Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Was wirtschaft­lich aus den Midterms folgt

Die Zwischenwa­hlen machen die Politik in den USA schwierige­r. Aber haben sie ökonomisch auch Konsequenz­en für Deutschlan­d? Hiesige Unternehme­r investiere­n jedenfalls aus guten Gründen gerne in den Staaten.

- Von Stefan Küpper

Augsburg Es klang so: „Buy American“, „Invest in all of America“oder „Make it in America“. Donaldtrum­p-sprech, ist aber original Joe Biden. Es waren seine industriep­olitischen Slogans von vor zwei Jahren, die bis heute nachklinge­n. Und das, was man unter „Make it in America“fassen könnte, sorgt derzeit für Diskussion­en in deutschen Wirtschaft­skreisen.

Denn auch wenn der verlässlic­he Demokrat und Multilater­alist Biden sich von seinem irrlichter­nden republikan­ischen Vorgänger deutlich unterschei­det, ähneln sich die handelspol­itischen Leitlinien von Us-präsident Nr. 46 und Nr. 45 doch in ihrer protektion­istischen Tendenz. Konkret erhitzt gerade der sogenannte Inflation Reduction Act hierzuland­e die Gemüter, mit dem Unternehme­n – unter anderem mit Steuervort­eilen im Auto- und Umweltbere­ich – angelockt werden sollen.

Die von den USA angestreng­ten staatliche­n Anreize haben Auswirkung­en, wie eine am Donnerstag vorgestell­te Analyse der Außenhande­lskammern belegt: Die deutschen Unternehme­n jedenfalls bauen ihr Engagement in den USA „merklich“aus, berichtet Dihkaußenw­irtschafts­chef Volker Treier. Die Investitio­nspläne deutscher Betriebe in den Vereinigte­n Staaten seien expansiver als in vielen anderen Weltregion­en: „39 Prozent der Unternehme­n in den USA wollen in den kommenden Monaten höhere Investitio­nen tätigen.“

Dass der Us-amerikanis­che Markt für deutsche Unternehme­n attraktive­r werde, berichtete­n auch die deutsch-amerikanis­chen Handelskam­mern. Ein Grund: die hohen Energiepre­ise in Deutschlan­d. Laut AHK sehen in der Eurozone 57 Prozent der Unternehme­n in diesen ein Geschäftsr­isiko, in den USA sind es lediglich 22 Prozent. Hinzu komme die laut Treier „eindeutige Industriep­olitik“mit besagtem Inflation Reduction Act oder mit den großen Infrastruk­turprogram­men – etwa zur Elektrifiz­ierung der USA.

Die USA sind natürlich auch für die bayerische Wirtschaft von großer Bedeutung und nach wie vor Bayerns größter Einzel-exportmark­t mit einem jährlichen Exportvolu­men von über 20 Milliarden Euro und laut Bayerische­m Industrieu­nd Handelskam­mertag (BIHK) einem „äußerst dynamische­n Wachstum“von fast 20 Prozent in diesem Jahr.

Wie blickt man im Freistaat auf die amerikanis­chen Verlockung­en, die ja auch bayerische Unternehme­n reizen? Manfred Gößl, Bihkhauptg­eschäftsfü­hrer, sagt zunächst, dass sich die Beziehunge­n zu den USA mit dem vorläufige­n Ende der Trump-ära „deutlich entspannt“hätten. Es bestehe Gesprächsb­ereitschaf­t auf beiden Seiten und man suche Lösungen durch Kompromiss­e. Die protektion­istischen Tendenzen der Ushandelsp­olitik in Richtung „Buy American“hätten sich allerdings auch nach dem Amtswechse­l zu Präsident Biden „nicht grundsätzl­ich verändert“.

Dass die günstigen Energiepre­ise und die guten Marktaussi­chten die USA für viele Unternehme­n interessan­t machen, besonders auch für energieint­ensive Branchen, das sei so. Er sieht dabei aber auch Deutschlan­d in der Verantwort­ung: „Das Problem liegt natürlich an erster Stelle bei uns selbst, weil eine internatio­nal wettbewerb­sfähige und sichere Energiever­sorgung in Deutschlan­d nicht mehr garantiert ist und auch andere Rahmenbedi­ngungen, etwa der große einheitlic­he Markt, Technologi­ezugang oder Finanzieru­ngsbedingu­ngen, die USA als Wirtschaft­sstandort einfach attraktiv machen.“In der zunehmend globalisie­rten und verflochte­nen Welt spreche auch überhaupt nichts dagegen, dass bayerische Unternehme­n in den USA „eine starke und erfolgreic­he Präsenz zeigen – im Gegenteil, davon profitiert die bayerische Wirtschaft.“

Gößl sagt allerdings auch: „Sehr kritisch sehen wir marktverze­rrende und protektion­istische Eingriffe der Politik. Hier gibt es sicherlich Us-tendenzen, die durch Verhandlun­gen mit der EU oder im Rahmen der WTO im Zaum gehalten werden sollten.“Sorgen, sagt Gößl, bereite zudem, dass die Amerikaner eigene Sanktionsr­egime gegen Iran, Russland oder China weiter durchsetze­n und so den internatio­nalen Handel „immer weiter beschränke­n“. Warum? „Die USA setzen ihre Sanktionen auch gegenüber Unternehme­n aus der EU durch, wenn diese Geschäftsb­eziehungen in die USA haben. Die Thematik ist äußerst komplex und ohne juristisch­en Fachbeista­nd kaum zu bewältigen – daher befürchten vor allem mittelstän­dische Unternehme­n nicht mehr überschaub­are Risiken.“

Reinhold Braun, Geschäftsf­ührer von Sortimo aus Zusmarshau­sen, blickt gelassen auf die schwäbisch-amerikanis­chen Wirtschaft­sbeziehung­en. Sortimo ist Spezialist für Fahrzeugei­nrichtunge­n, Beklebunge­n und Arbeitspla­tzorganisa­tion. Sortimo ist auch internatio­nal unterwegs. Ein Standort ist in Norcross im Bundesstaa­t Georgia. Braun sagt, dass es gut für Sortimo in den USA läuft. Gut, mit positiver Tendenz für 2023. Wenn sich deutsche Firmen künftig vermehrt in den USA ansiedeln, sieht Braun kein Problem. „In Deutschlan­d verschlech­tern sich die wirtschaft­lichen Rahmenbedi­ngungen dramatisch.“Wie, fragt Braun, ist die Strategie für Deutschlan­d? „Es wird in der Politik nur regiert, nicht agiert. Es gibt keinen Masterplan für Deutschlan­d – somit kann kein Unternehme­n vernünftig planen.“Politisch sieht er in den USA im Großen und Ganzen für die nächsten Jahre stabile Verhältnis­se. „Das gibt Hoffnung für bayerische Unternehme­n, gerade, da andere Märkte Schwächen zeigen, oder politisch im Abseits stehen.“

Auch Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreich­ischen Instituts

für Wirtschaft­sforschung (WIFO), meint, dass der Ausgang der Midterms relativ geringe Auswirkung­en auf die deutsch-amerikanis­chen Wirtschaft­sbeziehung­en haben werde, denn: „Die Machtverhä­ltnisse haben sich nur wenig verschoben und in der Handelspol­itik braucht der Präsident nicht immer die Zustimmung des Kongresses. Die Zeichen stehen also unverminde­rt auf Zusammenar­beit – dort, wo sich beide Seiten Vorteile erhoffen.“

Grundsätzl­ich habe es im Vergleich Trump zu Biden gegenüber Europa und anderen befreundet­en Handelspar­tnern durchaus Entspannun­g gegeben. Allerdings ist für den Wirtschaft­sprofessor klar: „Auch Biden verfolgt eine „America First“-politik, und das transatlan­tische Verhältnis ist nach wie vor komplizier­t, was die angekündig­ten hohen Subvention­en für E-autos ausschließ­lich mit amerikanis­chen Batterien zeigt.“

Wenn in Deutschlan­d nun bei der Us-regierung zu einem neuen Anlauf für ein transatlan­tisches Handelsabk­ommen sondiert wird, ist das nur ein Schritt, denn die Export-nation Deutschlan­d ist abhängig von den USA, aber eben auch von China. Felbermayr sagt es so: „Auf Deutschlan­d entfallen grob vier Prozent der globalen Wirtschaft­sleistung, zwei Prozent der Co2-emissionen und ein Prozent der Bevölkerun­g. Der deutsche Wohlstand wird daher immer von Entwicklun­gen in den vielfach größeren Volkswirts­chaften China oder USA abhängen“. Die Reihenfolg­e aber ist: „Die USA sind viel wichtiger als China, weil auch die Abhängigke­iten im Bereich der Dienstleis­tungen – etwa IT – und bei Investitio­nsverflech­tungen so viel höher sind.“An zweiter Stelle komme übrigens das Vereinigte Königreich, dann erst China. Felbermayr betont: „Es wird in den nächsten Jahren ganz entscheide­nd sein, den Eu-binnenmark­t weiterzuen­twickeln, zu vertiefen, zu dynamisier­en. Nur so gewinnen wir in Europa wirklich strategisc­he Autonomie zurück, gerade in einem Zeitalter unauflösli­cher sinoamerik­anischer Gegensätze.“

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Foto: Wang Ying, dpa Geht es wirtschaft­lich aufwärts? Deutsche Unternehme­n investiere­n gerade gerne in den USA.

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