Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Rakete traf Polen aus Versehen
Stammte sie aus der Ukraine? Die Nato sieht keine Indizien für russischen Angriff.
Warschau/augsburg Es war eine Rakete russischer Bauart – aber es war es auch eine russische Rakete? Wie der polnische Präsident Andrzej Duda am Mittwoch betonte, handelt es sich bei dem Einschlag mit zwei Toten in einem Dorf an der ukrainischen Grenze nicht um einen gezielten, von Wladimir Putin befohlenen Angriff auf das Nato-mitglied Polen, sondern offenbar um eine fehlgeleitete ukrainische Flugabwehrrakete eines noch aus Sowjetzeiten stammenden Systems. Eingeräumt allerdings hat die Regierung in Kiew das bisher nicht. Im Gegenteil: Präsident Wolodymyr Selenskyi bezweifelt, dass es sich bei dem Geschoss um ein ukrainisches gehandelt hat. „Kann man Fakten oder irgendwelche Beweise erhalten?“, fragte er am Abend. Und fügte explizit hinzu: „Ich denke, dass es eine russische Rakete war..“
So oder so gibt die Ukraine Russland die Schuld am Tod der beiden Menschen in Polen. „Für die steigenden Risiken in angrenzenden Ländern ist allein Russland verantwortlich», betonte Präsidentenberater Mychajlo Podoljak. Verteidigungsminister Olexij Resnikow verlangte erneut die Einrichtung einer Flugverbotszone über der Ukraine, was die Nato bereits mehrfach abgelehnt hat, weil sie diese Zone überwachen müsste und so Teil des Konfliktes würde.
Wie es zu dem tragischen Zwischenfall in Polen kommen konnte, ist bislang nicht zweifelsfrei geklärt, teilweise ist auch von zwei Einschlägen die Rede. Präsident Duda sprach lediglich von einem „unglücklichen Zwischenfall.“ Nach Einschätzung von Nato-chef Jens Stoltenberg sollte die ukrainische Rakete russische Angriffe mit Marschflugkörpern abwehren. Es gebe keine Hinweise, dass Moskau offensive militärische Aktionen gegen die Nato vorbereite, betonte er. Anders als zunächst diskutiert, will Polen deshalb auch nicht den Krisenmodus der Allianz aktvieren, der immer dann in Kraft tritt, wenn ein Nato-land die Unversehrtheit seines Staatsgebiets, die politische Unabhängigkeit oder die eigene Sicherheit bedroht sieht.
Die Bundesregierung hat Polen trotzdem Unterstützung bei der Überwachung seines Luftraums angeboten. «Dies kann bereits morgen erfolgen, wenn Polen das wünscht», sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Die Eurofighter der Luftwaffe müssten dazu auch nicht nach Polen verlegt werden, sondern könnten ihre Patrouillen auch von deutschen Luftwaffenbasen aus starten.
Die Union fordert nach dem Raketeneinschlag eine Stärkung der Ukraine mit westlichen Waffensystemen. „Wir müssen sicherstellen, dass Wladimir Putin in der Ukraine keinen Erfolg hat, indem wir die ukrainische Flugabwehr stärken und auch solche Waffen liefern, mit denen die Ukraine Russland weiter zurückdrängen kann“, sagte der Cdu-außenpolitiker Norbert Röttgen unserer Redaktion. „Ein möglichst schnelles Ende des Krieges reduziert auch das Risiko, dass es zu weiteren Vorfällen in den Grenzregionen der europäischen Nachbarstaaten der Ukraine kommt.“Röttgen forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, die zurückhaltende Haltung der Bundesregierung bei der Lieferung von mehr schweren Waffen aufzugeben. Gleichzeitig lobte er das Vorgehen der polnischen Regierung und der Nato nach dem Einschlag. „Ich halte die besonnene Reaktion Polens und der Nato für richtig“, betonte Röttgen. „Es ist völlig klar, dass Polen die uneingeschränkte Solidarität der Nato hat.“
„Polen steht nicht alleine da“
Norbert Röttgen, CDU