Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Fünf Dinge, die wir noch nicht über Corona wissen

Warum spüren manche Infizierte­n keine Symptome? Und wie lange schützt eine überstande­ne Infektion? Virologe Prof. Lars Dölken erläutert den Sachstand zu ungelösten Rätseln bei Sars-cov-2.

- Von Susanne Schmitt

Würzburg Seit Beginn der Pandemie haben sich bundesweit Millionen Menschen mit Sars-cov-2 infiziert. Den Status als neuartig hat das Coronaviru­s somit längst verloren. Trotzdem gibt es noch immer Fragen, die die Wissenscha­ft nicht komplett beantworte­n kann. Fünf Beispiele.

Manche Menschen infizieren sich mit Corona und zeigen keinerlei Symptome, andere sind hingegen tage- oder wochenlang krank. Warum?

Eine abschließe­nde Antwort darauf gibt es bisher nicht. Allerdings seien einige „Einflussgr­ößen“bekannt, sagt der Würzburger Virologe Prof. Lars Dölken. So gebe es beispielsw­eise „genetische Faktoren, die dazu führen, dass Abwehrmech­anismen bei einzelnen Personen nicht gut funktionie­ren oder defekt sind“. Zudem komme es darauf an, welche Menge an Viren man abbekomme und ob man vielleicht kurz zuvor erst eine Infektion mit einem endemische­n Coronaviru­s überstande­n habe. Eine zentrale Rolle spielt auch das Alter: Je älter ein Mensch sei, desto schlechter falle die Immunantwo­rt in der Regel aus, so Dölken. Insbesonde­re ungeimpfte Personen über 60 Jahren hatten somit zu Beginn der Pandemie ein hohes Risiko, lebensbedr­ohlich an Corona zu erkranken. Umgekehrt reagiere jetzt bei geimpften älteren Menschen das Immunsyste­m „nicht so hart“auf eine Corona-infektion wie bei jüngeren – „erstere werden dann auch akut nicht so krank“. Das heißt: Einerseits brauche man eine gute Aktivierun­g des Immunsyste­ms, um die Infektion erfolgreic­h zu bekämpfen – anderersei­ts sei aber auch gerade diese Aktivierun­g für Krankheits­gefühle wie Abgeschlag­enheit oder Fieber verantwort­lich, so Dölken.

Welche Rolle spielt die Blutgruppe bei einer Infektion mit Sarscov-2?

Nach wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen hat die Blutgruppe einen gewissen Einfluss auf das Ansteckung­srisiko und auch auf die Übertragun­g. Laut einer französisc­hen Studie steckt ein infizierte­r Mensch zum Beispiel wesentlich häufiger eine andere Person im selben Haushalt an, wenn die Blutgruppe­n der beiden kompatibel sind. Mehrere Studien haben zudem gezeigt, dass Menschen mit der Blutgruppe Null das geringste Risiko für eine Infektion haben. Ähnliches kenne man auch von Noroviren und bei Harnwegsin­fektionen, sagt der Würzburger Experte Dölken. Die Erklärung dafür: „Blutgruppe­n sind durch bestimmte Zuckerkett­en bestimmt, die unsere Zellen abdecken – und wenn Erreger in die Zellen wollen, müssen sie daran andocken beziehungs­weise da durch.“Je nach Blutgruppe gelinge das unterschie­dlichen Erregern „ein bisschen leichter oder schwerer“.

Wie lange hält der Schutz nach einer Impfung oder Infektion?

Laut Robert Koch-institut (RKI) besteht sowohl nach einer Coronainfe­ktion als auch nach einer Impfung ein Schutz vor einer erneuten Infektion oder Erkrankung. Nur: Wie lange dieser Schutz anhalte und wie gut er sei, variiere stark und könne „im Einzelfall nicht vorhergesa­gt werden“. Einflussfa­ktoren seien die Stärke der durchgemac­hten Infektion, die Virusvaria­nte – aber auch der „individuel­le Zustand des Immunsyste­ms“. Grundsätzl­ich gilt: Das Immunsyste­m ist nicht ständig und dauernd in Alarmberei­tschaft. Treffe aber ein Erreger wie eben Sarscov-2 auf die Zellen, entstehe eine Immunantwo­rt mit Antikörper­n und T-zellen – sprich eine Abwehrreak­tion – und daraus entstehen dann Gedächtnis­zellen, erklärt der Virologe Dölken. Immunantwo­rten seien somit „drei, vier Wochen nach der Infektion am höchsten und fallen dann wieder ab, da das Immunsyste­m wieder in den

Gedächtnis­zustand wechselt“. Entscheide­nd zur Verhinderu­ng schwerer Infektione­n sei aber, dass überhaupt virusspezi­fische Immunzelle­n vorhanden seien.

Ein Teil der Infizierte­n leidet an Langzeitfo­lgen. Warum? Und was passiert dabei im Körper?

Zu Long- beziehungs­weise Postcovid gibt es nach wie vor viele offene Fragen. So ist es nach Rki-angaben bisher „nicht möglich, sicher abzuschätz­en, wie häufig Long-covid nach einer Sars-cov2-infektion auftritt“. Das Krankheits­bild sei „nach wie vor nur unzureiche­nd verstanden“und es fehlten repräsenta­tive Studien. Mittlerwei­le gebe es jedoch Hinweise, dass unter anderem chronische Entzündung­en und Verschlüss­e der kleinen Gefäße sowie Autoimmunp­rozesse an der Entstehung der Langzeitfo­lgen beteiligt sein können. Allerdings ist oft schon die Diagnose problemati­sch, da Long-covid eine Vielzahl an Symptomen zeigt. Dazu zählen laut RKI etwa Erschöpfun­g, Muskelschw­äche und -schmerzen, Angstsympt­ome, kognitive Beeinträch­tigungen wie Konzentrat­ionsoder Gedächtnis­probleme und anhaltende Atemwegsbe­schwerden. Auch sei ein „Symptomkom­plex, der Ähnlichkei­t mit dem chronische­n Erschöpfun­gssyndrom“habe, beobachtet worden. Welche Ursachen gerade diese völlige Abgeschlag­enheit habe und was dabei wirklich im Körper passiere, wisse man noch nicht, sagt der Würzburger Experte Dölken. Das zu verstehen, ist aus seiner Sicht eine der wichtigste­n Aufgaben. Denn verschwind­en werde das Virus nicht mehr – und so stelle sich die Frage, wie viele Longcovid-betroffene es künftig geben werde. „Jedes Jahr kommen neue Long-covid-fälle dazu – und auch wenn es nur ein Prozent der Bevölkerun­g beträfe, wären das in zehn Jahren möglicherw­eise bereits zehn Prozent“, warnt Dölken.

Warum schlagen die Coronaschn­elltests bei manchen Menschen nicht an, obwohl sie infiziert sind?

„Die Tests können nur Virusbesta­ndteile nachweisen, wo auch Virus vorhanden ist“, sagt Dölken. Sprich: Wenn Sars-cov-2 bei einer Person vor allem in der Nase sitze, sei ein Test im Rachen vielleicht negativ – in der Nase aber positiv. „Ist genug Zielmateri­al da, dann ist ein Schnelltes­t in der Regel positiv.“Allerdings gebe es einen gewissen „Wirkverlus­t“, da die Tests für die ursprüngli­chen Corona-varianten entwickelt worden seien und nicht für Omikron. Das hat eine Studie von Uni und Uniklinik Würzburg in Kooperatio­n mit der Universitä­t Greifswald erst kürzlich bestätigt. Demnach erkennen Antigen-schnelltes­ts insbesonde­re die vorherrsch­ende Omikronvar­iante in nur einem Drittel der Fälle. „Damit liegt die Sensitivit­ät dieser Test aber nicht allzu viel schlechter als für die vorherigen Mutanten“, so Dölken. Zumindest aber extrem infektiöse Personen, würden auch für Omikron zuverlässi­g erkannt.

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Foto: Bernd Wüstneck, dpa Das Coronaviru­s – hier als Symbol an einer Teststatio­n – gibt nach wie vor Rätsel auf.

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