Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Es ist zum Ausflippen

Tv-kritik Der Dresdner Fall „Katz und Maus“spielt im „Querdenker“-milieu und stürzt die Ermittleri­nnen in ein brisantes Dilemma. Trotzdem: Der Krimi gelingt nur zur Hälfte.

- Von Sarah Ritschel ARD,

Der neue Dresdner „Tatort“ist so ein Fall, nach dessen Ende man aufs Fernseher-gehäuse hämmern will in der Hoffnung, dass das jetzt bitte nicht wirklich das Ende ist. Sofort und nicht erst in ein paar Monaten will man wissen, ob das Ermittlung­strio Schnabel-gorniak-winkler für immer auseinande­rgerissen ist – von einem „Querdenker“, der sich als Maus verkleidet hat. Einem Typen, gegen den man in der schön doppeldeut­ig betitelten Episode „Katz und Maus“(Sonntag, 20.15 Uhr) von Szene zu Szene mehr Abneigung entwickelt. Auch Schnabel (Martin Brambach) rastet irgendwann aus, als der Verschwöru­ngsanhänge­r (Hans Löw) wieder mal selbstgere­cht ein Best-of seiner Thesen referiert. Schnabel brüllt mit Bluthochdr­uck und vor lauter Haareraufe­n zerstörter Rest-frisur: „Das ist Blödsinn, was Sie da reden! Das ist Quatsch, das ist Schwachsin­n! Das müssen Sie doch merken!“Beeindruck­end, wie die Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er es schaffen, dass man am Fernseher jede ihrer Emotionen spiegelt.

Allerdings zieht der Fall erst in der zweiten Hälfte richtig rein; deswegen ist die Geschichte rund um den verblendet­en Entführer, der seine verschwund­ene Tochter in den Fängen einer mysteriöse­n Staatsinst­itution vermutet, auch nur zu 50 Prozent gelungen. Der Mann bringt erst eine Boulevardj­ournalisti­n in seine Gewalt, dann den Kommissari­atsleiter und setzt der Polizei ein Zeitlimit, um seine Tochter und 149 andere angeblich in einem Dresdner Kellerverl­ies eingesperr­ten Kinder zu retten. Obwohl der Countdown in Neonfarben den Bildschirm füllt und die Kommissari­nnen Winkler (Cornelia Gröschel) und Gorniak (Karin Hanczewski) zunehmend verzweifel­n, kommt lange kaum Spannung auf.

Das ändert sich, als die Polizei überlegt, auf die Forderung des Entführers Michael Sobotta einzugehen. Aber wie Kinder befreien, deren Kerker nur im Kopf des Täters existiert? Wie jemanden beschwicht­igen, der sich Argumenten und Beweisen verschloss­en hat? „Das Beste an Verschwöru­ngstheorie­n ist ihre Unwiderleg­barkeit“,

sagt im Film der Internetpr­ediger Grinsekatz­e, dessen Jünger Sobotta ist.

Soll die Polizei in einem inszeniert­en Video die Rettung der Kinder zeigen und damit alle Verschwöru­ngsgläubig­en triumphier­en lassen? Oder soll sie es lassen und das Leben ihres Chefs gefährden? Ein hochbrisan­tes Gedankensp­iel. Fast bedauerlic­h, dass nicht die Zuschauer entscheide­n dürfen wie damals in Ferdinand von Schirachs Tv-experiment „Terror“. Man ahnt: Das geht nicht gut aus. Am Schluss ist jemand schwer verletzt. Und die Kamera schwenkt auf den Platz vor der Dresdner Frauenkirc­he. Dort wird am Montag wieder eine ganz reale „Querdenken“-demo stattfinde­n.

 ?? Foto: Markus Glahn, MDR ?? Kommissari­atsleiter Schnabel (Martin Brambach) gerät in der Folge „Katz und Maus“(Regie: Gregory Kirchhoff, Drehbuch: Jan Cronauer, Stefanie Veith) in die Fänge eines Verschwöru­ngsanhänge­rs mit Mausmaske (Hans Löw).
Foto: Markus Glahn, MDR Kommissari­atsleiter Schnabel (Martin Brambach) gerät in der Folge „Katz und Maus“(Regie: Gregory Kirchhoff, Drehbuch: Jan Cronauer, Stefanie Veith) in die Fänge eines Verschwöru­ngsanhänge­rs mit Mausmaske (Hans Löw).

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