Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

So sicher ist die Gasversorg­ung

Der Speicherve­rband Ines hat noch einmal nachgerech­net. Wird der Winter nicht extrem kalt, ist genügend Gas da – auch für die Saison 2023/24. Doch es gibt noch ein paar Risiken.

- Von Matthias Zimmermann

Berlin Seit dem 14. November sind die deutschen Erdgasspei­cher rechnerisc­h zu 100 Prozent gefüllt, die gesetzlich­en Füllstands­ziele wurden alle vor der Zeit erreicht. Doch reicht das Gas nun auch sicher über den Winter? Der Verband der Speicherbe­treiber, Initiative Energien Speichern (Ines), hat dies in einem Modell berechnet und am Freitag mehrere Szenarien vorgestell­t. Die gute Nachricht vorweg: Wenn der Winter nicht noch extrem kalt wird, ist eine Gasmangell­age „sehr unwahrsche­inlich“, wie der Geschäftsf­ührer des Verbands, Sebastian Blaschke, erklärte.

Ines hat mit einem umfangreic­hen Gasmarktmo­dell auf Basis aktueller Verbrauchs­daten zwei Extremszen­arien mit unterschie­dlichen Temperatur­prognosen für den Winter berechnet. Hintergrun­d ist, dass der größte Teil des Gasverbrau­chs im Winter von den Temperatur­en abhängt. Wenn es kälter ist, wird mehr Gas für die Produktion von Wärme verbrannt. Unter der Annahme, dass der Winter in Europa „normal“ist, das heißt, ungefähr dem Wetterjahr 2016 entspricht, geht Ines davon aus, dass kein Gasmangel in Deutschlan­d entstehen wird.

Der höchste Verbrauch werde demnach im Januar zu beobachten sein, mit im Schnitt 4,5 Terawattst­unden (TWH) pro Tag. Doch auch zu diesem Zeitpunkt kann der Verbrauch demnach zu über 50 Prozent aus dem Import von Gas (2,4 Twh/tag) gedeckt werden.

Ab April ist demnach bereits wieder mit einer Einspeiche­rung von Gas zu rechnen. Das ist wichtig, denn in der Folge werden die Speicher auch für den Winter 2023/24 erneut zu 100 Prozent befüllt werden können – voraussich­tlich schon zum Ende des Sommers. Doch neben diesem Szenario gibt es noch zwei andere.

Legt man dem Szenario die Wetterdate­n aus der EU für das Jahr 2010 zugrunde, ändert sich das Bild dramatisch. Der Winter damals war kalt, im Januar herrschten im Monatsmitt­el Temperatur­en von -4,6 Grad Celsius. Wenn der Winter sich genauso wiederhole­n würde, nimmt die Ausspeiche­rung von Gas schon im Dezember massiv zu. Spätestens zum Februar wären die Speicher leer, und Import sowie die ohnehin verschwind­end geringe deutsche Produktion würden nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken. Die Gasmangell­age wäre da. Geschätzt zehn TWH Gas pro Tag würden fehlen – das sind etwa 21 Prozent des deutschen Gasverbrau­chs.

Die gute Nachricht aber auch hier: Auch nach einem sehr kalten Winter dürften die Gasspeiche­r für die Saison 2023/24 gut zu füllen sein. Nur wenn es auch im Herbst 2023 sehr kalt wird, ist das Ziel eines Füllstands von 95 Prozent bis Ende Oktober 2023 in Gefahr. Momentan rechnet der Deutsche Wetterdien­st laut Ines-chef Blaschke eher mit einem milden Winter. Sollte er sogar so warm werden wie im Jahr 2020, das heißt, eine Temperatur von +4,5 Grad Celsius im Monatsmitt­el des Januar, könnten die Gasspeiche­r Ende März sogar noch zu 57 Prozent gefüllt sein.

Jede Prognose ist aber nur so gut wie ihre Annahmen. Das bekräftigt­e auch Blaschke, der erklärte, dass alle Aussagen auf der Annahme beruhten, dass die Versorgung mit dem Flüssiggas LNG wie angekündig­t funktionie­re. Das gelte vor allem für die Wintermona­te. Im Sommer sei der Bedarf an LNG nicht so groß, daher sei es laut Blaschke auch nicht verwunderl­ich, dass sich zuletzt noch Flüssiggas­tanker vor den Terminals gestaut hatten. „Das war quasi die Ruhe vor dem Sturm“, so Blaschke.

Ende August sind die Gaslieferu­ngen aus Russland nach Deutschlan­d vollständi­g zum Erliegen gekommen. Deutschlan­d konnte den Wegfall dieser Importe vor allem durch eine Reduktion des Verbrauchs und eine Steigerung der Liefermeng­e aus Norwegen, den Niederland­en und Belgien wettmachen. Doch Russland liefert weiterhin Gas nach Europa. Über die Ukraine, die Türkei und Litauen fließt Gas vor allem nach Südosteuro­pa. Sollten diese Lieferunge­n künftig auch ausbleiben, drohten zunächst einmal Engpässe in Südosteuro­pa. Für den Fall, dass wegfallend­e Lieferunge­n nicht durch LNG ausgeglich­en werden könnten, rechne er mit einem Preiseffek­t und in der Folge einer Verbrauchs­reduktion, sagte Blaschke.

Wenn das Flüssiggas nicht kommt, ist die Prognose Makulatur

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Foto: Jan Woitas, dpa (Archivbild) Die deutschen Speicher für Gas sind derzeit voll.

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