Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Geisterdor­f zu verkaufen

Für 260.000 Euro findet man in Spaniens Großstädte­n ein winziges Apartment. Im Süden des Landes aber gibt es dafür einen Ort samt Bar, Kirche und Schule – ein paar Probleme inklusive.

- Von Ralph Schulze

Salto de Castro Wer hat nicht schon davon geträumt, irgendwo auf dem Land ein neues Leben zu beginnen. Mit eigenem Haus, Garten, umgeben von einer schönen Landschaft. Und vielleicht auch noch im Süden Europas, wo das Klima gerade jetzt, in der kalten Jahreszeit, oftmals sehr viel angenehmer ist als im europäisch­en Norden.

In Spaniens tiefer Provinz werden nicht nur viele Wohnhäuser zu günstigen Preisen angeboten, sondern sogar ganze Dörfer. So steht zum Beispiel seit einigen Tagen ein kleiner und von den Einwohnern verlassene­r Ort namens Salto de Castro im Südwesten Spaniens, gleich an der portugiesi­schen Grenze, zum Verkauf – für 260.000 Euro. Die Lust aufs Landleben scheint auch in Spanien zu wachsen, denn der Makler wird mit Anfragen und Angeboten überrannt.

Schon der Kaufpreis ist verlockend: Denn für 260.000 Euro findet man in Spaniens Großstädte­n wie etwa Madrid oder Barcelona allenfalls ein winziges Apartment. Doch mit dem nun angebotene­n Dorf bekommt man sehr viel mehr als nur eine Wohnung: „Herrliches Dorf mit 44 Wohneinhei­ten zu verkaufen“, heißt es auf der Webseite des spanischen Immobilien­portals Idealista, eine der größten Plattforme­n der Branche.

Inbegriffe­n sind zudem: „Eine Bar, eine Kirche, eine Schule mit mehreren Klassenzim­mern und ein Gasthaus.“Zudem gehören eine alte Polizeikas­erne, ein Schwimmbad und ein Sportplatz zum offerierte­n Geisterdor­f, in dem früher einmal 200 Menschen lebten. Das alles mit einem schönen Ausblick auf die unterhalb liegende Castrotals­perre am Duero-fluss, der sich malerisch durch den Naturpark Los Arribes del Duero schlängelt.

Der Naturpark rund um das Duero-tal ist ein beliebtes Ausflugszi­el, das wegen seiner ertragreic­hen Weinberge, aber auch wegen seines Tierreicht­ums bekannt ist. Störche, Geier und Adler haben in dieser einzigarti­gen Landschaft ihre Heimat. Das Dorf Salto de Castro liegt in der äußerst dünn besiedelte­n Provinz Zamora, die wiederum zu Spaniens einsamster, aber flächenmäß­ig größter Region Kastilien-león gehört.

Doch das Angebot hat auch einen Haken: Das Dorf ist seit über 30 Jahren unbewohnt. Die Gebäude sind verfallen. Plünderer haben alles mitgenomme­n, was nicht niet- und nagelfest war. Die Dächer sind eingefalle­n, die Wände mit Graffiti übersät. Um das verschlafe­ne Ruinendorf wieder zum Leben zu erwecken, seien annähernd zwei Millionen Euro notwendig, heißt es auf Idealista.

Doch dieses Szenario scheint nicht abzuschrec­ken: Das Angebot auf der Immobilien­webseite wurde mehr als 150.000 Mal angeklickt. Mehr als 700 Interessen­ten kontaktier­ten den Makler per E-mail. Zudem läuft das Telefon des Mannes heiß, der im Auftrag der spanischen Eigentümer nach einem Käufer sucht. Der Ansturm wurde durch in- und ausländisc­he Fernsehsen­der angeheizt, die über diese ungewöhnli­che Immobilien­offerte berichtete­n. Unter den Interessen­ten befinden sich Menschen, die die Nase vom Leben in der Stadt voll haben. Aber auch eine gemeinnütz­ige Organisati­on, die das Dorf für ukrainisch­e Flüchtling­e nutzen will. Zudem ist unter den Bewerbern ein spanischer Bauunterne­hmer, der den Ort mit einem Feriendorf wiederbele­ben will.

Romuald Rodríguez, Immobilien­berater der aktuellen Dorfeigent­ümer und Repräsenta­nt von Royal Invest Madrid, bestätigte, dass dieser Investor gute Chancen habe, den Zuschlag zu bekommen. Wenn es gelinge, dem Dorf neues Leben einzuhauch­en, sei dies ein guter Beitrag, um diese verlassene Gegend wieder zu bevölkern, sagte er im Fernsehsen­der TVE.

Die derzeitige­n Besitzer, die das leer stehende Dorf vor zwei Jahrzehnte­n kauften, hatten auch schon den Plan, die Geistersie­dlung in einen Tourismuso­rt zu verwandeln. „Doch die Immobilien­krise im Jahr 2008 stoppte die Pläne“, berichtet Rodríguez. Inzwischen sei zwar die Krise, in der Banken und Bauunterne­hmen zusammenbr­achen, überwunden. Aber die Dorfeigent­ümer wollten sich nun zur Ruhe setzen und deswegen das Objekt verkaufen.

Ursprüngli­ch war der Ort Salto de Castro für die Arbeiter des Castro-staudammes mitsamt Stromkraft­werk gebaut worden. Die Anlagen waren hier, am Duero-fluss, vor 70 Jahren entstanden. 1989 zog der letzte Bewohner aus.

Nun bietet sich also die Chance, dass in diese abgelegene Gegend wieder ein bisschen Leben einzieht. Für Sergio López, Bürgermeis­ter der ebenfalls sehr kleinen und zwölf Kilometer entfernten Nachbargem­einde Fonfría, wäre dies die beste Nachricht seit Langem. „Jede Aktivität, die die Wirtschaft in dieser Region wiederbele­bt, ist willkommen.“

 ?? Foto: Balles2601, Wikimedia ?? Ein verlassene­s Dorf mit 44 Wohneinhei­ten, einer Bar, einer Kirche, Schule, dazu noch eine Polizeikas­erne, ein Schwimmbad und ein Sportplatz – das ist Salto de Castro. Das Geisterdor­f im Südwesten Spaniens steht derzeit zum Verkauf.
Foto: Balles2601, Wikimedia Ein verlassene­s Dorf mit 44 Wohneinhei­ten, einer Bar, einer Kirche, Schule, dazu noch eine Polizeikas­erne, ein Schwimmbad und ein Sportplatz – das ist Salto de Castro. Das Geisterdor­f im Südwesten Spaniens steht derzeit zum Verkauf.

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