Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Deutsch-römische Beziehungskrise
Zwischen dem Vatikan und den nach Reformen strebenden deutschen Bischöfen wächst das gegenseitige Unverständnis. Bischof Bätzing will nun in Rom den Papst vom Synodalen Weg überzeugen. Warum die Chancen dafür gering sind.
Rom Für die deutschen Bischöfe ist der Besuch im Vatikan ein absoluter Höhepunkt, verbunden mit der Hoffnung, endlich in ihren Anliegen verstanden zu werden. „Ich nehme sehr hohe Erwartungen an den Besuch und ein bislang so nie da gewesenes öffentliches Interesse daran wahr“, sagte der Limburger Bischof Georg Bätzing vor seiner Abfahrt nach Rom. Es gebe „klar erkennbaren Gesprächsbedarf, gerade über das, was wir als Weg der Umkehr und Erneuerung für die Kirche in unserem Land“unternehmen. „Ich weiß natürlich auch, dass es viel Unverständnis zu unserem Weg in Rom gibt“, fügte der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz hinzu. Und das ist die eigentliche Frage, die den Besuch begleitet: Wie konnte es zu diesem Missverständnis kommen?
Papst Franziskus wählte nach Amtsantritt die Synode – die Versammlung der Bischöfe – als Instrument für seine langsame Veränderung. Es gibt über 100 katholische Bischofskonferenzen in der Welt. Alle kommen im Fünf-jahresabstand zu Routine-gesprächen nach Rom. Die Deutschen, die den Papst in seinem Reformeifer etwas zu wörtlich genommen haben, sind nur ein Mosaikstein unter vielen. Aber einer, der wegen der Reformversuche, etwa bei der Abschaffung des Pflichtzölibats, der Gleichberechtigung von Frauen oder Laien, derzeit besonders herausragt. Die Bischöfe sollten „alles sagen“, wozu sie sich „im Herrn zu sprechen gedrängt“fühlen, hatte Franziskus zu Beginn der Familiensynode 2014 gefordert, „ohne menschliche Rücksichten, ohne Furcht“. Das alleine war bereits eine kleine Revolution.
Zusammen mit dem Versprechen den Bischofskonferenzen eine „gewisse authentische Lehrautorität“zuzugestehen, sowie die „heilsame Dezentralisierung“voranzutreiben, war das der Startschuss für die deutschen Katholiken, die durch den Missbrauchsskandal unglaubwürdig gewordene Kirche umzukrempeln. Nicht hören wollten sie den anderen Teil der päpstlichen Botschaft, dass sie nicht nur die eigene Perspektive im Blick, sondern auch den Rest der katholischen Welt (mit ganz anderen Schwerpunkten) ernst nehmen sollten – und den Papst. Ein von Rom legitimierter deutscher Sonderweg war also damals schon undenkbar.
Die deutschen Bischöfe reisten deshalb mutmaßlich mit einem Missverständnis an. Schon im Vorfeld ließ Rom über informelle Kanälen wissen, dass etwa deutsche Beschlüsse, denen zufolge Laien stärker an der Bischofswahl oder an kirchlichen Entscheidungen beteiligt werden, keine Option sind.
Die Bischöfe, die während ihres einwöchigen Aufenthalts in Rom vier Messen in den päpstlichen Basiliken feiern und zahlreiche Gespräche führen, wollen gehört werden. Franziskus aber will, dass sie von ihrem hohen Reformross absteigen – und zuhören. Das hat er in seinem Brief von 2019 „an das pilgernde Volk in Deutschland“klargestellt.
Die Deutschen, und damit sind nicht zuletzt die reformbesessenen katholischen Laien gemeint, sollten nicht „nach unmittelbaren Ergebnissen mit voreiligen und medialen Folgen“suchen und die Probleme nicht „ausschließlich auf dem Wege der Reform von Strukturen, Organisationen und Verwaltung“ zu lösen versuchen. Man kann diese Mahnungen angesichts der Lage der Kirche in Deutschland für katastrophal halten, sie sind allerdings Fakt.
Auch in der Frage um die Zukunft des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki gibt es zwischen Rom und der Kirche in Deutschland immer mehr Unverständnis. In Köln ist man sich angesichts des gegen Woelki eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wegen eidesstattlicher Falschaussage sicher wie nie zuvor, dass der Kardinal weg muss. Eine Bistumsmitarbeiterin behauptet, Woelki habe von ihr bereits 2015 eine Liste von Missbrauchstätern im Bistum vorgelegt bekommen, darunter auch der ehemalige Sternsinger-chef. Woelki behauptete vor Gericht, erst im Juni davon erfahren zu haben.
Warum nimmt Franziskus das längst vorliegende Rücktrittsgesuch nicht einfach an, fragen die Deutschen. Im Vatikan ist der Papst aber inzwischen bekannt dafür, dass er sich störrisch stellt, wenn er Kampagnen wittert – egal ob beim Synodalen Weg oder im Fall Woelki.