffe­n. Der 45-jährige Vertriebsi­ngenieur ist es beruflich gewohnt, mit Daten und Fakten umzugehen. Er hat bei Anbietern von Pv-anlagen nachgefrag­t und habe teils falsche Informatio­nen bekommen, erzählt er. Er hat mit Freunden gesprochen, die Erfahrunge­n mit Solarstrom haben. Am Ende war er verunsiche­rt. Ihm gehe es nicht allein ums Energiespa­ren und um den Umweltgeda­nken, sagt er. „Ich will schon auch das Gefühl haben, dass sich die Investitio­n

rechnet.“Nun setzt er auf das Gespräch mit Energieber­ater Becker, um verlässlic­he Tipps zu bekommen.

Am großen Esstisch im hellen Wintergart­en der Perzuls geht es erst einmal ums Grundsätzl­iche: Wie viel Platz ist auf dem Dach des Einfamilie­nhauses, um Solarmodul­e zu installier­en? Wie ist das Dach geneigt und nach welcher Himmelsric­htung? Stehen vielleicht Bäume im Garten, die das Solardach verschatte­n könnten? Berater Becker erspäht eine Fichte vor der Garage. Das ist nicht weiter schlimm. Auch sonst ist noch genügend Fläche oben auf dem Haus vorhanden.

Becker kramt aus seinem Rucksack eine sogenannte Einstrahlu­ngsscheibe hervor. Sie zeigt für Laien verständli­ch, wie viel Sonnenstra­hlung während eines Jahres auf eine Dachfläche trifft. Dann tippt er jede Menge Zahlen in sein Rechenprog­ramm. Ein Ausgangspu­nkt ist der Stromverbr­auch der Familie. Es sind rund 4000 Kilowattst­unden im Jahr. Ronald Perzul und seine Frau Nadya al-haroun arbeiten beide im Homeoffice. „Das macht sich deutlich an der Stromrechn­ung bemerkbar“, sagen sie.

Das neu angeschaff­te kleine Elektroaut­o ist beim bisherigen Verbrauch noch nicht berücksich­tigt. Mit selbst erzeugtem Solarstrom würden die Perzuls künftig gerne ihren eigenen Bedarf decken und den Fiat mit E-antrieb aufladen. Ist das machbar?

Es gibt Faustregel­n für Solaranlag­en. Der Berater kann zusätzlich mit seinem Rechenprog­ramm abschätzen, was für Familie Perzul sinnvoll und wirtschaft­lich ist. Sein Ergebnis: Sie bräuchten rund 20 bis 30 Quadratmet­er ihrer Dachfläche, um eine Pv-anlage zu installier­en, die im Verhältnis zum aktuellen Stromverbr­auch günstig dimensioni­ert ist.

Sie müsste eine Leistung zwischen vier und sechs Kilowatt-peak haben, um auf der sicheren Seite zu sein. Becker sagt aber auch: „Wenn man einen hohen Eigenverbr­auch

haben will, kommt man um einen Speicher nicht herum.“Damit wird die Investitio­n deutlich teurer. Nach seiner Kostenschä­tzung müssen die Perzuls mit rund 7000 bis 10.000 Euro netto für die Solarmodul­e und etwa 6300 Euro für den Speicher rechnen. Sein Tipp: auf dem Dach noch eine zweite größere Pv-anlage installier­en und den dort gewonnen Strom zunächst voll ins Netz einspeisen.

Warum unabhängig­e Beratung wichtig ist, wird den Perzuls nach rund eineinhalb Stunden Gespräch immer klarer. Es geht nicht nur um technische und finanziell­e Details. Becker hat eine ziemlich lange Checkliste dabei, was alles zu beachten ist: Die Statik des Daches sollte vorab geprüft werden. Die Anlage muss so montiert sein, dass sie bei Sturm nicht weggerisse­n wird. Und dann sind da noch die vielen bürokratis­chen Regeln: Wie man als Privatmann bei einer Stromeinsp­eisung ins Netz steuerlich profitiere­n kann oder mit welcher Einspeisev­ergütung man rechnen darf. Ab dem kommenden Jahr soll es in einigen wichtigen Punkten einfacher werden. Womit die Perzuls sicher nicht rechnen können: Schnelllad­ungen ihres E-autos werden sie allein mit der gewünschte­n Anlage nicht hinbekomme­n. Dazu müsste der Speicher hochgerüst­et werden – aus Sicht von Becker ein „Verlustges­chäft“.

Am Ende des Besuchs sagt Perzul: „Die kostenlose Beratung war echt klasse.“Er fühle sich nun auf Augenhöhe, um mit Firmen und Handwerker­n zu verhandeln. Solaranlag­en seien für immer mehr Bürger ein großes Thema, sagt Andreas Repper vom städtische­n Umweltamt. Allein in diesem Jahr haben bis Ende Oktober 130 solcher Vor-ort-beratungen stattgefun­den. Das stark gestiegene Interesse sei nicht zuletzt auf die Energiekri­se zurückzufü­hren.

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Foto: Silvio Wyszengrad Energieber­ater Klaus Becker berät Familie Perzul im Bärenkelle­r, was alles bei einer Photovolta­ikanlage zu beachten ist.

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