Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Hat dieses Laufhaus Steuern in sechsstelliger Höhe hinterzogen?
Die Staatsanwaltschaft wirft einem Rotlicht-betrieb in Augsburg vor, Einnahmen von Prostituierten nicht versteuert zu haben. Die Frage ist, ob er das überhaupt hätte tun müssen.
Die Internetseite des „Laufhaus 29“ist karg. Es sind Fotos von dem Haus zu sehen, das Männer besuchen, um dort Sex mit Prostituierten zu haben, sehr viel mehr Informationen gibt es auf der Seite nicht. Dass es sich um ein Gebäude des Rotlichtmilieus in Augsburg handelt, steht auf der Homepage nicht explizit, ist aber dennoch auf den ersten Blick erkennbar: Es ist eine Telefonnummer für „Zimmerreservierungen“genannt, eine Fassadenseite des Baus zeigt die aufgemalte Silhouette einer Frau, die von mehreren Lampen in Rot beleuchtet wird. Derzeit ist der Betrieb aufgrund möglicher Steuerdelikte im Fokus der Augsburger Justiz – die sich mit dem Fall aber offenbar nicht ganz leichttut.
Hintergrund des Verfahrens ist nach Informationen unserer Redaktion die Frage, ob es sich beim „Laufhaus 29“um ein Bordell handelt, das auch die Einnahmen der Prostituierten versteuern müsste. Dies nämlich hat der Betrieb nicht getan, hätte es aber nach Ansicht von Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft tun müssen. Es ist ein Sachverhalt, der in der Vergangenheit bereits Betreiber ähnlicher Etablissements auf die Anklagebank brachte und auch dieses Mal bringen könnte. Die Staatsanwaltschaft hat jedenfalls Anklage gegen drei Verdächtige erhoben, wie das Amtsgericht bestätigt, es handelt sich bei ihnen um die Geschäftsführer oder Gesellschafter der Firma hinter dem Betrieb. Die Ermittlungen ergaben, dass das Laufhaus rund 414.000 Euro zu wenig Umsatzsteuer abgeführt habe; sollten die Vorwürfe zutreffen, dürfte es für die Betriebsgesellschaft und ihre Verantwortlichen teuer werden.
Doch die Frage, um was es sich beim Laufhaus steuerrechtlich und strukturell genau handelt, ist möglicherweise schwerer zu beantworten, als man als unbedarfter Beobachter denken könnte. Unbestritten ist, dass im „Laufhaus“Zimmer an Prostituierte vermietet und damit Umsätze generiert werden, die steuerpflichtig sind. Doch wirkte die Firma hinter dem Betrieb nur als Zimmervermittlerin – oder ging ihre Tätigkeit darüber hinaus? In einem Bordell etwa gibt es, im Unterschied zu dieser Form der Zimmervermietung im Rotlichtmilieu, in der Regel einheitliche Preise und Regeln, dazu oft auch ein gastronomisches Angebot.
Die Staatsanwaltschaft sieht offenbar Hinweise darauf, dass das
„Laufhaus 29“zumindest bordellartig und damit auch für Umsatzsteuerschuld der Prostituierten zuständig sein könnte. In früheren und vergleichbaren Verfahren etwa sah das Finanzamt bereits eine Internetseite als gemeinsame Werbeplattform für das Haus, auf der mit Bildern der Prostituierten geworben wurde, als Indiz dafür an. Das ist im Falle von „Laufhaus 29“heute nicht mehr der Fall, war es aber in der Vergangenheit, wie eine Suche mit Onlinearchiven im Internet zeigt. „Auf dieser Seite erhältst Du einen Überblick über unsere Mädchen“, hieß es etwa im
März 2018 auf der Homepage. Nur: Reichen die Hinweise aus, um zu belegen, dass der Betrieb ein Bordell ist? Angeklagt hat die Staatsanwaltschaft die drei Verdächtigen bereits im Juni 2021, also fast vor eineinhalb Jahren. Das Amtsgericht hat bis heute noch nicht einmal darüber entschieden, ob es die Anklage zulässt, es also überhaupt zu einem Prozess kommt. Zwar kann es bei umfangreichen Wirtschaftsstrafsachen schon mal passieren, dass über die Zulassung einer Anklage nicht innerhalb weniger Monate entschieden wird, eineinhalb Jahre sind allerdings eine ungewöhnliche lange Zeit, die darauf hindeutet, dass die Angelegenheit komplex ist.
Für Anwalt Richard Beyer, der einen der Verdächtigen vertritt, ist sie das indes nicht. Im Gegenteil: Er geht schlicht davon aus, dass die Vorwürfe haltlos sind. „Ich finde das Verfahren befremdlich“, sagt er auf Anfrage. Man „müsse die Frage nach der steuerlichen Kompetenz des Finanzamtes und der Staatsanwaltschaft stellen“. Das Laufhaus sei kein Bordell. Eine ganz einfache Angelegenheit also? Das dürfte sich in einem Prozess zeigen – sofern es einen gibt.