Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wie und wo Frauen und ihre Partner Hilfe erfahren
Die Geburtskliniken haben ein umfangreiches Angebot für die Betroffenen. Roman Steierl, Chefarzt am Josefinum, sagt, wie Eltern von einem Kind Abschied nehmen können.
Die Klinik Josefinum im Augsburger Stadtteil Oberhausen zählt zu den größten Geburtskliniken Bayerns. Das Team um Chefarzt Dr. Roman Steierl wird aber nicht nur mit freudigen Ereignissen, sondern auch mit Trauer und Schmerz konfrontiert. Der Mediziner weiß, wie belastend für die betroffenen Frauen und auch ihre Partner der Verlust ihres Kindes durch eine Fehl- oder Totgeburt sein kann. Mit seiner Hilfe beantworten wir Fragen rund ums Thema.
Viele Frauen werden von Schuldgefühlen geplagt, wenn sie ihr Kind verloren haben. Was sind die Hauptursachen für einen Abort?
Die häufigste Ursache für Frühaborte im ersten Schwangerschaftsdrittel sind sogenannte numerische Chromosomenabweichungen. Als seltenere Ursachen nennt Steierl Anomalien der Gebärmutter, Infektionen, Stoffwechselstörungen, endokrinologische, immunologische oder genetische Ursachen der Eltern.
Wie kann Frauen und ihren Partnern nach einer Fehl- beziehungsweise Totgeburt beigestanden werden?
Bei frühen Fehlgeburten ist die
Trauer der Betroffenen nach Kenntnis von Roman Steierl im Einzelfall sehr stark und eine intensive Trauerbegleitung wird notwendig, bei deren Vermittlung geholfen wird. Bei späten Fehlgeburten sowie bei terminnahen Totgeburten bietet das Josefinum zusätzlich auch an, den „Sternenkinderfotograf“zeitnah nach der Geburt mit einzubeziehen oder Fußabdrücke des Fötus anzufertigen. Zudem wird jeder Patientin angeboten, sich vom Team der Klinikseelsorge betreuen zu lassen. Auf Wunsch der Betroffenen wird darüber hinaus Kontakt zu Nachbetreuungsangeboten hergestellt. Es gibt auch kleinen Trostengelchen oder Trost-bärchen, die von verschiedenen Initiativen für die Frauen angefertigt werden.
Auf welche Weise können die Familien Abschied nehmen?
Die Klinik ermöglicht im hauseigenen Abschiedsraum Verabschiedungen im Kreis der näheren Angehörigen. Steierl weist auch auf die Zur-ruhe-bettungsfeiern der kleinsten, unter 500 Gramm schweren Sternenkinder hin. Diese bieten Josefinum und Uniklinik, wo betroffene Frauen ebenfalls medizinisch versorgt sowie betreut werden, drei Mal jährlich gemeinsam auf einem Augsburger Friedhof an. Der Embryo beziehungsweise Fötus werde immer zur Ruhe gebettet, unabhängig vom Zeitpunkt der Fehlgeburt während der Schwangerschaft und unabhängig davon, ob die Angehörigen darauf Wert legen. Darüber hinaus findet jährlich am zweiten
Sonntag im Dezember zum Weltgedenktag aller verstorbenen Kinder eine Feier um 14 Uhr in der Klinikkapelle des Josefinums statt.
Wie stehen die Chancen, dass es nach einer Fehlgeburt beim nächsten Mal klappt und die Frau ihr Kind austragen kann?
Trotz einer erlittenen Fehlgeburt müsse in aller Regel kein weiterer Spontanabort befürchtet werden, sagt Steierl. So sei die Wahrscheinlichkeit einer nachfolgend unauffälligen Schwangerschaft viel höher als eine weitere Fehlgeburt. Die Fachleute halten es jedoch aus medizinischen Gründen für ratsam, nach einer Fehlgeburt mindestens drei Monate bis zu einer erneuten Schwangerschaft abzuwarten.