Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die gefährliche Macht von Fake News
Falschnachrichten ploppen während Krisen besonders häufig auf. Die Augsburger Mediengespräche zeigen: Sich ihnen entgegenzustellen ist schwierig, aber möglich.
Augsburg Putin hat gerade die Ukraine angegriffen. Misha Katsurin wohnt in Kiew, sein Vater in Russland – doch dieser meldet sich nicht. Der junge Mann wundert sich und ruft ihn an. Der Vater glaubt nicht an die Kriegsszenen, die sein Sohn ihm schildert und ist überzeugt, dass die russischen Soldaten Kleidung und Essen bringen und sie von den Nazis befreien. Das Gespräch endet im Streit.
Die Reaktion des Vaters zeigt, wie gefährlich Fake News sein können. Das Phänomen bestimmte auch die 18. Augsburger Mediengespräche im Hotel Maximilian’s. Das Thema der Veranstaltung der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) in Kooperation mit den Augsburger TV- und Hörfunksendern war: „Fake News in Krisenzeiten: Gefährdet Desinformation die Demokratie?“.´neben dem Tübinger Professor für Medienwissenschaft, Bernhard Pörksen, der die Geschichte von Katsurin erzählte, diskutierten Lea Thies, Leiterin der Günter Holland Journalistenschule, Ellen Heinrichs, Gründerin und Geschäftsführerin der Bonn Institute für Journalismus und konstruktiven Dialog, Gudrun Riedl, Formatentwicklerin von #Faktenfuchs (BR24 Digital) sowie Blm-präsident Thorsten Schmiege auf dem Podium. Einig waren sich alle, dass sich Menschen von den Nachrichten abwenden, weil sie durch die vielen negativen Schlagzeilen stark belastet werden. Dort müsse eine Balance entstehen, denn gute Nachrichten gebe es zur Genüge und sie würden gebraucht, um den Menschen Mut zu machen.
Aber wie können Fake News entlarvt werden? Für Gudrun Riedel, die Faktencheckerin des Bayerischen Rundfunks, sei das eine Gefühlssache. Wenn einen etwas über die Maßen erstaune, dann solle man aufpassen. Wichtig sei, zu überprüfen, wer die Informationen verbreite. Journalisten-ausbilderin Lea Thies plädierte dafür, auf Logik zu achten und kritisch zu sein: „Alle können etwas gegen Fake News tun. Jede Nachricht, die nicht geteilt wird, unterbricht die Kette.“
Die Bekämpfung von Fake News müsse schneller werden, sagt Pörksen. Desinformationen müssten beseitigt, aber die Mündigkeit und Meinungsfreiheit der Menschen gewahrt werden. Kinder sollten schon in der Schule lernen, was ein gutes Argument von einem schlechten unterscheidet, und wie man immun gegen Irrtümer wird. Außerdem müsse der Journalismus einen Beitrag zur Medienmündigkeit der Gesellschaft leisten, denn die meisten Menschen wüssten nicht, wie der Alltag einer Redaktion aussehe und wie genau Informationen gesammelt werden. Journalist sei mehr als ein Beruf, sondern eine Kulturtechnik, die richtig von falsch und seriös von unseriös trennen könne. Außerdem solle es einen Plattformrat geben, der Google, Facebook und Youtube reguliert und Transparenz schafft.
Dass man Menschen trotz Falschinformationen doch noch erreichen kann, zeigt die Geschichte von Katsurin, der seinen Vater verloren zu haben schien. Er gründete die Website „Papa, believe me“(Papa, glaube mir) und lud Tonbandaufnahmen hoch, in denen er von den Leidtragenden des Krieges berichtet. Der Vater glaubte seinem Sohn. „Das habe die Propagandamauer brüchig werden lassen“, erklärte Pörksen. Die Gesellschaft müsse die Ignoranz über Desinformationen überwinden und dürfe nicht gleichgültig sein.