Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wo das Flüssiggas bald fließen soll
In Wilhelmshaven ist der erste Anleger für Erdgas-importe per Schiff fertig. Was noch fehlt, wann es losgeht und wie weit man andernorts ist.
Die Gasspeicher für den Winter sind inzwischen fast voll. Doch verflüssigtes Erdgas soll auch noch in den kommenden Jahren die Energieversorgung absichern. Die ersten deutschen Lngterminals dafür stehen kurz vor dem Betriebsbeginn:
Wie sehen die Zeitpläne aus?
Wilhelmshaven hat am Dienstag einen schwimmenden Anleger offiziell eingeweiht. Noch im Dezember soll eine schwimmende Speicherund Regasifizierungsanlage (FSRU) dort stationiert werden. Niedersachsen plant mit Mitte Dezember für den Beginn des Betriebs. Der Energiekonzern Uniper nimmt an, dass noch im Dezember auch die Infrastruktur auf Landseite komplett bereitstehen wird.
Ab Mitte Januar werden die Lng-tanker eintreffen, heißt es aus der Landesregierung. Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) will noch ein zweites Terminal in der Stadt ansiedeln: Wilhelmshaven II soll Ende 2023 starten, auch als Schwimmterminal. Eine vollständig an Land installierte Anlage soll folgen. In Stade hatte ein privates Konsortium bereits vor dem Krieg Russlands gegen die Ukraine angefangen, eine Anlage in der Nähe des Chemieparks mit dem Us-konzern Dow vorzubereiten. Ende 2023 soll dort eine schwimmende Plattform starten, Bauschritte wie Deichüberfahrten sind genehmigt. Ein fester Umschlagplatz soll bis 2026 fertig sein.
Auch heuer noch soll in Brunsbüttel ein Schwimmterminal seine Arbeit aufnehmen. Der erste Lngtanker soll Ende Dezember festmachen. Parallel plant dort die German LNG Terminal Gmbh eine feste Anlage, die voraussichtlich 2026 in Betrieb gehen könnte.
In Lubmin, wo auch die deutschrussischen Gasleitungen Nord Stream 1 und 2 ankommen, will das Unternehmen Deutsche Regas mit einem schwimmenden Terminal LNG importieren. Zunächst war von einem möglichen Betriebsbeginn zum 1. Dezember zu hören – ob dies klappt, war zuletzt unklar. Ein zweites Terminal soll in der zweiten Jahreshälfte 2023 an den Start gehen.
Wo könnte es noch stocken?
Wegen des Zeitdrucks in der Energiekrise wurden Planungsverfahren beschleunigt, die Landesregierungen legten allerdings Wert auf eine Veröffentlichung von Projektunterlagen. Kritiker können Einwendungen gegen die Vorhaben einreichen. Zu Wilhelmshaven I steht der Zeitplan bis auf weiteres. Auch in Mecklenburg-vorpommern liegen Dokumente zur Öffentlichkeitsbeteiligung aus. In Lubmin sind Beschwerden noch bis zum 28. November möglich. Abgesehen von Anliegern der Häfen und Pipelines hat sich vor allem unter Natur- und Meeresschützern Widerstand formiert.
In Hamburg, wo es ebenfalls Prüfungen gab, soll die Verkehrsdichte im Hafen die Chancen für ein eigenes Terminal verringert haben. In Rostock zeigte eine Studie Probleme im Zusammenhang mit gleichzeitigen Rohöllieferungen auf.
Woher soll das Gas kommen?
Bisher erhalten Deutschland und andere europäische Länder das über die Niederlande, Belgien oder Frankreich aufgenommene LNG vor allem aus den USA. Zu den größten Exporteuren zählt auch Katar. Das Emirat will dem Vernehmen nach Langfristverträge und verkauft bereits viel Gas nach Asien. Weitere wichtige Lng-ausfuhrländer sind Australien, Malaysia oder Nigeria. Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, betonte kürzlich: „Wir unterstützen den Infrastrukturausbau zum Ersatz russischer Gasimporte, um eine stärkere Diversifizierung unserer Gasquellen voranzutreiben.“
Wie viel Gas zu welchem Preis?
Über die beiden Wilhelmshavener Schwimmanlagen sollen 10 Milliarden Kubikmeter wiederverdampftes Gas pro Jahr umgeschlagen werden können. Auch für die FSRU in Stade sind 5 Milliarden Kubikmeter vorgesehen. Die Planer des festen Terminals dort gingen bislang von etwa 13 Milliarden Kubikmetern aus – was für bis zu 15 Prozent des deutschen Gasbedarfs reichen könne. Bezogen auf die bislang aus Russland bezogenen Mengen schätzte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), dass es gelingen könnte, diese später einmal ganz über in Niedersachsen ankommendes LNG zu ersetzen.
Über die Brunsbütteler FSRU sollen 3,5 Milliarden Kubikmeter pro Jahr ins Netz gelangen, für die feste Anlage nach früheren Angaben rund 8 Milliarden Kubikmeter. In Lubmin plant man für beide Terminals jeweils etwa mit 5 Milliarden Kubikmetern jährlich. Zu welchen Konditionen das LNG auf den Energiemarkt kommt, ist noch relativ unsicher. Die Weltmarktpreise schwanken, und die in laufenden Verträgen noch gebundenen Mengen können das Angebot knapp halten. (dpa)