Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wirtschaft schlägt wegen der Krise Alarm
Firmenchefs und Firmenchefinnen in Augsburg und Umgebung blicken wenig optimistisch in die Zukunft. Sie sehen die Region im Krisenmodus. Wo ist der Silberstreif am Horizont?
Die regionale Wirtschaft steckt das dritte Jahr in Folge im Krisenmodus. Hohe Energie- und Rohstoffpreise machen den Unternehmen zu schaffen. Fast jeder zweite Firmenchef im Raum Augsburg geht davon aus, dass sich die Geschäftslage verschlechtert. „Es brennt“, sagt Unternehmerin Andrea Pfundmeier.
Nahezu alle Branchen seien von der Krise betroffen, wobei die Itbranche, in der Pfundmeier selbst tätig ist, noch vergleichsweise gut dastehe. Aufgrund der Unsicherheit hielten sich Betriebe bei Investitionen zurück, berichtet Unternehmerin Ellen Dinges-dierig. Wenn es einen Silberstreif am Horizont gebe, müsse man jetzt auf das Weihnachtsgeschäft hoffen: „Für die allgemeine Stimmung wäre es wichtig, dass es gut läuft.“
Andrea Pfundmeier (It-firma Boxcryptor) und Ellen Dinges-dierig (Dierig Holding) sind Führungspersonen der Wirtschaft in Augsburg. Sie nehmen als Ehrenamtliche bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Spitzenpositionen ein. Was die Unternehmerinnen zur aktuellen Lage sagen, bezieht sich auf Zahlen einer Herbstumfrage. 240 Firmenchefs aus der Region haben mitgemacht, davon sind 93 aus der Stadt Augsburg. Die Situation sei gegenwärtig sehr unerfreulich. Laut Andrea Pfundmeier kämpft ein Teil der Betriebe ums nackte Überleben: „Man merkt es nur nicht.“
Die erfolgreiche Unternehmerin schildert als Beispiel den Fall einer Bekannten, die in Augsburg ein kleines Geschäft betreibt. Die Geschäftsfrau wisse nicht, ob es weitergehen werde. Kundinnen, die sie darüber informiert hat, äußerten sich bestürzt, berichtet Andrea Pfundmeier über ihre Bekannte. Deren Antwort an die Kundschaft war: „Viele, die bedauern, dass es vielleicht bald vorbei sein könnte, waren in den zurückliegenden zwei Jahren nicht bei mir.“
Wirtschaft habe stets mit Emotionen zu tun, sagt auch Ellen Dinges-dierig: „Das macht zumindest Hoffnung für das anstehende Weihnachtsgeschäft.“Womöglich ließen sich die Menschen durch den Christkindlesmarkt und von anderen stimmungsvollen Veranstaltungen in Kauflaune versetzen. Dass andererseits immer mehr Bürgerinnen und Bürger in finanzielle Schwierigkeiten geraten, stehe außer Frage. Ellen Dinges-dierig: „Insofern weiß man nicht, ob man davon einfach abschalten kann.“
Mit Blick auf das anstehende Weihnachtsgeschäft, das im Handel mit Sorge betrachtet wird, verweist Andrea Pfundmeier auf die Entscheidungsmöglichkeit der Kundinnen und Kunden: „Jeder hat es selbst in der Hand, wo er kauft.“Wenn man aber dann zum Beispiel bei Amazon einkaufe, dürfe man sich später nicht beklagen, dass es ein Ladensterben geben könnte.
Einzel- und Großhandel, die im Stadtgebiet Augsburg eine wichtige Rolle spielen, tragen gegenwärtig dazu bei, dass die Erwartungshaltung in der Wirtschaft stark gedämpft ist, heißt es nach Auswertung der Ihk-umfrage. Kaufkraft geht verloren, weil die Menschen die Inflation im Geldbeutel spüren. Gegenwärtig beurteilt jedes zweite Unternehmen in Augsburg seine Geschäftslage als befriedigend. Bei der Frühjahrsumfrage 2022 sprachen 41 Prozent der befragten Firmen von einer „guten Geschäftslage“, im Herbst sind es 35 Prozent.
Im regionalen Vergleich gibt es zwischen der Stadt Augsburg und den Landkreisen Augsburg und Aichach-friedberg Unterschiede. Der Ihk-konjunkturindex ist in der Stadt Augsburg höher als in den Landkreisen. Der Index berechnet sich aus der Geschäftslage und den Erwartungen der Firmen. Für Augsburg dürfte der Branchenmix sprechen, sagen die Experten der IHK. In den Landkreisen könnten produzierende Unternehmen, die sehr viel Energie verbrauchen, pessimistischer sein. Dienstleistungsunternehmen gehören zu den Firmen, die etwas optimistischer sind.
Bei der IHK wird darauf verwiesen, dass Entwicklungen im Wirtschaftsleben schnell gehen könnten. In dieser Woche war bekannt gegeben worden, dass die Reitsportmesse Americana das Messezentrum in Augsburg verlässt.
Auch die Fachmesse Grindtec, die sich an die Branche der Schleiftechnik richtet, kehrt Augsburg den Rücken. „Alle großen Veranstaltungen in Augsburg sind wichtig“, kommentiert Andrea Pfundmeier das Aus der beiden Messen: „Jede Veranstaltung, die wegfällt, ist schade.“
Wie geht’s weiter? Die Wirtschaft erwarte von der Politik, den rasanten Anstieg der Energiepreise zu stoppen. Hilfe für Unternehmen müssten schnell, direkt und ohne bürokratisches Monstrum bei den Unternehmen ankommen, hieß es. Auch wenn sich die heimische Wirtschaft in der Abwärtsspirale befindet, gibt Ellen Dingesdierig die Hoffnung nicht auf, dass es wieder aufwärts gehen werde: „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Wirtschaft Krisen bewältigt hat.“Dies gelte auch für die Region Augsburg.