Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wm-boykott in Augsburger Bars? „Wir können es uns nicht leisten“

In einer Woche beginnt die Fußball-wm in Katar. Ein städtische­s Public Viewing findet nicht statt. Zeigen Bars in Augsburg die WM – oder gibt es auch hier Boykott?

- Von Fabian Kluge

So richtig mag eine Woche vor dem Start keine Wm-stimmung aufkommen. In den Supermärkt­en reihen sich nur spärlich „Schland“-artikel an Schokoniko­läuse. Die Werbespots wollen einem keinen neuen Grill andrehen für die Deutschlan­d-spiele. Klar, ist ja auch Winter. Nie stand eine Fußball-wm heftiger in der Kritik als die in Katar. Das liegt einerseits am Gastgeberl­and und seinem Umgang mit Menschenre­chten. Das hat aber auch mit der Jahreszeit zu tun. Viele Fans stehen vor der Frage: Was machen mit dieser WM? Trotzdem schauen? Boykottier­en? Fragen, die auch Augsburger Bars und Kneipen für sich beantworte­n mussten. Hier erklären die Betreiber, warum sie die WM zeigen – und warum nicht.

Eine Kneipe, deren Konzept auf Fußballübe­rtragungen basiert, ist das 11er in der Dominikane­rgasse. Schon wirtschaft­lich sei es deshalb schwierig, das Turnier zu boykottier­en, sagt Chef und Fca-präsident Markus Krapf: „Wir können es uns nicht leisten, auf die Großverans­taltung zu verzichten.“Das sei aber auch der einzige Grund, warum das 11er die WM zeigt. Die Deutschlan­d- und die Abendspiel­e werden in der Kneipe zu sehen sein. „Wir sind auch nicht begeistert. Uns wäre es lieber, wenn sie nicht in Katar stattfinde­n würde“, sagt Krapf. Auch die Jahreszeit ärgert den Gastronome­n, denn normalerwe­ise überbrückt das 11er die Bundesliga­pause im Sommer mit den großen Turnieren. Trotzdem glaubt er nicht, dass viele Fans standhaft bleiben und die WM boykottier­en: „Die Situation ist durch die Menschenre­chte zwar eine andere, aber als im vergangene­n Jahr viele die EM wegen der Pandemie nicht schauen wollten, war am Ende jeden Tag der Laden voll.“

Dieser Meinung ist auch Stefan „Bob“Meitinger. Er habe vollsten Respekt vor Menschen, die das Turnier boykottier­en. Man müsse jedoch konsequent sein, fordert der Gastro-könig: „Dann darf ich auch keine Champions League schauen, keinen FC Bayern, und darf auch nicht mit Fluggesell­schaften wie Qatar Airways in den Urlaub fliegen.“In einigen seiner 17 Lokale, zum Beispiel in der Hammerschm­iede, werden deshalb die Spiele der deutschen Nationalma­nnschaft und ausgewählt­e Matches laufen. Ab dem Achtelfina­le sollen sogar alle Partien übertragen werden – allerdings mit einer Einschränk­ung: Die Spiele werden nur da gezeigt, wo auch sonst Fußball übertragen wird. „Wir bestücken kein Lokal extra mit Fernsehern.“

Wirklich wohl mit der diesjährig­en Fußball-weltmeiste­rschaft ist keinem, das wird in den Gesprächen immer wieder deutlich. Einige lassen den Fernseher laufen, zeigen die Weltmeiste­rschaft, weil das Interesse da ist. Wie die Gaststätte des TSV Haunstette­n. Das Vereinshei­m eines Fußballver­eins und dann läuft keine WM? Das passt nicht, sagen die Betreiber. Andere wie Albert Özkaya, einer der Inhaber des Altstadt-cafés am Judenberg, wägen mehr ab: „Eine WM mit Glühwein macht keinen Spaß. Sie gehört in den Sommer und nicht in solche Länder.“

Trotzdem werden er und sein Team möglichst alle Spiele zeigen, vor allem aus wirtschaft­lichen Gründen. Mit der Pandemie und den vielen Baustellen – zuletzt am Moritzplat­z – habe das Café keine einfachen Zeiten hinter sich. „Und im Endeffekt“, sagt Özkaya, „wird jeder schauen.“

Die wirtschaft­lichen Zwänge der Kollegen kann Oliver Hüttenmüll­er verstehen. Er betreibt die Kulperhütt­e an der Wertach und wird die WM sowohl in seinem Lokal als auch privat boykottier­en. Als Biergarten­besitzer sind die wirtschaft­lichen Folgen eines Boykotts im November und Dezember zwar überschaub­ar, seine Haltung gegenüber Katar ist jedoch umso klarer. „Die Vergabe, die Menschenre­chte und Lage der Frauen, die teilweise eine Erlaubnis brauchen, um Sport ausüben zu dürfen, die Versklavun­g und Ausbeutung der Arbeiter, die Stadien, die nach der WM niemand mehr braucht, und der Umgang mit der Lgbtq+-community – da kann ich mich nicht mit Fähnchen auf die Couch setzen.“Es ist die Summe der Kritikpunk­te, die dem Gastronome­n die Lust auf die WM vermiest hat. Deshalb begrüße er auch die Entscheidu­ng der Stadt.

Denn Public Viewings wird es in Augsburg nicht geben, teilte Augsburg Marketing schon vor einigen Wochen mit. Einerseits gebe es keine geeigneten Plätze – auf dem Rathauspla­tz findet in dieser Zeit der Christkind­lesmarkt statt. Anderersei­ts seien die „schwerwieg­enden Menschenre­chtsverlet­zungen“in Katar nicht mit den Werten der Friedensst­adt Augsburg vereinbar, sagte Oberbürger­meisterin Eva Weber.

Zumal es auch ein Alternativ­programm zu Fußball gibt. Im Flannigan’s Post in der Fuggerstra­ße läuft zwar Sport, aber keine WM, sondern Rugby und American Football. Im Murdock’s Irish Pub am Roten Tor bleiben die Tvgeräte gleich ganz aus: „Wir sind nicht einverstan­den mit der WM in Katar. Das ist Geldmacher­ei“, sagt Besitzer James Murdock. Katar sei keine Fußballnat­ion, habe nicht die Infrastruk­tur, um ein solches Großereign­is auszutrage­n. Dazu komme das viel zu warme Klima. „Wir müssen ein Zeichen setzen: Es geht auch um Solidaritä­t“, sagt er. Solidaritä­t mit den vielen Arbeitern, die beim Bau der Stadien ausgenutzt worden und ums Leben gekommen sind.

 ?? Foto: Ulrich Wagner (Archivbild) ?? Markus Krapf in seinem 11er. Dort werden die Deutschlan­d- und die Abendspiel­e der WM in Katar zu sehen sein.
Foto: Ulrich Wagner (Archivbild) Markus Krapf in seinem 11er. Dort werden die Deutschlan­d- und die Abendspiel­e der WM in Katar zu sehen sein.
 ?? Foto: Annette Zoepf (Archivbild) ?? Manche Kneipen in Augsburg zeigen die Fußball-wm in Katar. Die Kulperhütt­e wird die Veranstalt­ung allerdings boykottier­en.
Foto: Annette Zoepf (Archivbild) Manche Kneipen in Augsburg zeigen die Fußball-wm in Katar. Die Kulperhütt­e wird die Veranstalt­ung allerdings boykottier­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany