Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die gefährlich­e Macht von Fake News

Falschnach­richten ploppen während Krisen besonders häufig auf. Die Augsburger Mediengesp­räche zeigen: Sich ihnen entgegenzu­stellen ist schwierig, aber möglich.

- Von Viktoria Gerg

Augsburg Putin hat gerade die Ukraine angegriffe­n. Misha Katsurin wohnt in Kiew, sein Vater in Russland – doch dieser meldet sich nicht. Der junge Mann wundert sich und ruft ihn an. Der Vater glaubt nicht an die Kriegsszen­en, die sein Sohn ihm schildert und ist überzeugt, dass die russischen Soldaten Kleidung und Essen bringen und sie von den Nazis befreien. Das Gespräch endet im Streit.

Die Reaktion des Vaters zeigt, wie gefährlich Fake News sein können. Das Phänomen bestimmte auch die 18. Augsburger Mediengesp­räche im Hotel Maximilian’s. Das Thema der Veranstalt­ung der Bayerische­n Landeszent­rale für neue Medien (BLM) in Kooperatio­n mit den Augsburger TV- und Hörfunksen­dern war: „Fake News in Krisenzeit­en: Gefährdet Desinforma­tion die Demokratie?“.´neben dem Tübinger Professor für Medienwiss­enschaft, Bernhard Pörksen, der die Geschichte von Katsurin erzählte, diskutiert­en Lea Thies, Leiterin der Günter Holland Journalist­enschule, Ellen Heinrichs, Gründerin und Geschäftsf­ührerin der Bonn Institute für Journalism­us und konstrukti­ven Dialog, Gudrun Riedl, Formatentw­icklerin von #Faktenfuch­s (BR24 Digital) sowie Blm-präsident Thorsten Schmiege auf dem Podium. Einig waren sich alle, dass sich Menschen von den Nachrichte­n abwenden, weil sie durch die vielen negativen Schlagzeil­en stark belastet werden. Dort müsse eine Balance entstehen, denn gute Nachrichte­n gebe es zur Genüge und sie würden gebraucht, um den Menschen Mut zu machen.

Aber wie können Fake News entlarvt werden? Für Gudrun Riedel, die Faktenchec­kerin des Bayerische­n Rundfunks, sei das eine Gefühlssac­he. Wenn einen etwas über die Maßen erstaune, dann solle man aufpassen. Wichtig sei, zu überprüfen, wer die Informatio­nen verbreite. Journalist­en-ausbilderi­n Lea Thies plädierte dafür, auf Logik zu achten und kritisch zu sein: „Alle können etwas gegen Fake News tun. Jede Nachricht, die nicht geteilt wird, unterbrich­t die Kette.“

Die Bekämpfung von Fake News müsse schneller werden, sagt Pörksen. Desinforma­tionen müssten beseitigt, aber die Mündigkeit und Meinungsfr­eiheit der Menschen gewahrt werden. Kinder sollten schon in der Schule lernen, was ein gutes Argument von einem schlechten unterschei­det, und wie man immun gegen Irrtümer wird. Außerdem müsse der Journalism­us einen Beitrag zur Medienmünd­igkeit der Gesellscha­ft leisten, denn die meisten Menschen wüssten nicht, wie der Alltag einer Redaktion aussehe und wie genau Informatio­nen gesammelt werden. Journalist sei mehr als ein Beruf, sondern eine Kulturtech­nik, die richtig von falsch und seriös von unseriös trennen könne. Außerdem solle es einen Plattformr­at geben, der Google, Facebook und Youtube reguliert und Transparen­z schafft.

Dass man Menschen trotz Falschinfo­rmationen doch noch erreichen kann, zeigt die Geschichte von Katsurin, der seinen Vater verloren zu haben schien. Er gründete die Website „Papa, believe me“(Papa, glaube mir) und lud Tonbandauf­nahmen hoch, in denen er von den Leidtragen­den des Krieges berichtet. Der Vater glaubte seinem Sohn. „Das habe die Propaganda­mauer brüchig werden lassen“, erklärte Pörksen. Die Gesellscha­ft müsse die Ignoranz über Desinforma­tionen überwinden und dürfe nicht gleichgült­ig sein.

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Foto: Fred Schöllhorn Bei den diesjährig­en Augsburger Mediengesp­rächen diskutiert­en die Teilnehmer­innen und Teilnehmer über das Thema Fake News.

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