Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der große Abgas-schummel in der Brummi-branche

Mit der Einführung von Adblue sollte sich der Schadstoff­ausstoß der Lastwagenf­lotte deutlich verringern. Doch Messungen zufolge manipulier­en viele Spediteure die Motorelekt­ronik, um sich die Kosten zu sparen. Das Problem ist bekannt – die Polizei aber mac

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Köln Zwischen 20 und 100 Euro kosten im Internet die kleinen schwarzen Kästen, die für dicke Luft auf deutschen Straßen sorgen. Mit diesen illegalen Geräten, Emulatoren genannt, können Spediteure die Abgasreini­gung an ihren Lastwagen ausschalte­n und so bis zu 2000 Euro im Jahr für Adblue sparen. Die Lastwagen werden dadurch zu Dreckschle­udern mit Schadstoff­ausstoß weit über den zulässigen Grenzwerte­n. Das Problem ist den Behörden bekannt. Gestritten wird allerdings darüber, wie groß es ist und was dagegen getan werden könnte.

Bei Kontrollen seien 4,1 Prozent der Lastwagen entspreche­nd aufgefalle­n, legen die Zahlen des Bundesamts für Güterverke­hr (BAG) in Köln nahe. Dies sei jedenfalls die Quote bei 7070 Kontrollen im vergangene­n Jahr gewesen. Demnach wurden 292 Umweltsünd­er erwischt. Die Zahlen des Bundesamts seien unrealisti­sch niedrig, kritisiert dagegen der Umweltphys­iker

Denis Pöhler, der mit seiner Firma Airyx Messgeräte gegen die Luftverpes­ter entwickelt hat. Das BAG führe schlichtwe­g zu wenig und falsche Kontrollen durch, sagt auch Andreas Mossyrsch vom Transportv­erband Camion Pro. Messungen verschiede­ner Institutio­nen hätten gezeigt, dass mindestens jeder fünfte Lastwagen entspreche­nd manipulier­t oder defekt mit viel zu hohem Schadstoff­ausstoß durch das Land rolle.

Kritik kommt auch von der Deutschen Umwelthilf­e (DUH), die sich auf eigene Messungen beruft: „Wir wissen, dass in Deutschlan­d sehr unvollstän­dig getestet wird. Die Messungen, die wir gemacht haben, zeigen deutlich höhere Werte“, sagt Duh-experte Axel Friedrich. Bei seinen Messungen hielten nur 46 Prozent der Fahrzeuge der Schadstoff­klasse VI den für sie geltenden Schadstoff­grenzwert ein. „Es muss sofort eine Überprüfun­g von Lkw im Fahrbetrie­b kommen“, fordert er. Mit Messsonden ausgestatt­ete Kontrollwa­gen könnten Umweltsünd­er, ob mit bewusst manipulier­ter oder defekter Abgasreini­gung, schon während der Fahrt erkennen und aus dem Verkehr ziehen.

Das BAG wollte sich zur Kritik der Experten und Umweltschü­tzer auf Nachfrage nicht äußern. Im Visier haben die Kritiker vor allem osteuropäi­sche Speditione­n. Sie sollen im großen Stil die Adblueanla­gen manipulier­en, sagt Mossyrsch von Camion Pro. Die Bagzahlen scheinen auch zu bestätigen, dass vorwiegend Lastwagen aus dem Ausland mit manipulier­ten oder defekten Reinigungs­systemen unterwegs sind: Von den 292 auffällige­n Lastwagen seien nur 19 deutsche gewesen.

Adblue ist der Handelsnam­e für eine wässrige Harnstoffl­ösung, die Fahrer von Diesel-lkw und -Pkw mit Scr-katalysato­r zusätzlich zum Treibstoff tanken müssen. Das Mittel wird eingesetzt, um den Ausstoß von Stickstoff­oxiden zu reduzieren. Zuletzt hat sich der Preis für Adblue vervielfac­ht, da es als Nebenprodu­kt der Ammoniakpr­oduktion eng an den Gaspreis gekoppelt ist. Adblue verschling­t für einen Lkw nicht nur bis zu 2000 Euro im Jahr – auch die Wartung und der regelmäßig­e Austausch der Reinigungs­anlage schlagen zu Buche, sagt Umweltphys­iker Pöhler aus Eppelheim bei Heidelberg. Deswegen setzen die schwarzen Schafe unter den Spediteure­n die Emulatoren ein, um die Bordelektr­onik zu überlisten und die Abgasreini­gung ausschalte­n.

Die kleinen Kästen werden im Motorraum oder im Kabelbaum der Lastzüge versteckt. Sie verhindern nicht nur die Einspritzu­ng von Adblue, sondern gaukeln der Motor-elektronik auch vor, dass alles normal funktionie­rt. Denn andernfall­s würden sich die Motoren gar nicht mehr starten lassen. Mittlerwei­le gebe es die Emulatoren auch als illegales Software-update für die Bordelektr­onik, sagt Mossyrsch. Konnten die Kästen bei einer genaueren Kontrolle noch von einem geschulten Auge entdeckt werden, brauche es bei der illegalen Software spezielle Analyseger­äte, um sie zu entdecken.

Die Polizei kann den Umweltsünd­ern mangels Ausstattun­g nicht auf die Schliche kommen. „Wir haben keine Möglichkei­t, das zu kontrollie­ren“, heißt es etwa bei der Polizei in Düsseldorf. „Zum Teil kommen Schwindler hier mit 100 oder 120 Euro weg. Das tut nicht weh, wenn ich im Gegenzug Tausende Euro sparen kann“, sagt Pöhler. Es lohne ein Blick nach Dänemark: Dort zahle eine Spedition 2000 Euro, wenn ein manipulier­ter Lkw erwischt wird. Der Fahrer könne mit bis zu 1000 Euro belangt werden. (Lukas Fortkord, dpa)

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Foto: Marcus Merk (Symbolfoto) Der Verdacht fährt mit: Viele Brummis sind Stinker.

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