Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Übergewinn­steuer wird zur Hängeparti­e

Die Ampel-koalition will die Gewinne der Profiteure des Ukraine-krieges steuerlich abschöpfen. Das Geld wiederum soll die Strompreis­bremse finanziere­n. Doch beides verzögert sich.

- Von Stefan Lange

Berlin Wenige Wochen nach dem Einmarsch der Russen in die Ukraine setzte in Deutschlan­d die Debatte über Kriegsgewi­nne und deren Vereinnahm­ung durch den Staat ein. „Vom Krieg zu profitiere­n, das gehört sich eigentlich nicht“, warb Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) für eine Übergewinn­steuer.

Das Geld soll die Strompreis­bremse finanziere­n, doch bei der Umsetzung des Vorhabens ist die Ampel-regierung offenbar an ihre Grenzen gestoßen. Die zunächst für Freitag geplante Kabinettsb­efassung fällt aus, damit dürfte die Übergewinn­steuer in diesem Jahr nicht mehr kommen. Das wiederum hat massive Auswirkung­en auf die Erzeuger von Strom aus erneuerbar­en Energien. Wer gerade eine Investitio­n plant, hält sich angesichts der ganzen Unsicherhe­iten lieber zurück.

Nachdem es übers Wochenende­nde zunächst noch Gerüchte gab, Biogas sei von der Gewinnabsc­höpfung ausgenomme­n, trat Vizeregier­ungssprech­erin Christiane Hoffmann am Montag auf die Euphorie-bremse. Angesichts der Komplexitä­t des Gesetzgebu­ngsverfahr­ens und auch des Abstimmung­sbedarfs mit der EU werde es „voraussich­tlich in dieser Woche nicht mehr zu einer Kabinettsb­efassung kommen können“. Das Kapitel Strom- und Gaspreisbr­emse solle aber „spätestens bis zum 28. November“im Kabinett abgeschlos­sen sein, sagte Hoffmann.

Nach diesem Datum gibt es noch zwei reguläre Sitzungen des Bundestage­s sowie eine Bundesrats­sitzung. Die Zeit drängt, die Unionsfrak­tion signalisie­rte, dass sie ein beschleuni­gtes Verfahren grundsätzl­ich unterstütz­en wird. Es müsse aber eine Debatte im Parlament gewährleis­tet sein, sagte der Energieexp­erte und Cdu-vizevorsit­zende Andreas Jung unserer Redaktion. Derzeit sei aber offenbar geplant, die erste Beratung im Bundestag ohne Aussprache zu machen. „Das geht nicht bei einem so wichtigen Gesetz, an dem viel dranhängt und bei dem ein Kollateral­schaden für die Energiewen­de droht.“

Die Ampel plant, für Übergewinn­e eine Kappungsgr­enze einzuführe­n. Sie liegt bei der durchschni­ttlichen Eeg-vergütung von aktuell 20 Cent pro Kilowattst­unde, die der Betreiber für seinen Biomassest­rom bekommen würde, plus einem „Sicherheit­spuffer“von drei Cent. Alles darüber ginge zu 90 Prozent an den Staat. Würde der Betreiber für seine Bioenergie am Markt 33 Cent pro Kilowattst­unde bekommen, blieben davon am Ende also nur 24 Cent übrig. Anlagen unter einem Megawatt sollen ausgenomme­n sein, wie es im aktuellen Beschlusse­ntwurf heißt. Strompreis­erlöse aus Steinkohle oder Kernkraft hingegen können von den Betreibern in voller Höhe einkassier­t werden.

Für Jung hat die Planung zwei gravierend­e Fehler. Die Bioenergie müsse aus der Gewinnabsc­höpfung komplett herausgeno­mmen werden, sonst entstehe durch die Hintertür ein neuer Deckel, kritisiert­e der Konstanzer. „Die Steinkohle aus der Regelung rauszunehm­en, klimafreun­dliche Bioenergie aber abzuschöpf­en, das passt nicht zusammen – weder beim Klimaschut­z noch bei der Energiesic­herheit. Alle Kapazitäte­n müssen genutzt werden, da darf nachhaltig­e Energieerz­eugung nicht ausgebrems­t werden.“

Die Union wehrt sich zudem gegen die geplante Rückwirkun­g der Gewinnabsc­höpfung. „Rückwirkun­g ist Abwürgung“, sagte Jung.

Wenn die Ampel so vorgehe, beschädige sie Vertrauen. „Investitio­nen in Erneuerbar­e werden zurückgest­ellt und der Erfolg der Energiewen­de gefährdet“, sagte Jung. Zudem habe es zunächst geheißen, die Rückwirkun­g gelte ab März. Dann ab September, jetzt ab November. Der Eu-vorschlag sehe Dezember vor. Das sei jetzt offenbar alles nicht mehr erreichbar. „Statt scheibchen­weisem Einrollen brauchen wir jetzt eine klare Botschaft der Regierung: Mit der Rückwirkun­g wird Schluss gemacht“, forderte Jung und ergänzte: „Es muss jetzt ein geordnetes Verfahren geben.“

Jedoch gibt es offenbar noch nicht einmal eine einheitlic­he Bezeichnun­g. Dem Vernehmen nach denkt die Ampel darüber nach, wie die EU in Zukunft von einem „Solidaritä­tsbetrag“zu sprechen. „Übergewinn­steuer“klingt dann doch zu negativ für eine Regierung, die eigentlich ohne neue Abgaben auskommen wollte.

Die Koalition plant eine Kappungsgr­enze

 ?? Foto: Bodo Schackow, dpa ?? Blick auf die Biogasanla­ge einer Agrargenos­senschaft. Ob und wann die Erzeugung von Biogas von der Übergewinn­steuer ausgenomme­n wird, ist unklar.
Foto: Bodo Schackow, dpa Blick auf die Biogasanla­ge einer Agrargenos­senschaft. Ob und wann die Erzeugung von Biogas von der Übergewinn­steuer ausgenomme­n wird, ist unklar.

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