Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wilder Ritt mit der Klarinette
Christoph Pepe Auer im Jazzclub
Die Klarinette ist die geheimnisvolle Schwester des Saxofons, ihr verträumter Klang passt zu den Nebelschwaden, die das Licht und die Geräusche in den Gassen der Stadt am Freitagabend in gedämpftes Weiß tauchen. Der Tiroler Klarinettist Christoph Pepe Auer ist fasziniert vom Phänomen des weißen Rauschens, des Klangs also, wenn man neben einem Wasserfall steht oder im Radio wieder keinen Sender reinbekommt.
„White Noise“heißt auch seine Komposition, die das Publikum im Jazzclub Augsburg den Effekt des weißen Rauschens auf schönste Weise spüren lässt: Der Geist wird beruhigt und gleichzeitig aktiviert und begibt sich zu den Klängen des Quartetts auf eine traumwandlerische, fantastische Reise. Die zarten Pianoakkorde von Mike Tiefenbacher und Christian Grobauers rauschende Becken malen einen Traumspaziergang durch eine harmonische, friedliche Landschaft, in der plötzlich eine kleine Bar auftaucht, in der die Band der Waldbewohner ausgelassen zum Tango aufspielt, bis die dunklen Töne der Bassklarinette das Publikum langsam abheben lassen.
Denn im Traum kann man fliegen, und so entfernt man sich zur hallenden Roadmovie-gitarre von Andi Tausch immer weiter von der Erdoberfläche, bis der Planet im orbitalen Tanz nur noch als kleine blaue Kugel schimmert.
Im Stück „Kontrabassklarinette“wird eben jenes absurd lange Instrument zu einem golden funkelnden Beweis, dass das Erlebnis Musik nicht nur durch den Sinn des Hörens erlebt werden kann, sondern dank der tiefen Frequenzen im Innersten des Körpers zu spüren ist. Ohne Bass steht der Groove nur auf einem Bein, doch Auers Quartett muss sich nicht um Standhaftigkeit sorgen. Es nimmt das Publikum mit auf einen Ritt durch alle Stimmungen und Stilistiken, durch skandinavisches Ambiente und fernöstliche Harmonien, brodelnden Straight-aheadjazz und satte Rockrhythmen.
Der Ritt ist wild, und er ist lustig. Auer zaubert aus einem selbst entworfenen, während des Spielens zusammengebauten Plastikblasinstrument eine Kindergeburtstagsversion von Michael Jacksons „Billie Jean“. Er erzählt mit Worten humorvolle Anekdoten und mit Noten schöne Geschichten. Seine Songs vertonen Schuberts Nebensonnen, Abendstunden und schwedischen Schokoladenkuchen und vermitteln ein Gefühl, das die einen beim Spaziergang in der untergehenden Sonne und die anderen beim Verzehr von Süßgebäck erleben. Es ist schwer in Worte zu fassen, warum man sich in diesem Moment so wohlfühlt, aber seine Musik hat die gleiche Wirkung wie der sanfte Nebel vor der Türe des Jazzclubs. Sie gibt eine geheimnisvolle Geborgenheit.