Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Flucht in die Musik

Porträt Kim Petras kam als Junge zur Welt und ist heute eine erfolgreic­he Sängerin. Nun hat die 30-jährige Deutsche es auf Platz eins der amerikanis­chen Charts geschafft.

- Quirin Hönig

Kim Petras war schon bekannt, bevor sie ihren ersten Song veröffentl­ichte. Bekannt, weil Menschen wie sie schon immer um Akzeptanz, Sicherheit und Unterstütz­ung kämpfen mussten und es noch immer müssen. Petras ist trans, mit 16 Jahren erhielt sie als jüngste Person weltweit eine geschlecht­sangleiche­nde Operation. Mit 30 ist sie jetzt die erste Trans-künstlerin, die es auf Platz eins der Us-charts schaffte.

Geboren 1992 in Köln mit einem anderen Namen in der Geburtsurk­unde, wuchs Petras in der Nähe von Bonn auf. Ihre Eltern bemerkten rasch, dass ihr Kind „anders“war. Ihr vermeintli­cher Sohn begann mit zwei Jahren Mädchenkle­idung zu tragen. Mit fünf Jahren sagte er, dass er ein Mädchen sei.

In ihrer Schulzeit litt Petras unter Mobbing und Selbstmord­gedanken. Dinge, mit denen viele Trans-personen auch heute noch konfrontie­rt sind. Die Musik war für sie eine Fluchtmögl­ichkeit aus der harschen Realität. „So konnte ich vergessen, dass mich in der Schule fast alle hassten und dass ich im falschen Körper steckte“, sagte Petras in einem Zeit-interview. „Wenn ich Songs schrieb, war es, als würde das alles nicht existieren.“Ihr erster selbst geschriebe­ner Song handelte von einem Jungen, den sie mochte, der diese Gefühle aber nicht erwiderte. Mit zwölf Jahren begann Petras ihre Hormonther­apie. Davon erzählte sie bei ihrem ersten Fernsehauf­tritt bei Stern TV 2006. Mit 14 Jahren bat sie in der Reportage „Mann oder Frau?“auf dem Sender Vox um eine vorgezogen­e geschlecht­sangleiche­nde Operation, denn in Deutschlan­d dürfen, damals wie heute, solche Eingriffe nur an Volljährig­en durchgefüh­rt werden. Durch ihre Bitte wurde sie auch internatio­nal bekannt.

Nach ersten musikalisc­hen Erfolgen in Deutschlan­d zog Petras in die USA. Dort musste sie sich ohne Geld und Kontakte in der Musikszene Hollywoods durchschla­gen. Weil die Plattenfir­men der Meinung waren, sie würde als Transgende­r-sängerin immer nur eine „Nische“bedienen, und sie nicht unter Vertrag nehmen wollten, gründete Petras 2019 ihr eigenes Musiklabel. Ein Jahr später gelang ihr mit dem Song „I Don’t Want It At All“der Durchbruch. Auf den Charts-spitzenrei­ter „Unholy“zusammen mit Sam Smith folgte bereits die Single „If Jesus Was A Rockstar“, das erste Lied ihres geplanten dritten Albums.

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Foto: dpa

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