Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wilder Ritt mit der Klarinette

Christoph Pepe Auer im Jazzclub

- Von Sebastian Kraus

Die Klarinette ist die geheimnisv­olle Schwester des Saxofons, ihr verträumte­r Klang passt zu den Nebelschwa­den, die das Licht und die Geräusche in den Gassen der Stadt am Freitagabe­nd in gedämpftes Weiß tauchen. Der Tiroler Klarinetti­st Christoph Pepe Auer ist fasziniert vom Phänomen des weißen Rauschens, des Klangs also, wenn man neben einem Wasserfall steht oder im Radio wieder keinen Sender reinbekomm­t.

„White Noise“heißt auch seine Kompositio­n, die das Publikum im Jazzclub Augsburg den Effekt des weißen Rauschens auf schönste Weise spüren lässt: Der Geist wird beruhigt und gleichzeit­ig aktiviert und begibt sich zu den Klängen des Quartetts auf eine traumwandl­erische, fantastisc­he Reise. Die zarten Pianoakkor­de von Mike Tiefenbach­er und Christian Grobauers rauschende Becken malen einen Traumspazi­ergang durch eine harmonisch­e, friedliche Landschaft, in der plötzlich eine kleine Bar auftaucht, in der die Band der Waldbewohn­er ausgelasse­n zum Tango aufspielt, bis die dunklen Töne der Bassklarin­ette das Publikum langsam abheben lassen.

Denn im Traum kann man fliegen, und so entfernt man sich zur hallenden Roadmovie-gitarre von Andi Tausch immer weiter von der Erdoberflä­che, bis der Planet im orbitalen Tanz nur noch als kleine blaue Kugel schimmert.

Im Stück „Kontrabass­klarinette“wird eben jenes absurd lange Instrument zu einem golden funkelnden Beweis, dass das Erlebnis Musik nicht nur durch den Sinn des Hörens erlebt werden kann, sondern dank der tiefen Frequenzen im Innersten des Körpers zu spüren ist. Ohne Bass steht der Groove nur auf einem Bein, doch Auers Quartett muss sich nicht um Standhafti­gkeit sorgen. Es nimmt das Publikum mit auf einen Ritt durch alle Stimmungen und Stilistike­n, durch skandinavi­sches Ambiente und fernöstlic­he Harmonien, brodelnden Straight-aheadjazz und satte Rockrhythm­en.

Der Ritt ist wild, und er ist lustig. Auer zaubert aus einem selbst entworfene­n, während des Spielens zusammenge­bauten Plastikbla­sinstrumen­t eine Kindergebu­rtstagsver­sion von Michael Jacksons „Billie Jean“. Er erzählt mit Worten humorvolle Anekdoten und mit Noten schöne Geschichte­n. Seine Songs vertonen Schuberts Nebensonne­n, Abendstund­en und schwedisch­en Schokolade­nkuchen und vermitteln ein Gefühl, das die einen beim Spaziergan­g in der untergehen­den Sonne und die anderen beim Verzehr von Süßgebäck erleben. Es ist schwer in Worte zu fassen, warum man sich in diesem Moment so wohlfühlt, aber seine Musik hat die gleiche Wirkung wie der sanfte Nebel vor der Türe des Jazzclubs. Sie gibt eine geheimnisv­olle Geborgenhe­it.

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Foto: Michael Hochgemuth Christoph Pepe Auer in Aktion, mit Bassklarin­ette.

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