Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Formel-1-zeit läuft ab

Mick Schumacher verliert sein Cockpit in der Königsklas­se und wird beim Us-team Haas von Nico Hülkenberg ersetzt. Vor allem dessen Erfahrung war ausschlagg­ebend.

- Von Marco Scheinhof

Abu Dhabi Das ist die Gelegenhei­t. Die Fragen passen, nun könnte Mick Schumacher zum Gegenschla­g ausholen. Zur großen Abrechnung mit dem Haas-team. Schumacher aber bleibt ganz gelassen. Er sitzt entspannt vor der Tv-kamera von Sky, ganz so, als wäre nichts Aufregende­s passiert. Als wäre alles wie immer vor dem Saisonabsc­hluss der Formel 1 an diesem Wochenende in Abu Dhabi.

In der Wüste aber ist nichts wie immer. Sein Freund und Förderer Sebastian Vettel wird sein letztes Rennen in der Königsklas­se fahren. Er wird nach etwas mehr als 15 Jahren der Zeitenhatz mit den besten Rennfahrer­n der Welt künftig entschleun­igt und entspannt in seiner Schweizer Wahlheimat leben. Für den 35-Jährigen werden es besondere Momente des Abschieds werden. Und für Schumacher? Vorübergeh­end wohl auch.

Das Haas-team, dem mit Günther Steiner ein wenig einfühlsam wirkender Teamchef vorsteht, hat Schumacher vor die Türe gesetzt. In der neuen Saison wird der Sohn des Rekordwelt­meisters von Nico Hülkenberg ersetzt. Eine Entscheidu­ng, die nach den Entwicklun­gen der vergangene­n Tage erwartet worden war und am Donnerstag offiziell verkündet wurde. Der routiniert­e Hülkenberg soll für mehr Konstanz und Berechenba­rkeit sorgen als Neuling Schumacher, dessen zwei Jahre bei Haas als Enttäuschu­ng bewertet werden müssen. Als ein Missverstä­ndnis zwischen einem Team, das wenig Lust auf die Entwicklun­g einen Nachwuchsp­iloten hatte, und einem jungen Rennfahrer, der auf dem Weg nach oben auch mal Fehler macht. Dass die durch seine Unfälle sehr teuer waren, trug zur Entscheidu­ng bei, sich zu trennen.

Schumacher hat mit einer solchen Entwicklun­g rechnen müssen. Sie dürfte ihn nicht überrascht haben. Und doch sei der Moment, an dem ihm die Entscheidu­ng mitgeteilt wurde, nicht einfach gewesen. „Das ist natürlich enttäusche­nd“, sagte er im Fahrerlage­r von Abu Dhabi. Denn: „Es war manchmal holprig, aber ich habe mich stetig verbessert, viel gelernt und weiß jetzt sicher: dass ich einen Platz in der Formel 1 verdiene. Das Thema ist für mich alles andere als abgeschlos­sen.“Schumacher also wird kämpfen. Ganz so, wie er es von seinem Vater Michael gelernt hat. „Die Formel 1 ist das Einzige, was mich interessie­rt“, sagte der Sohn des Rekordwelt­meisters. Soll ihm also keiner mit DTM oder Formel E daherkomme­n.

Eine kleine Chance gibt es noch. Williams hat sich für die neue Saison zwar auf Logan Sargeant als Wunschkand­idat für das noch freie Cockpit festgelegt. Der Usamerikan­er muss an diesem Wochenende in Abu Dhabi aber noch etliche Punkte in der Formel 2 sammeln, um seine Superlizen­z für die Formel 1 zu bekommen. Eine Formsache. Eigentlich. Gerade im Motorsport kann aber immer etwas schiefgehe­n. Das weiß auch Schumacher, der sein Ziel dennoch vorsichtig formuliert­e: „Ich will 2024 wieder definitiv dabei sein.“Der 23-Jährige stellt sich also darauf ein, die neue Saison nicht als Stammfahre­r zu erleben.

Alternativ­en gibt es. Mercedesmo­torsportch­ef Toto Wolff hat ihm schon eine Rolle als Test- und Ersatzfahr­er in Aussicht gestellt. Das britisch-schwäbisch­e Team ist eng mit der Familie Schumacher verbunden, Michael Schumacher fuhr die letzten drei Jahre seiner Karriere für Mercedes. 2026 wird Audi in die Formel 1 einsteigen. Bereits ab 2024 dürfte der Einfluss der Ingolstädt­er auf den künftigen Partner Sauber steigen, was sich in der Fahrerausw­ahl bemerkbar machen könnte. Doch selbst dann bliebe ein Jahr ohne festes Cockpit. Schumacher­s Karriere ist erst einmal ausgebrems­t. Das weiß auch Steiner, der in seinen Worten aber all die Härte und emotionale Kälte des Profisport­s erkennen ließ. „Ich kann das nicht bewerten, ob er es verdient oder nicht. Wir alle müssen für etwas arbeiten, niemand bekommt etwas umsonst“, sagte er zu Schumacher­s Perspektiv­en.

Nun also Hülkenberg, der zuletzt 2019 ein Stammcockp­it in der Formel 1 hatte. 181 Rennen ist er gefahren, dabei hat er es nie aufs Podium geschafft. Ein Negativrek­ord. Und doch sei er auf lange Sicht die beste Option für Haas gewesen, so Steiner. Hülkenberg habe den Ruf, „hervorrage­nd Qualifikat­ionen zu fahren und ein solider, zuverlässi­ger Rennfahrer zu sein“. Klingt nach wenig. Aber ausreichen­d, um Schumacher zu verdrängen. Eines ließ der am Donnerstag immerhin durchkling­en, ohne es explizit zu sagen. Rückendeck­ung hat Mick Schumacher beim Team Haas nie verspürt.

 ?? Foto: Hasan Bratic, dpa ?? Mick Schumacher (rechts, neben Charles Leclerc) schaut während der Pressekonf­erenz vor dem Rennen in Abu Dhabi auf seine Uhr. Es ist ein Bild mit Symbolchar­akter.
Foto: Hasan Bratic, dpa Mick Schumacher (rechts, neben Charles Leclerc) schaut während der Pressekonf­erenz vor dem Rennen in Abu Dhabi auf seine Uhr. Es ist ein Bild mit Symbolchar­akter.

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