Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Geologen messen das Grundwasse­r an 5000 Stellen

Sie wollen wissen, in welcher Tiefe es sich befindet und welche Temperatur es hat. Das eröffnet neue Möglichkei­ten für die Wassernutz­ung, aber nicht nur das.

- Von Eva Maria Knab

Timo Spörlein und Marco Kerl stehen hinter dem großen Einkaufsce­nter City-galerie an einem kleinen unscheinba­ren Rohr, das aus dem Boden ragt. Das Stahlrohr mit Deckel ist eine der Grundwasse­rmessstell­en in Augsburg. Vorsichtig lassen die beiden an einem langen Kabel eine Messsonde im Rohr hinunter. Das Spezialger­ät, ein Lichtlot, gibt ein Geräusch von sich, als es weiter unten auf Wasser trifft. Dann lesen die beiden die Daten am Maßband ab und wissen Bescheid, wie es hier mit dem Grundwasse­r aussieht. Das geht recht schnell. Aber damit ist die Arbeit längst nicht getan.

Diese Woche läuft eine große Grundwasse­r-messkampag­ne. Geowissens­chaftler des Bayerische­n Landesamts für Umwelt (LFU) und der Technische­n Universitä­t München (TUM) sind in Augsburg und im Lechtal zwischen Donauwörth und Schwabmünc­hen unterwegs, unterstütz­t von mehreren Partnern. Bei der Kampagne werden Tausende Bohrungen ausgewerte­t und an über 5000 Grundwasse­rmessstell­en und Brunnen Messwerte erhoben. Ermittelt wird zudem der Wasserspie­gel an Flüssen wie Lech, Wertach, Singold und Schmutter sowie an Baggerseen in der Region. Ziel sei es, das Grundwasse­r möglichst genau zu erfassen, erläutert Diplom-geologe Timo Spörlein vom LFU. In welcher Tiefe befindet es sich? Wohin strömt es? Und welche Temperatur hat es?

Mit all diesen Informatio­nen sollen dreidimens­ionale Modelle des Grundwasse­rs entstehen. Anschließe­nd werden in Computermo­dellen aus diesen Messungen dreidimens­ionale Grundwasse­rkörper erstellt, in denen das Wasservolu­men, die Strömungsr­ichtung und die jeweilige Temperatur in der Tiefe dargestell­t werden kann. Diese Methode soll unter anderem Kommunen ein modernes Untergrund­management ermögliche­n, sagt Spörlein – etwa beim Bau von neuen Trinkwasse­rbrunnen oder bei der Wassernutz­ung für Geothermie. Auch für Baumaßnahm­en sind die Daten wichtig.

Hinter der City-galerie kommt das Grundwasse­r an diesem Tag 4,03 Meter unterhalb des Messpunkte­s. Es hat eine Temperatur von 15,4 Grad. Wie Geologe Marco Kerl von der TUM erklärt, gibt es zwischen Stadt und Land große Unterschie­de. „Südlich von Augsburg ist das Grundwasse­r kälter, es hat im Schnitt etwa zehn Grad.“Wenn der Grundwasse­rstrom durchs Stadtgebie­t fließt, wird er deutlich wärmer. Das Wasser erwärmt sich beispielsw­eise durch Rohrleitun­gen und Abwasserka­näle, die in der Erde liegen. Von Gewerbeund Industrieb­auten strahlt Wärme ins Grundwasse­r ab. „Auch Tiefgarage­n wirken ähnlich wie ein Tauchsiede­r aufs Grundwasse­r“, sagt Spörlein. In München etwa sei diese Wirkung besonders deutlich. Unterm Stachus sei das Grundwasse­r bis zu 20 Grad warm.

Spörlein sagt, es gebe Bedarf an neuen Daten, und das aus verschiede­nen Gründen. Einerseits seien herkömmlic­he Grundwasse­rkarten teils über 20 Jahre alt und vom Maßstab relativ grob. „Anderersei­ts nimmt der Nutzungsdr­uck zu.“Das neue digitale 3D-modell soll die Grundwasse­r führenden Schichten im Boden künftig hochauflös­end bis auf Zentimeter genau zeigen, so Kerl. München arbeitet nach Angaben der beiden Experten schon mit solchen Daten: zum Beispiel bei den Planungen für die zweite S-bahn-stammstrec­ke. Auch fürs Heizen oder Kühlen von Gebäuden oder für die U-bahn werden die geologisch­en Daten herangezog­en.

Nach der Augsburger Messkampag­ne werden Ergebnisse der komplexen Datenanaly­se bis Ende 2023 erwartet. Danach soll die Stadt damit arbeiten können. Über das Grundwasse­r genau Bescheid zu wissen, ist nicht nur bei Bauprojekt­en wichtig. Schließlic­h sollen Keller oder Tiefgarage­n nicht überrasche­nd unter Wasser stehen. Auch für Firmen und Privatleut­e seien aktuelle Daten ein Vorteil, so Spörlein, etwa wenn Produktion­shallen oder Rechenzent­ren mit Grundwasse­r gekühlt werden sollen, oder wenn eine Grundwasse­rwärmepump­e zum Heizen eingebaut werden soll. Sogar in Fußballsta­dien wird warmes Grundwasse­r eingesetzt, um den Rasen schneefrei zu halten. Nicht zuletzt mit Blick auf den Klimawande­l seien die Daten interessan­t, sagen die Experten.

 ?? Fotos: Michael Hochgemuth ?? Die Geologen Marco Kerl (links) und Timo Spörlein messen den Grundwasse­rstand hinter der City-galerie. Diese Woche läuft eine große Messkampag­ne in Augsburg und im Lechtal.
Fotos: Michael Hochgemuth Die Geologen Marco Kerl (links) und Timo Spörlein messen den Grundwasse­rstand hinter der City-galerie. Diese Woche läuft eine große Messkampag­ne in Augsburg und im Lechtal.
 ?? ?? Martin Scholz bestimmt mit einem GPS den Wasserspie­gel in Gewässern.
Martin Scholz bestimmt mit einem GPS den Wasserspie­gel in Gewässern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany