Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Kommt das Bürgergeld mit Verspätung?
Keine Mehrheit im Bundesrat. Union verlangt spürbare Nachbesserungen.
Berlin Der Bundesrat hat das Bürgergeld-vorhaben der Ampel-regierung vorerst gestoppt. Nun muss sich der Vermittlungsausschuss um einen Kompromiss bemühen. Dabei drängt die Zeit. Gelingt bis zur Sitzung des Bundesrates am 25. November keine Einigung, kann das Gesetz, das Hartziv ersetzen soll, nicht wie geplant Anfang Januar in Kraft treten.
Doch die Union macht klar, dass sie das Gesetz nur nach weitreichenden Änderungen billigen wird. Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der gemeinsamen Bundestagsfraktion von CDU und CSU, sagte unserer Redaktion:
„Wer das Prinzip ‚Fördern und Fordern‘ aufgeben will, kann von uns keine Zustimmung erwarten.“Den Weg zu einem „bedingungslosen Grundeinkommen“werde die Union nicht mitgehen. Der Cdu-politiker weiter: „Es darf kein Zweifel daran gelassen werden, dass Sanktionen von Anfang an verhängt werden können.“
Wie aber könnte eine Einigung zwischen Bund und Ländern aussehen? Die FDP zeigte sich gegenüber CDU und CSU offen für eine Einigung. Deren Kritik etwa an der Höhe der Schonvermögen nehme man ernst, betonte der liberale Sozialpolitiker Jens Teutrine. „Ein sachgerechter Kompromiss wird an uns nicht scheitern. Zu begrüßen wäre es, wenn wir bei den Hinzuverdienstregelungen noch mehr verbessern würden, um den Arbeitsanreiz zu erhöhen“, sagte er. Der Fdp-politiker warnte aber auch vor „parteitaktischen Manövern in Form von Totalblockaden oder Verzögerungstaktiken“.
Am Montag war die Länderkammer zu einer Sondersitzung zusammengekommen, um über die vom Bundestag beschlossene Einführung des Bürgergelds zu entscheiden. Mit ihm wollen Sozialdemokraten, Grüne und FDP die Versorgung von Langzeitarbeitslosen neu regeln. Vorgesehen sind höhere Regelsätze, größere Schonvermögen, die zunächst nicht aufgezehrt werden müssen, sowie eine bessere Förderung von Aus- und Weiterbildung. Sanktionen, die bisher etwa verhängt werden können, wenn Termine beim Jobcenter nicht eingehalten werden, sollen dagegen weitgehend abgebaut werden. CDU und CSU kritisieren dies als Abkehr von einem bewährten Prinzip, das auch auf Konsequenz setzt. Aus ihrer Sicht nimmt das Gesetz in seiner geplanten Form Arbeitslosen die Motivation, wieder einen Job anzunehmen. Wie zuvor bereits angekündigt, verweigerten die Länder, die von der Union regiert oder mitregiert werden, dem Vorhaben im Bundesrat ihre Zustimmung.
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte postwendend an, nun den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat einzuschalten. Das Gremium kann laut Satzung frühestens am kommenden Samstag zusammenkommen. „Meine Hand zur Lösung ist ausgestreckt“, sagte Heil. Er halte „Kompromiss für kein Schimpfwort“. Beide Seiten müssten sich nun bewegen, forderte Heil, „bei gutem Willen gelingt das auch“.
Nach den Plänen der Ampel soll das Bürgergeld ab dem kommenden Jahr das umstrittene Arbeitslosengeld II, im Volksmund Hartziv genannt, ablösen. Langzeitarbeitslose würden den Plänen zufolge höhere Regelsätze erhalten, Alleinstehende etwa statt 449 Euro dann 502 Euro im Monat. In diesem Punkt hat die Union keine Einwände. Doch ihr Angebot, die Erhöhung aus dem Entwurf auszukoppeln und zum 1. Januar 2023 separat in Kraft treten zu lassen, haben die Ampel-fraktionen abgelehnt.
„Meine Hand ist ausgestreckt.“
Arbeitsminister Hubertus Heil, SPD