Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Hat dieses Laufhaus Steuern in sechsstell­iger Höhe hinterzoge­n?

Die Staatsanwa­ltschaft wirft einem Rotlicht-betrieb in Augsburg vor, Einnahmen von Prostituie­rten nicht versteuert zu haben. Die Frage ist, ob er das überhaupt hätte tun müssen.

- Von Jan Kandzora

Die Internetse­ite des „Laufhaus 29“ist karg. Es sind Fotos von dem Haus zu sehen, das Männer besuchen, um dort Sex mit Prostituie­rten zu haben, sehr viel mehr Informatio­nen gibt es auf der Seite nicht. Dass es sich um ein Gebäude des Rotlichtmi­lieus in Augsburg handelt, steht auf der Homepage nicht explizit, ist aber dennoch auf den ersten Blick erkennbar: Es ist eine Telefonnum­mer für „Zimmerrese­rvierungen“genannt, eine Fassadense­ite des Baus zeigt die aufgemalte Silhouette einer Frau, die von mehreren Lampen in Rot beleuchtet wird. Derzeit ist der Betrieb aufgrund möglicher Steuerdeli­kte im Fokus der Augsburger Justiz – die sich mit dem Fall aber offenbar nicht ganz leichttut.

Hintergrun­d des Verfahrens ist nach Informatio­nen unserer Redaktion die Frage, ob es sich beim „Laufhaus 29“um ein Bordell handelt, das auch die Einnahmen der Prostituie­rten versteuern müsste. Dies nämlich hat der Betrieb nicht getan, hätte es aber nach Ansicht von Steuerfahn­dung und Staatsanwa­ltschaft tun müssen. Es ist ein Sachverhal­t, der in der Vergangenh­eit bereits Betreiber ähnlicher Etablissem­ents auf die Anklageban­k brachte und auch dieses Mal bringen könnte. Die Staatsanwa­ltschaft hat jedenfalls Anklage gegen drei Verdächtig­e erhoben, wie das Amtsgerich­t bestätigt, es handelt sich bei ihnen um die Geschäftsf­ührer oder Gesellscha­fter der Firma hinter dem Betrieb. Die Ermittlung­en ergaben, dass das Laufhaus rund 414.000 Euro zu wenig Umsatzsteu­er abgeführt habe; sollten die Vorwürfe zutreffen, dürfte es für die Betriebsge­sellschaft und ihre Verantwort­lichen teuer werden.

Doch die Frage, um was es sich beim Laufhaus steuerrech­tlich und strukturel­l genau handelt, ist möglicherw­eise schwerer zu beantworte­n, als man als unbedarfte­r Beobachter denken könnte. Unbestritt­en ist, dass im „Laufhaus“Zimmer an Prostituie­rte vermietet und damit Umsätze generiert werden, die steuerpfli­chtig sind. Doch wirkte die Firma hinter dem Betrieb nur als Zimmerverm­ittlerin – oder ging ihre Tätigkeit darüber hinaus? In einem Bordell etwa gibt es, im Unterschie­d zu dieser Form der Zimmerverm­ietung im Rotlichtmi­lieu, in der Regel einheitlic­he Preise und Regeln, dazu oft auch ein gastronomi­sches Angebot.

Die Staatsanwa­ltschaft sieht offenbar Hinweise darauf, dass das

„Laufhaus 29“zumindest bordellart­ig und damit auch für Umsatzsteu­erschuld der Prostituie­rten zuständig sein könnte. In früheren und vergleichb­aren Verfahren etwa sah das Finanzamt bereits eine Internetse­ite als gemeinsame Werbeplatt­form für das Haus, auf der mit Bildern der Prostituie­rten geworben wurde, als Indiz dafür an. Das ist im Falle von „Laufhaus 29“heute nicht mehr der Fall, war es aber in der Vergangenh­eit, wie eine Suche mit Onlinearch­iven im Internet zeigt. „Auf dieser Seite erhältst Du einen Überblick über unsere Mädchen“, hieß es etwa im

März 2018 auf der Homepage. Nur: Reichen die Hinweise aus, um zu belegen, dass der Betrieb ein Bordell ist? Angeklagt hat die Staatsanwa­ltschaft die drei Verdächtig­en bereits im Juni 2021, also fast vor eineinhalb Jahren. Das Amtsgerich­t hat bis heute noch nicht einmal darüber entschiede­n, ob es die Anklage zulässt, es also überhaupt zu einem Prozess kommt. Zwar kann es bei umfangreic­hen Wirtschaft­sstrafsach­en schon mal passieren, dass über die Zulassung einer Anklage nicht innerhalb weniger Monate entschiede­n wird, eineinhalb Jahre sind allerdings eine ungewöhnli­che lange Zeit, die darauf hindeutet, dass die Angelegenh­eit komplex ist.

Für Anwalt Richard Beyer, der einen der Verdächtig­en vertritt, ist sie das indes nicht. Im Gegenteil: Er geht schlicht davon aus, dass die Vorwürfe haltlos sind. „Ich finde das Verfahren befremdlic­h“, sagt er auf Anfrage. Man „müsse die Frage nach der steuerlich­en Kompetenz des Finanzamte­s und der Staatsanwa­ltschaft stellen“. Das Laufhaus sei kein Bordell. Eine ganz einfache Angelegenh­eit also? Das dürfte sich in einem Prozess zeigen – sofern es einen gibt.

 ?? Foto: Anne Wall (Archivbild) ?? Das „Laufhaus 29“in Augsburg-lechhausen steht im Fokus der Staatsanwa­ltschaft, die Anklage gegen drei Verantwort­liche erhoben hat. Es geht um mögliche Steuerverg­ehen.
Foto: Anne Wall (Archivbild) Das „Laufhaus 29“in Augsburg-lechhausen steht im Fokus der Staatsanwa­ltschaft, die Anklage gegen drei Verantwort­liche erhoben hat. Es geht um mögliche Steuerverg­ehen.

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