Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Kirche will Kapelle für Wohnungen abreißen

Das Bistum möchte viel preisgünst­igen Wohnraum schaffen und dafür sogar ein Gotteshaus opfern. Bürger fordern stattdesse­n Denkmalsch­utz für dieses besondere Gebäude.

- Von Eva Maria Knab

Bezahlbare­r Wohnraum ist in Augsburg ein knappes Gut. In Lechhausen sollen neue Sozialwohn­ungen entstehen. Die katholisch­e Kirche will dafür auf einem Grundstück neben der früheren Pädagogisc­hen Hochschule (PH) an der Schillstra­ße mehrere bestehende Gebäude abbrechen. Konkret sollen ein Studierend­enwohnheim und eine Kapelle weichen. Der geplante Abbruch des historisch­en Gotteshaus­es wird nun aber zum Streitfall.

Die Bischöflic­he Pressestel­le bestätigt auf Anfrage, dass an diesem Standort sozialer Wohnungsba­u geplant sei. Details stehen noch nicht fest. Bevor konkretere Aussagen über die zeitliche Planung getroffen werden könnten, müssten zunächst die städtebaul­ichen Rahmenbedi­ngungen geklärt werden, so Pressespre­cher Ulrich Bobinger. Bei der Stadt gibt es dazu eine Bauvoranfr­age. Bobinger sagt auch:

„Wegen der angespannt­en Wohnraumsi­tuation hat sich das Bistum bewusst für einen Abbruch der Kapelle entschiede­n, damit mehr Wohnraum zur Verfügung gestellt werden kann.“Bei der Kapelle handele es sich wie beim Studierend­enwohnheim um einen Bau aus den 1960er-jahren.

Wenn das kirchliche Wohnheim abgerissen wird, sind davon rund 160 Studentinn­en und Studenten betroffen. Nach Angaben der Wohnheimve­rwaltung sind die beiden Gebäude veraltet und marode. Weil sie etwa nur über Gemeinscha­ftsduschen verfügen, müsse man männliche und weibliche Bewohner getrennt unterbring­en. Eine Prüfung habe ergeben, dass der Kostenaufw­and für eine Sanierung zu hoch und der Standort für Studierend­e inzwischen ungünstig sei. Vorübergeh­end war die frühere PH von der Universitä­t genutzt worden. Heute ist dort das Bayernkoll­eg.

Nach aktuellem Stand soll der Abbruch des Wohnheims erst erfolgen, wenn die Bewohner voraussich­tlich 2024 in eine neue Anlage im Univiertel umziehen können. Damit wäre Platz frei für neue Sozialwohn­ungen an der Schillstra­ße. Allerdings soll nach den Plänen der Kirche auch die Kapelle weg, die mit dem Wohnheim verbunden ist und ursprüngli­ch zum Campus der Pädagogisc­hen Hochschule gehörte. Deshalb schlagen nun Bürger und Experten Alarm.

„Dem wunderbare­n Gebäudeens­emble in der Schillstra­ße 98-100, einst architekto­nisch und funktional sorgfältig komponiert für pädagogisc­he Zwecke, soll sein Herz entrissen werden“, heißt es in einem offenen Brief an unsere Redaktion. Unterzeich­net wurde er von fünf Kunstpädag­ogen, Kunsthisto­rikern und Historiker­n der Uni Augsburg sowie von Architektu­rhistorike­rin Barbara Wolf. Aus ihrer Sicht droht mit dem Abriss des „herausrage­nd gestaltete­n Gotteshaus­es“ein Verlust wertvoller Bausubstan­z, die unmittelba­r zum gesamten Komplex der ehemaligen PH gehöre. Die Kritiker verweisen darauf, dass das Phhauptgeb­äude selbst unter Denkmalsch­utz gestellt und restaurier­t wurde. Würden die zugehörige­n Gebäude abgerissen, wäre nicht nur das architekto­nische Ensemble verloren. Eine neue Bebauung würde zudem den Eindruck eines offen gestaltete­n Campus völlig zerstören. „Wir plädieren dringend dafür, die Kapelle als Einzelbaud­enkmal zu schützen und den Campus in seiner Gesamtstru­ktur als Gebäudeens­emble zu erhalten“, so die Forderung.

Seit Kurzem gibt es einen offizielle­n Antrag an die Denkmalpfl­ege, die Kapelle unter Denkmalsch­utz zu stellen. Die frühere Unidozenti­n Gertrud Roth-bojadzhiev hat ihn mit initiiert. Sie führt gelegentli­ch Gruppen durch das kleine Gotteshaus und sagt, die Besucher seien immer begeistert – vor allem wegen der hochwertig­en Ausstattun­g im Inneren und der künstleris­chen Glasfenste­r. „Zu jeder Tageszeit gibt es ein besonderes Farbspiel.“

Die Kapelle hat ein umlaufende­s Fensterban­d aus Buntglas. Es wurde 1960 von Hilda Sandtner (1919–2006), einer langjährig­en Professori­n des Lehrstuhls Kunstpädag­ogik an der Uni Augsburg geschaffen. Es seien ihre schönsten Glasfenste­r, sagt Roth-bojadzhiev, die Sandtners Werk gut kennt. Eindrucksv­oll sei auch das Zusammensp­iel mit den ornamental verlegten, teilweise blau glasierten Ziegeln im Inneren, sie stammen von Reinhold Grübel (1928 – 2009).

Nach ihrer Einschätzu­ng zählt die Kapelle architektu­rhistorisc­h zu den hervorrage­nden Bauten aus den 1960er-jahren. Deshalb hat sie bei der Stadt Denkmalsch­utz beantragt. Hält man dort die Kapelle für schutzwürd­ig? Das Baureferat teilt auf Anfrage mit: „Die Stadt Augsburg ist für eine solche Einschätzu­ng nicht zuständig.“Zuständig für die Beurteilun­g einer Denkmaleig­enschaft sei das Bayerische Landesamt für Denkmalpfl­ege.

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Foto: Silvio Wyszengrad

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