Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ab jetzt regiert die Konfrontat­ion

Republikan­er nehmen einmal mehr Präsidente­nsohn Hunter Biden ins Visier.

- Von Karl Doemens

Washington Es war ein historisch­er Moment, als Nancy Pelosi am Donnerstag um 12 Uhr mittags den ehrwürdige­n Plenarsaal des amerikanis­chen Repräsenta­ntenhauses betrat. Angeblich hatte die 82-Jährige zwei Versionen ihrer Rede vorbereite­t. Niemand konnte deshalb sicher sein, was sie erklären würde. Der machtvolle­n Demokraten-politikeri­n, die 2007 als erste Frau zur Parlaments­sprecherin gewählt worden war und seit zwei Jahrzehnte­n die Geschicke ihrer Fraktion bestimmt, war es gelungen, auch ihren Abgang perfekt zu kontrollie­ren.

Doch als Pelosi im weißen Hosenanzug – eine Anspielung auf die Suffragett­en, die Anfang des 20. Jahrhunder­ts in den USA für das Frauenwahl­recht kämpften – ans Rednerpult trat, waren die Reihen der Republikan­er weitgehend leer. Deren Anführer Kevin Mccarthy, der neuer Parlaments­chef werden könnte, fehlte ebenso wie viele Kollegen. Die demonstrat­ive Missachtun­g von parlamenta­rischen Gepflogenh­eiten vermittelt einen Vorgeschma­ck auf das, was dem Kongress in den kommenden zwei Jahren bevorsteht. Im Repräsenta­ntenhaus haben künftig die Republikan­er mit knappem Vorsprung das Sagen. Der Senat bleibt hingegen in der Hand der Demokraten. Die Republikan­er zeigen weder an einer parteiüber­greifenden Zusammenar­beit noch an konstrukti­ven Gesetzesvo­rhaben ein erkennbare­s Interesse.

Die Republikan­er kündigten stattdesse­n eine Untersuchu­ng der wirtschaft­lichen Aktivitäte­n von Hunter Biden, Sohn von Präsident Joe Biden, vor allem in der Ukraine und in China an. Prozesse gegen Angehörige der Biden-familie könnten die republikan­ische Basis mobilisier­en und tiefe Risse innerhalb der Fraktion übertünche­n. Dort gibt es erhebliche Flügelkämp­fe. Mccarthy ist von seinen Leuten zwar mit klarer Mehrheit für den Posten des Repräsenta­ntenhaus-sprechers nominiert worden. Doch bei der Wahl am 3. Januar kann er sich nicht einmal eine Handvoll Abweichler erlauben. „Wir werden die desaströse Bidenpolit­ik stoppen“, versprach er. Als wichtigste­n bisherigen Erfolg verkündete er triumphier­end: „Wir haben Nancy Pelosi gefeuert.“Tatsächlic­h fällt der Posten des Parlaments­sprechers mit dem Mehrheitsw­echsel automatisc­h an die Republikan­er.

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