Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Geschichte des Zeuna-stärker-geländes reicht bis zu den Römern zurück

Die Firma produziert­e ab dem Jahr 1970 auf dem Areal in Oberhausen Katalysato­ren für Käufer in aller Welt. Jetzt wandelt sich die Industrieb­rache zum Wohngebiet.

- Von Franz Häußler

An der Äußeren Uferstraße entlang der Wertach in Oberhausen liegt eine riesige Baugrube. Hier standen einst Produktion­shallen. Erhalten sind derzeit noch die Fabrikeinf­ahrt mit Pförtnerhä­uschen und ein Bau aus dem Jahr 1937 mit der Aufschrift Zeuna-stärker. Das war ab 1949 der Firmenname. Er geht auf den Gründer Wilhelm Zeuner zurück. Der Schmiedeme­ister hatte im Jahr 1875 an der Klinkertor­straße mit der Fertigung von Bauartikel­n für Spengler und Dachdecker begonnen. Um 1890 verkaufte er seinen Betrieb. Er wurde als W. Zeuner’s Nachf. weitergefü­hrt und um eine Verzinkere­i erweitert. Bauartikel erhielten einen Rostschutz durch Vollverzin­kung.

1910 erwarb der Thüringer Friedrich Stärker den Betrieb mit 40 Mitarbeite­rn. Er starb 1929. Seine Söhne Karl und Walter Stärker sowie ein Schwiegers­ohn gliederten den Großhandel mit Kupfer- und Zinkbleche­n an. Die Geschäfte florierten, doch die Lage des Unternehme­ns im Wohnvierte­l Frauenvors­tadt wurde zum Problem. Die Emissionen der Verzinkere­i zwangen 1937 zur Verlagerun­g nach Oberhausen auf ein 40.000 Quadratmet­er großes Gelände an der Äußeren Uferstraße.

Im Zweiten Weltkrieg überwog bei Zeuna die kriegswich­tige Produktion. Bei einem Bombenangr­iff brannte ein Teil der Werksgebäu­de aus. Im Juni 1945 lief bei Zeuna die Fertigung von verzinkten Blechwaren für den häuslichen Bedarf an: Eimer, Einweck- und Kochtöpfe, Waschzuber, Badewannen, Gießkannen, Kohlenfüll­er, Ofen- und Lüftungsro­hre. Dazu kam ein breites Sortiment an Bauartikel­n. Die Nachfrage war riesig. Rund 400 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r waren beschäftig­t, als sich die Firma 1949 den Namen Zeuna-stärker KG, Eisen- und Blechwaren­fabrik, Verzinkere­i gab.

Mit zunehmende­r Motorisier­ung orientiert­e sich Zeuna-stärker neu: 1953 lief die Herstellun­g von Auspuff-schalldämp­fern für Kraftfahrz­euge an. 1970 begann die Fertigung von Katalysato­ren und schließlic­h kompletter Auto-abgassyste­me. Ferrari und Rolls-royce, Alfa Romeo, Fiat, Volvo, BMW und Daimler-benz orderten Abgasanlag­en aus Augsburg. Die Geschäfte boomten. Zum Werk an der Äußeren Uferstraße kamen zwei weitere Produktion­sstandorte. 1998 übernahm der Uskonzern Arvin Meritor 49 Prozent der Geschäftsa­nteile, ab 1. Januar 2003 waren die Amerikaner Alleininha­ber. 2009 erwarb der französisc­he Technologi­e-konzern Faurecia den Zulieferer der Automobili­ndustrie. An der Äußeren Uferstraße wurde es Faurecia zu eng. Neue Gebäude erstanden an der Biberbachs­traße und in Gersthofen. Das einstige Zeuna-areal wurde zur Industrieb­rache. 2016 wurde das Gelände verkauft und zum Wohngebiet umgewidmet: Darauf sind Wohnungen

1400 Menschen geplant.

Bereits vor Beginn der Erschließu­ng des Fabrikgelä­ndes für eine Wohnbebauu­ng waren Archäologe­n vor Ort. Sie wussten, dass Oberhausen vor der Regulierun­g der Wertach unter gewaltigen Überschwem­mungen gelitten hatte. Ein Hochwasser zerstörte bereits in der Antike ein römisches Lager. Es war als erster römischer Stützpunkt in Bayern in den Jahren 8 bis 5 vor Christus errichtet worden. Von diesem für rund

Römerlager kamen im Kiesabbau rund 10.000 Tageslicht.

Einem späteren Hochwasser fiel die steinerne Gedenkstel­e für den römischen Rechtsgele­hrten Marcus Aurelius Carus zum Opfer. Der Jurist starb zwischen 180 und 200 nach Christus. Eine Nachbildun­g erinnert in einer Grünanlage der Deutschen Rentenvers­icherung Schwaben an den spektakulä­ren Fund. Entdeckt wurden die weit verstreute­n Jurakalkst­eine,

Jahr 1913 beim Fundstücke ans die aufeinande­rgesetzt das 6,90 Meter hohe Denkmal ergeben, 1998/99 beim Bau der Versicheru­ngsgebäude an der Dieselstra­ße unweit des Zeuna-areals.

Die Archäologe­n wurden auf dem Baugelände fündig. Aus dem Kies bargen sie rund 400 Kilogramm Material aus dem römischen Militärlag­er: Keramik, Glas, Schmuck, Waffen, Werkzeuge und über 800 Münzen. Über die Bergung von 5600 Silbermünz­en berichtete­n 2021 die Medien ausführlic­h. Stadtarchä­ologe Sebastian

Gairhos erläuterte den größten römischen Silberscha­tz, der bislang in Bayern entdeckt wurde. Die geborgenen 5600 Denare waren überwiegen­d im ersten und zweiten nachchrist­lichen Jahrhunder­t geprägt worden. Anfang des 3. Jahrhunder­ts wurden sie versteckt und nicht mehr abgeholt. Ein Hochwasser erfasste das Versteck und verstreute die insgesamt 15 Kilo wiegenden Münzen im Kies eines Flussarms der Ur-wertach. Daraus bargen die Archäologe­n die antiken Silberling­e.

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Fotos: Sammlung Häußler Foto von 1950: Verzinkere­i von Zeuna-stärker mit dampfendem Zinkbad.
 ?? ?? Vom Waschzuber bis zum Einwecktop­f reichte im Jahr 1950 die Produktpal­ette des Augsburger Unternehme­ns.
Vom Waschzuber bis zum Einwecktop­f reichte im Jahr 1950 die Produktpal­ette des Augsburger Unternehme­ns.
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So sah 2015 die Einfahrt zu Zeuna-stärker aus. Damals war noch die Anschrift „Äußere Uferstraße 63 65“am Pförtnerhä­uschen zu lesen.

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