Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Mann wegen mehrfacher Vergewaltigung angeklagt: Was geschah in diesem Haus?
Eine junge Frau aus Augsburg soll ein Martyrium erlitten haben: Ihr 25-jähriger Ehemann soll sie missbraucht und geschlagen haben. Im Prozess widerspricht er den Vorwürfen.
Der Parkplatz „Moosburger Au“an der A92 bei Langenpreising in Oberbayern ist karg: Fotos der Örtlichkeit im Internet zeigen ein paar blaue Bänke aus Metall, ein Toilettenhäuschen und nicht viel mehr. Lampen gibt es keine; offenbar kann man hier gut ungestört sein. An diesem Ort soll Kiril M. (Namen geändert) im Dezember 2021 seine Ehefrau Alena M. im Auto vergewaltigt haben. Später, am nächsten Morgen, vergewaltigte er sie den Ermittlungen von Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft zufolge noch einmal in der gemeinsamen Wohnung im Augsburger Stadtteil Bärenkeller. Am Landgericht Augsburg startete am Montag der Prozess gegen den 25-Jährigen, der sich schweren Vorwürfen ausgesetzt sieht.
In der Anklage, die Staatsanwältin Regine Pätzel verlas, geht es neben den mutmaßlichen Vergewaltigungen um vorsätzliche Körperverletzung, um Bedrohung, um Freiheitsberaubung. Kiril M., ein aus Mazedonien stammender Elektriker, sitzt seit Anfang des Jahres in Untersuchungshaft, ihm droht eine längere Haftstrafe, sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten.
Verheiratet waren Kiril und Alena M. seit 2019, offenbar trauten sie sich in Deutschland und feierten in Mazedonien ein größeres Fest. Beide zogen nach Augsburg in ein Hochhaus im Bärenkeller und lebten dort eng im Familienverbund: Die Eltern und der Bruder von Kiril M. sollen zeitweise in derselben Wohnung untergekommen sein, die Mutter und die Geschwister von Alena M. wiederum lebten im gleichen Gebäude in einer anderen Wohnung, ein paar Stockwerke tiefer. 2021, so heißt es in der Anklage, bekam die Ehe Brüche, es gab Streit, Alena M. soll ihrem Ehemann Untreue vorgeworfen, er sie daraufhin zu unterschiedlichen Anlässen gewürgt, geschlagen und gebissen haben.
Im September 2021 trennte sie sich den Ermittlungen zufolge von ihm und zog in die Wohnung ihrer Familie. Im Dezember 2021 schließlich soll der 25-Jährige sich unter dem Vorwand, eine Unterschrift für ein gemeinsames Konto zu benötigen, Zutritt zu dieser Wohnung verschafft, seine Ehefrau herausgezerrt und ins Auto gezogen haben, um mit ihr davonzufahren. Auf dem Parkplatz soll der erste Übergriff erfolgt sein, später im Mehrparteienhaus dann der zweite. Alena M. habe in einem unbeobachteten Moment an ihr Handy gelangen und einen Bekannten kontaktieren können, der daraufhin die Polizei rief, heißt es in der Anklage. Die Beamten hätten die Frau daraufhin befreit. In Prozessen, die sich um Vergewaltigungen drehen, ist die Beweislage oft dünn, doch zumindest auf dem Papier liest sich der Fall anders: Dass Kiril M. seine Ehefrau aus der Wohnung ins Auto gezerrt haben soll, müssten Angehörige mitbekommen haben, die Taten selbst soll er teils mit dem Handy gefilmt haben, das die Polizei beschlagnahmte. Als der 25-Jährige (Verteidiger: Adam Ahmed und Felix Hägele) am Montag aussagt, detailreich und stundenlang, widerspricht er den Vorwürfen allerdings. Seine Ehefrau, so schildert er, sei aus freien Stücken mit in das Auto gekommen. Er habe auch, anders als in der Anklage geschildert, nicht gesagt, dass er mit ihr nach Mazedonien fahren wolle; der Sex im Auto sei einvernehmlich gewesen und am selben Ort geschehen wie schon am Tag zuvor, ohnehin habe man oft im Auto miteinander geschlafen.
Er habe den Sex ein paar Sekunden lang gefilmt, sagt er
Insgesamt habe man in der Nacht und am nächsten Morgen viermal einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gehabt, zweimal im Auto, zweimal in der Wohnung. Er habe jeweils kurz sein Handy rausgeholt und den Sex ein paar Sekunden gefilmt – aber nicht wie in der Anklage geschildert mit der Drohung versehen, das Material ins Internet zu stellen, sollte sie nicht bei ihm bleiben, sondern „einfach für mich“. Auch seine Ehefrau habe des Öfteren den Sex der beiden gefilmt, das sei in ihrer Beziehung nicht unüblich gewesen. Zwar schildert auch der 25-Jährige Szenen einer schwierigen und von Streit geprägten Ehe. Er sagt aber auch, geschlagen habe er Alena M. nie, und sie an dem Tag im Dezember 2021, um den es im Prozess geht, auch nicht in der gemeinsamen Wohnung eingesperrt.
Alena M., am ersten Prozesstag als Zeugin geladen, erschien nicht. Sie mache von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch als Ehefrau des Angeklagten, sagte ihre Anwältin Isabel Kratzer-ceylan. Die Juristin deutete an, ihre Mandantin wolle ihrem Ehemann nicht im Gerichtssaal begegnen. Der Prozess wird fortgesetzt. Die 1. Strafkammer unter dem Vorsitzenden Richter Michael Schneider hat vier weitere Termine bis in den Dezember hinein angesetzt.