Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Der Smarte mit dem Überschmäh
Der Liedermacher Rainhard Fendrich hat sich nicht neu erfunden, aber er hat im Alter zum Wesentlichen zurückgefunden und nach wie vor zündende Botschaften. Rund 2000 Fans feiern ihn in der Schwabenhalle.
Der Mann muss was draufhaben. In Österreich haben sie ihm sogar eine eigene Briefmarke gewidmet. Heutzutage würde man so etwas Ungewöhnliches mit dem Modewort „unfassbar !!!! “kommentieren! Rainhard Fendrich wiederum wäre es zuzutrauen, über solche sprachlichen Übertreibungen ein beißend ironisches Stück zu schreiben, das Hitpotenzial hat.
In den 80er Jahren hat der Wiener über die Zeit und ihre gesellschaftlichen und politischen Auswüchse reflektiert und sehr erfolgreiche Lieder geschrieben, die auch in Deutschland – zumindest in der Generation Ü50 – noch immer viele auswendig mitsingen können: Angefangen von der Fahrt über die „Strada del sole“, dem Sommerhit des Jahres 1981, bis hin zur heimlichen Nationalhymne der Alpenrepublik „I’m from Austria“reicht die Bandbreite.
Und Fendrich war ja nicht nur Liedermacher, dem irgendwann wegen der Beliebtheit seiner Songs das einordnende Etikett „Austropoper“umgehängt wurde. Auch als Schauspieler und Moderator, unter anderem mit der in Bayern beliebten Sendung „Herzblatt“, war er erfolgreich unterwegs. Der Publikumsliebling machte aber auch andere Schlagzeilen. Jahrelang kokste er und wurde, als das bekannt wurde, zu einer Geldstrafe verurteilt. Auch der Rosenkrieg mit seiner früheren Frau hielt Wien und die Welt um Wien herum in Atem.
Rainhard Fendrich ist ein musikalischer Repräsentant der 80er Jahre, der „Belle Epoche“des vergangenen Jahrhunderts, wie er im Konzert in der Augsburger Schwaben augenzwinkernd konstatierte. Grell, bunt, lustig war der Zeitgeist da noch. Es gab sogar Lieder, in denen man den Spaß am Gasgeben bejubelte. Die österreichischen Liedermacher waren damals im Zenit ihrer Berühmtheit angekommen. Inzwischen ist Rainhard Fendrich 67 Jahre, hat fast weiße Haare, und obwohl er sich gut gehalten hat, sieht man ihm sein Alter durchaus an. Ganz in Schwarz steht er mit seiner Gitarre da. Die Scheinwerfer strahlen am Ende der Show massiv in die mit knapp 2000 Besuchern gut gefüllte Schwabenhalle, die Fans toben und Rainhard Fendrich scheint selbst ein wenig erstaunt über die wogenden Emotionen.
Denn in der ersten Hälfte des Konzerts, das seinem jüngsten Album „Starkregen“gewidmet ist, wirkt er seltsam distanziert. Das Werk stammt schon aus dem Jahr 2019, kann aber wegen Corona erst jetzt live präsentiert werden. Der sonst so Smarte mit dem Überschmäh performt gut, aber routiniert. Seine Stücke haben nach wie vor Qualität. Fendrich hat noch immer etwas zu sagen: Retrospektiv singt er in „Mein Leben“über sich selbst. Andere tragen Titel wie „Sag ma ned, es gibt kan Teifel“oder „Hinter’m Tellerrand“. Noch immer seziert er die Schwächen der Gesellschaft mit der ihm eigenen Wortkunst. In „Social Media Zombies“erzählt er, wie die Menschen am Frühstückstisch sitzen und ein Foto von ihrem weichen Ei posten, anstatt mit ihrem Partner zu reden. In „Heiße Luft“beschreibt er den Trend zu verlogenen populistischen Parolen und alternativen Fakten: „Wenn immer wo, was schief rennt, die Flüchtlinge san schuld“, singt er da.
Zwischen die Stücke baut Fendrich Brückengeschichten. Er erzählt von Tante Hilde, von seinem Kind-erlebnis in einer Geisterbahn und von der Midlife-crisis. Der Künstler buhlt nicht mehr um sein Publikum. Gleichwohl streuen er und seine vierköpfige Band zwischen die neuen Songs Klassiker wie „Tango Korrupti“oder „Wien bei Nacht“.
Das Herz seiner Fans, nach wie vor sind es viele weibliche, erreicht der Österreicher aber erst in der zweiten Konzerthälfte. Da geht es ab – Schlag auf Schlag: Auf „Es lebe der Sport“folgt „Blond“– und in eine Dame aus der ersten Sitzreihe fährt ohne Vorwarnung das Feuer ihrer Jugend. Sie springt auf und kreischt so hysterisch, als wäre John Lennon auferstanden. Für andere Rainhard-fendrichverehrer (-innen) ist es ein Zeichen. Sie stürmen an die Bühne. Das wiederum befeuert den Künstler. Hits wie „Macho Macho“oder „Oben ohne“bestreitet er als Zugaben solo. Höhepunkt ist sein anrührendstes Lied „Wannst a Herz host wia a Bergwerk“, das er mit modernen Sounds neu interpretiert. Die Fans liegen sich in den Armen, da ist die Welt in Ordnung.