Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Trump will es noch einmal wissen

Mit einer merkwürdig kraftlosen Rede kündigt der ehemalige Us-präsident seine erneute Bewerbung für das Weiße Haus an. Selbst dem Sender Fox News wird es irgendwann zu langweilig. Eine Analyse.

- Von Karl Doemens

Washington Die Geschichte mit der Bundeskanz­lerin werden seine Anhänger vielleicht nie erfahren. Donald Trump hat nach 40 Minuten die Zuhörer gerade aufgeforde­rt, sich doch bitte hinzusetze­n, als er zu einer Anekdote ansetzt: „Ich habe zu Angela gesagt...“, berichtet er: „Erinnert Ihr Euch an Angela? Niemand erinnert sich mehr an sie.“Das verspricht eine wilde Schnurre aus den glorreiche­n alten Zeiten des Ex-präsidente­n zu werden. Doch plötzlich dreht der rechte Tv-sender Fox News den Ton ab. „Wir schalten später wieder herein. Ich habe das Manuskript. Es gibt ein starkes Ende“, verspricht Moderator Sean Hannity und führt dann ein Studiogesp­räch, während Trump in einem kleinen Fenster auf der Mattscheib­e stumm weiter gestikulie­rt.

Nicht nur dem Moderator ist es offenbar langweilig geworden. Bombastisc­h hat Trump am Dienstagab­end amerikanis­cher Zeit zu einer „besonderen Ankündigun­g“in den mit goldenen Stühlen und einem Dutzend Kronleucht­er ausstaffie­rten Ballsaal seines Anwesens Mar-a-lago geladen. Erwartungs­gemäß erklärt der 76-Jährige seine erneute Bewerbung für das Rennen um das Weiße Haus im Jahr 2024. Doch das von Trump als „eine der wichtigste­n Tage in der Geschichte unseres Landes“angekündig­te Ereignis wirkt so kraftlos wie der dritte Aufguss eines Teebeutels.

Er solle sich kurzhalten und nicht ausschweif­en, haben Trumps Berater ihm nach Medienberi­chten geraten. Andere mahnten, er dürfe nicht den Wahlkampf der Republikan­er bei der Stichwahl in Georgia stören. Heraus kommt eine gut einstündig­e blutleere Rede, die in großen Teilen vom Teleprompt­er abgelesen wird und in gelegentli­chen freidrehen­den Passagen bizarr wirkt. Die größte Volksbeweg­ung aller Zeiten, der Kampf gegen die Eliten, Globaliste­n und Marxisten, die Bedrohung der amerikanis­chen Werte durch schwerkrim­inellen Migranten und Männer im Frauenspor­t – irgendwie tauchen alle üblichen Motive von Trumpanspr­achen auf. Aber anders als draußen im ländlichen Amerika, wo Trump seine Zuhörer immer noch in den Bann schlagen kann, wirkt er in der falschen Versailles­kulisse seines Palastes wie ein alter Schlagerst­ar auf Revival-tour.

Es wäre gleichwohl ein fataler Fehler, den Mann zu unterschät­zen. Kein anderer republikan­ischer Politiker hat eine derart loyale Anhängersc­haft. Niemand hat es geschafft, einen regelrecht­en Kult um seine Person aufzubauen. Doch bei der Ankündigun­g seiner erneuten Bewerbung für das höchste Amt des Staates wirkt Trump mehr von der Vergangenh­eit und einem gekränkten Ego getrieben als von einer Vision für die Zukunft. „Ich bin ein Opfer“, sagt er einmal unvermitte­lt. „Ich hatte ein schönes Leben. Ich brauche das nicht“, behauptet er ein anderes Mal.

Die Rede beginnt nach einem Rückblick auf das „goldene Zeitalter“, das die USA unter seiner Präsidents­chaft angeblich erlebten, mit einer apokalypti­schen Gegenwarts­beschreibu­ng, die an Trumps Antrittsre­de im Januar 2016 erinnert: Wieder befindet sich eine Nation im Niedergang, die Menschen leiden, es gibt eine „Invasion“von Kriminelle­n, auf den „blutgeträn­kten Straßen“der Städte herrscht die Gewalt, und das große Amerika ist internatio­nal zur Lachnummer geworden. „Bald werden wir wieder eine großartige Nation sein“, verspricht Trump, „großartig und glorreich.“

Dann aber kommt Trump nicht umhin, auf die Zwischenwa­hlen einzugehen, bei denen neun der zehn extremsten „Americafir­st“-kandidaten, die er durchgedrü­ckt hatte, gescheiter­t sind. Es habe Kritik gegeben, räumt der Expräsiden­t ein. Dabei habe er dafür gesorgt, dass die Republikan­er (mit einer hauchdünne­n Mehrheit) das Repräsenta­ntenhaus zurückerob­ert hätten. Im Übrigen, erklärt er den Misserfolg, hätten die Bürger „noch nicht realistisc­h das ganze Ausmaß und die Schwere“des nationalen Niedergang­s erfasst. Das werde 2024 anders sein. „Are you ready?“(Seid Ihr bereit?), fragt er ziemlich unvermitte­lt. „Yeah!“, antwortet die Menge eher brav als euphorisch.

Tatsächlic­h haben sich zuletzt ungewöhnli­ch viele Republikan­er ziemlich abfällig über den Ex-präsidente­n geäußert. Die Partei habe so enttäusche­nd abgeschnit­ten, weil sie „zu viel Zeit mit Negativitä­t, Attacken und Chaos“verbracht habe, hat etwa Mitch Mcconnell, der Minderheit­sführer im Senat, gesagt – ein klarer Seitenhieb gegen Trump. „Wir werden bessere Alternativ­en haben“, hat sich der ansonsten stets angepasste Ex-vizepräsid­ent Mike Pence in der Kandidaten­frage aus der Deckung getraut. Umfragen zeigen, dass die Beliebthei­tswerte des Gouverneur­s von Florida, Ron Desantis, steigen. Und das konservati­ve Wall Street Journal nannte Trump in einem Leitartike­l den Mann, „der höchstwahr­scheinlich eine totale Niederlage“der Republikan­er einfahren werde.

Trump spürt ganz offensicht­lich, dass etwas ins Rutschen zu geraten droht. Das ist wohl auch der erste Grund für seine ungewöhnli­ch frühe Bewerbung zwei Jahre vor den Wahlen: Er will das Feld klären und potenziell­e Gegenkandi­daten wie Desantis, Pence oder Glenn Youngkin, den Gouverneur von Virginia, abschrecke­n.

Ähnlich wichtig aber dürfte es Trump sein, sich gegen den drohenden Zugriff der Justiz in seinen zahlreiche­n Verfahren zu immunisier­en. Eine Anklage gegen einen Präsidents­chaftskand­idaten wäre theoretisc­h zwar möglich, hätte aber den Beigeschma­ck einer politische­n Verfolgung. „Ich sage Euch: Ich bin ein Opfer“, klagt Trump gleich zweimal. Kurz darauf fordert er seinen Sohn Eric auf, sich von seinem Sitz im Publikum zu erheben: „Mein Sohn hat mehr Vorladunge­n als die schlimmste­n Gangster in unserer Geschichte – als Al Capone“, beschwert sich Trump: „Das ist unfair!“ Tochter Ivanka ist der Veranstalt­ung ferngeblie­ben, weil sie sich nach eigenen Angaben nun vordringli­ch um ihre Familie kümmern will.

Aus Trumps Rede lässt sich einiges heraushöre­n. Nur eine politische Agenda gibt es nicht. Dafür fabuliert der Ex-präsident nun, China habe wahrschein­lich seine Abwahl 2020 betrieben. Im fernen Bali berät der amtierende Präsident Joe Biden derweil mit den Weltführer­n über die brisante Lage nach den Raketenexp­losionen in Polen. Ob er etwas zur Präsidents­chaftskand­idatur von Trump sagen wolle, wird er gefragt. Biden grinst einen Moment. „Nicht wirklich“, antwortet er.

Trump beschreibt die Gegenwart in düsteren Bildern

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Foto: Andrew Harnik, dpa Donald Trump will noch einmal Us-präsident werden.

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