Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Warnstreik in Augsburg: Darum sind die Metaller wütend auf die Arbeitgebe­r

An einer Kundgebung am Königsplat­z beteiligen sich laut der Gewerkscha­ft knapp 3000 Beschäftig­te. Für Augsburgs Ig-metall-chef ist der soziale Friede gefährdet.

- Von Michael Hörmann

Die Wut der Beschäftig­ten in der heimischen Elektro- und Metallindu­strie wird größer. Die Gewerkscha­ft IG Metall weitet ihre Protestakt­ionen aus. Gab es in den zurücklieg­enden beiden Wochen Warnstreik­s auf dem Firmengelä­nde und vor dem Werkstor, folgte am Dienstag eine Kundgebung mit laut IG Metall knapp 3000 Teilnehmer­innen und Teilnehmer­n am Königsplat­z in Augsburg. Diese waren in zwei Demonstrat­ionszügen in die Innenstadt gezogen. Augsburgs Ig-metall-chef Roberto Armellini sagte: „Die Betriebe haben trotz Krise gute Gewinne erwirtscha­ftet. Es ist jetzt Zeit, einen Teil dieser Gewinne an die Beschäftig­ten weiterzuge­ben.“In der laufenden Tarifrunde gibt es bislang kein Ergebnis.

Die Tarifparte­ien liegen weit auseinande­r. Die IG Metall fordert acht Prozent mehr Lohn und Gehalt für die Beschäftig­ten. Die Arbeitgebe­rseite hatte zuletzt ein erstes Angebot vorgelegt. Danach sollen die Beschäftig­ten zunächst nur eine steuer- und abgabenfre­ie „Inflations­ausgleichs­prämie“von 3000 Euro erhalten. Es gebe derzeit kein Wachstum, das verteilt werden könne, hieß es. Der vorgeschla­gene Tarifvertr­ag soll 30 Monate Laufzeit haben. Die Arbeitgebe­r könnten sich vorstellen, dass eine spätere Tariferhöh­ung kommt. Für den Fall einer Energienot­lage müssten aber auch Abstriche möglich sein.

Tulin Yakisikli, Sandra Schmid und Günter Motzet von der Siemens-niederlass­ung in Augsburg stehen am Dienstagvo­rmittag bei strahlend blauem Himmel am Königsplat­z. Ihre Stimmung ist schlechter als das Wetter. „Es wäre höchste Zeit, dass die Beschäftig­ten für ihre Arbeit etwas erfahren“, sagt Motzet. Die Forderung nach acht Prozent sei gerechtfer­tigt. Für ihn, einen überzeugte­n Metaller, steht es außer Frage, dass er sich am Warnstreik beteiligt. Tulin Yakisikli sagt: „Wir haben Anspruch auf acht Prozent.“Alles werde teurer, die Preise steigen: „Seit dem Jahr 2018 hatten wir keine Erhöhung.“Ihre Kollegin Sandra Schmid meint: „Eine Erhöhung ist auch mit Blick auf die Rente nötig.“

Bei der Kundgebung zeigen sich

Rednerinne­n und Redner kämpferisc­h. „Wer hat, muss auch geben“, sagt Silke Klos-pöllinger an die Adresse der Arbeitgebe­r. Die Regionsvor­sitzende des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds betont, dass die Beschäftig­ten sehr gute Argumente in der laufenden Tarifrunde hätten. Es sei erfreulich, dass sich eine große Zahl an Beschäftig­ten am

In den Streiklist­en stehen 5800 Namen

Warnstreik beteilige: „Das ist die Macht der Straße.“Nach Gewerkscha­ftsangaben hatten sich 5800 Beschäftig­te am ganztägige­n Warnstreik beteiligt. Diese Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r hätten sich in die Streiklist­en in den Betrieben eingetrage­n.

Sebastian Kunzendorf, Betriebsra­tsvorsitze­nder bei Premium Aerotec, ist Teilnehmer an den Verhandlun­gsrunden. „Dass immer noch kein wirkliches Angebot der Arbeitgebe­r vorliegt, ist unglaublic­h.“Am Donnerstag in der nächsten Woche gehen die Verhandlun­gen weiter. Die Gewerkscha­ft wolle ihre Ziele durchsetze­n. „Wir scheuen den Streik nicht“, sagte Kunzendorf unter dem Beifall der Teilnehmer an der Kundgebung.

Die IG Metall spricht von einer „Hinhalteta­ktik“der Arbeitgebe­r. In dieser Woche beginnt die massive zweite Warnstreik­welle. Augsburg gehört zu den ersten Städten, in denen Protestakt­ionen stattfande­n. Die Proteste seien „nach der Eskalation der Arbeitgebe­rseite“nötig, sagte Roberto Armellini: „Wir sprechen hier von einem einmaligen Vorgehen des Arbeitgebe­rverbandes, das es so in über 70 Jahren Tarifpolit­ik noch nicht gegeben hat.“Man erlebe bei allen Warnstreik­s, dass der Ärger der Beschäftig­ten auf ihre Arbeitgebe­r noch mal spürbar gewachsen sei. Mit Blick auf die aktuellen Entwicklun­gen der Lebenshalt­ungskosten und Energiepre­ise sei das auch absolut verständli­ch. „Es ist jetzt eine Frage des Anstandes und der Wertschätz­ung, in diesen unsicheren und herausford­ernden Zeiten den Beschäftig­ten etwas zurückzuge­ben“, so Armellini weiter.

Das Verhalten der Arbeitgebe­rseite griff Armellini bei der Kundgebung scharf an: „Sie haben den Blick für die Realität verloren.“Mit ihrer Strategie in der Tarifrunde würden die Arbeitgebe­r den sozialen Frieden gefährden. Noch sei eine Einigung möglich. Armellini: „Wir möchten eine Lösung am Verhandlun­gstisch, scheuen aber den Konflikt nicht.“Brennende Mülltonnen vor den Werkstoren wären bei einem Streik zu erwarten.

 ?? Fotos: Silvio Wyszengrad ?? Der Königsplat­z war gut gefüllt. 3000 Teilnehmer­innen und Teilnehmer beteiligte­n sich nach Gewerkscha­ftsangaben am Warnstreik.
Fotos: Silvio Wyszengrad Der Königsplat­z war gut gefüllt. 3000 Teilnehmer­innen und Teilnehmer beteiligte­n sich nach Gewerkscha­ftsangaben am Warnstreik.
 ?? ?? Sandra Schmid (links), Günter Motzet und Tulin Yakisikli nahmen an der Kundgebung teil.
Sandra Schmid (links), Günter Motzet und Tulin Yakisikli nahmen an der Kundgebung teil.

Newspapers in German

Newspapers from Germany