Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Was wirtschaftlich aus den Midterms folgt
Die Zwischenwahlen machen die Politik in den USA schwieriger. Aber haben sie ökonomisch auch Konsequenzen für Deutschland? Hiesige Unternehmer investieren jedenfalls aus guten Gründen gerne in den Staaten.
Augsburg Es klang so: „Buy American“, „Invest in all of America“oder „Make it in America“. Donaldtrump-sprech, ist aber original Joe Biden. Es waren seine industriepolitischen Slogans von vor zwei Jahren, die bis heute nachklingen. Und das, was man unter „Make it in America“fassen könnte, sorgt derzeit für Diskussionen in deutschen Wirtschaftskreisen.
Denn auch wenn der verlässliche Demokrat und Multilateralist Biden sich von seinem irrlichternden republikanischen Vorgänger deutlich unterscheidet, ähneln sich die handelspolitischen Leitlinien von Us-präsident Nr. 46 und Nr. 45 doch in ihrer protektionistischen Tendenz. Konkret erhitzt gerade der sogenannte Inflation Reduction Act hierzulande die Gemüter, mit dem Unternehmen – unter anderem mit Steuervorteilen im Auto- und Umweltbereich – angelockt werden sollen.
Die von den USA angestrengten staatlichen Anreize haben Auswirkungen, wie eine am Donnerstag vorgestellte Analyse der Außenhandelskammern belegt: Die deutschen Unternehmen jedenfalls bauen ihr Engagement in den USA „merklich“aus, berichtet Dihkaußenwirtschaftschef Volker Treier. Die Investitionspläne deutscher Betriebe in den Vereinigten Staaten seien expansiver als in vielen anderen Weltregionen: „39 Prozent der Unternehmen in den USA wollen in den kommenden Monaten höhere Investitionen tätigen.“
Dass der Us-amerikanische Markt für deutsche Unternehmen attraktiver werde, berichteten auch die deutsch-amerikanischen Handelskammern. Ein Grund: die hohen Energiepreise in Deutschland. Laut AHK sehen in der Eurozone 57 Prozent der Unternehmen in diesen ein Geschäftsrisiko, in den USA sind es lediglich 22 Prozent. Hinzu komme die laut Treier „eindeutige Industriepolitik“mit besagtem Inflation Reduction Act oder mit den großen Infrastrukturprogrammen – etwa zur Elektrifizierung der USA.
Die USA sind natürlich auch für die bayerische Wirtschaft von großer Bedeutung und nach wie vor Bayerns größter Einzel-exportmarkt mit einem jährlichen Exportvolumen von über 20 Milliarden Euro und laut Bayerischem Industrieund Handelskammertag (BIHK) einem „äußerst dynamischen Wachstum“von fast 20 Prozent in diesem Jahr.
Wie blickt man im Freistaat auf die amerikanischen Verlockungen, die ja auch bayerische Unternehmen reizen? Manfred Gößl, Bihkhauptgeschäftsführer, sagt zunächst, dass sich die Beziehungen zu den USA mit dem vorläufigen Ende der Trump-ära „deutlich entspannt“hätten. Es bestehe Gesprächsbereitschaft auf beiden Seiten und man suche Lösungen durch Kompromisse. Die protektionistischen Tendenzen der Ushandelspolitik in Richtung „Buy American“hätten sich allerdings auch nach dem Amtswechsel zu Präsident Biden „nicht grundsätzlich verändert“.
Dass die günstigen Energiepreise und die guten Marktaussichten die USA für viele Unternehmen interessant machen, besonders auch für energieintensive Branchen, das sei so. Er sieht dabei aber auch Deutschland in der Verantwortung: „Das Problem liegt natürlich an erster Stelle bei uns selbst, weil eine international wettbewerbsfähige und sichere Energieversorgung in Deutschland nicht mehr garantiert ist und auch andere Rahmenbedingungen, etwa der große einheitliche Markt, Technologiezugang oder Finanzierungsbedingungen, die USA als Wirtschaftsstandort einfach attraktiv machen.“In der zunehmend globalisierten und verflochtenen Welt spreche auch überhaupt nichts dagegen, dass bayerische Unternehmen in den USA „eine starke und erfolgreiche Präsenz zeigen – im Gegenteil, davon profitiert die bayerische Wirtschaft.“
Gößl sagt allerdings auch: „Sehr kritisch sehen wir marktverzerrende und protektionistische Eingriffe der Politik. Hier gibt es sicherlich Us-tendenzen, die durch Verhandlungen mit der EU oder im Rahmen der WTO im Zaum gehalten werden sollten.“Sorgen, sagt Gößl, bereite zudem, dass die Amerikaner eigene Sanktionsregime gegen Iran, Russland oder China weiter durchsetzen und so den internationalen Handel „immer weiter beschränken“. Warum? „Die USA setzen ihre Sanktionen auch gegenüber Unternehmen aus der EU durch, wenn diese Geschäftsbeziehungen in die USA haben. Die Thematik ist äußerst komplex und ohne juristischen Fachbeistand kaum zu bewältigen – daher befürchten vor allem mittelständische Unternehmen nicht mehr überschaubare Risiken.“
Reinhold Braun, Geschäftsführer von Sortimo aus Zusmarshausen, blickt gelassen auf die schwäbisch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen. Sortimo ist Spezialist für Fahrzeugeinrichtungen, Beklebungen und Arbeitsplatzorganisation. Sortimo ist auch international unterwegs. Ein Standort ist in Norcross im Bundesstaat Georgia. Braun sagt, dass es gut für Sortimo in den USA läuft. Gut, mit positiver Tendenz für 2023. Wenn sich deutsche Firmen künftig vermehrt in den USA ansiedeln, sieht Braun kein Problem. „In Deutschland verschlechtern sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dramatisch.“Wie, fragt Braun, ist die Strategie für Deutschland? „Es wird in der Politik nur regiert, nicht agiert. Es gibt keinen Masterplan für Deutschland – somit kann kein Unternehmen vernünftig planen.“Politisch sieht er in den USA im Großen und Ganzen für die nächsten Jahre stabile Verhältnisse. „Das gibt Hoffnung für bayerische Unternehmen, gerade, da andere Märkte Schwächen zeigen, oder politisch im Abseits stehen.“
Auch Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Instituts
für Wirtschaftsforschung (WIFO), meint, dass der Ausgang der Midterms relativ geringe Auswirkungen auf die deutsch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen haben werde, denn: „Die Machtverhältnisse haben sich nur wenig verschoben und in der Handelspolitik braucht der Präsident nicht immer die Zustimmung des Kongresses. Die Zeichen stehen also unvermindert auf Zusammenarbeit – dort, wo sich beide Seiten Vorteile erhoffen.“
Grundsätzlich habe es im Vergleich Trump zu Biden gegenüber Europa und anderen befreundeten Handelspartnern durchaus Entspannung gegeben. Allerdings ist für den Wirtschaftsprofessor klar: „Auch Biden verfolgt eine „America First“-politik, und das transatlantische Verhältnis ist nach wie vor kompliziert, was die angekündigten hohen Subventionen für E-autos ausschließlich mit amerikanischen Batterien zeigt.“
Wenn in Deutschland nun bei der Us-regierung zu einem neuen Anlauf für ein transatlantisches Handelsabkommen sondiert wird, ist das nur ein Schritt, denn die Export-nation Deutschland ist abhängig von den USA, aber eben auch von China. Felbermayr sagt es so: „Auf Deutschland entfallen grob vier Prozent der globalen Wirtschaftsleistung, zwei Prozent der Co2-emissionen und ein Prozent der Bevölkerung. Der deutsche Wohlstand wird daher immer von Entwicklungen in den vielfach größeren Volkswirtschaften China oder USA abhängen“. Die Reihenfolge aber ist: „Die USA sind viel wichtiger als China, weil auch die Abhängigkeiten im Bereich der Dienstleistungen – etwa IT – und bei Investitionsverflechtungen so viel höher sind.“An zweiter Stelle komme übrigens das Vereinigte Königreich, dann erst China. Felbermayr betont: „Es wird in den nächsten Jahren ganz entscheidend sein, den Eu-binnenmarkt weiterzuentwickeln, zu vertiefen, zu dynamisieren. Nur so gewinnen wir in Europa wirklich strategische Autonomie zurück, gerade in einem Zeitalter unauflöslicher sinoamerikanischer Gegensätze.“