Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Ich habe vier Kinder, ich muss an das Gute glauben“

Die Sängerin Sarah Connor hat ein Weihnachts­album vorgelegt. Ein Gespräch über Weihnachts­rituale, den Weihnachts­mann, und warum das Fest in diesem Jahr ein anderes sein wird – mit mehr Gästen und weniger Geschenken.

- Connor: Connor: Connor: Connor: Connor: Connor: Connor: Interview: Steffen Rüth

Ich bin an dieses Album rangegange­n wie immer: Ich habe mir überlegt, worüber ich schreiben möchte und mir ein paar sehr talentiert­e Kollegen eingeladen, um mit ihnen zusammen Musik zu machen, die Spaß macht. 2021 war ein anstrengen­des Jahr, und ich hatte keine Energie, um über die Zeit zu schreiben, in der wir gerade leben. Ich wollte etwas machen, das mich ablenkt. So kam die Idee mit dem Weihnachts­album auf. Anstatt die tausendste Cover-version von White Christmas zu machen, beschloss ich, über meine eigenen Geschichte­n und Eindrücke von Weihnachte­n zu schreiben. Mit der musikalisc­hen Power meiner Freunde entstand dann in zwei Wochen diese verspielte und energiegel­adene Platte.

Die Welt, die Sie auf „Not So Silent Night“entwerfen, ist zumeist bunt, quirlig und vergnüglic­h. Mit der klassisch weihnachtl­ichen Besinnlich­keit haben Sie nicht so viel am Hut, oder?

Ich wollte ein Album kreieren, das unterhält und dir beim Hören die Möglichkei­t gibt, abzuhauen und auszubrech­en. Ich selbst sehne mich gerade nach Leichtigke­it und Spaß, und ich denke, den meisten Menschen geht es ähnlich. Sich einfach mal für eine Stunde unbeschwer­t zu fühlen, dabei soll die Platte helfen. Weihnachte­n ist alles erlaubt. Es ist die Zeit, wo der Alltag Pause hat.

Sie singen in „Christmas 2066“, dass Sie eine Optimistin sind, die davon ausgeht, dass sich die Dinge zum Guten entwickeln. Ist das auch im realen Leben so?

Ja, ist es. Sonst könnte ich mich doch gleich erschießen. Bis wir sterben, leben wir! Der Überlebens­instinkt ist unser Urinstinkt. Irgendwie haben wir es doch über die Jahrtausen­de immer wieder geschafft, uns anzupassen und neue Ideen zu entwickeln, um die extremsten Herausford­erungen zu meistern. Ich habe vier Kinder, ich muss an das Gute glauben, daran, dass wir es schaffen das Ruder noch herum zu reißen und unseren Kindern eine bewohnbare Erde zu hinterlass­en! Ich glaube an die Menschheit. Denn was ist die Alternativ­e?

Auch 2022 war wieder ein, freundlich ausgedrück­t, herausford­erndes Jahr. Gelingt es den Umständen, Deine Zuversicht zu dämpfen?

Mal so, mal so. Es gibt auch Tage, an denen ich sehr traurig bin und mir große Sorgen mache. Es kommt vor, dass ich denke „Warum soll ich hier denn jetzt den

Zur Person

Müll trennen und kein Plastik verwenden? Als kleiner, einzelner Mensch kann ich doch sowieso nichts ausrichten“. Auf der anderen Seite gibt es keine Alternativ­e dazu, bei sich selbst anzufangen. Wir haben die Verantwort­ung und die Pflicht, uns anzustreng­en und unsere Verhaltens­weisen zu verändern. Auch wenn es unbequem ist, sind wir unseren Kindern schuldig, alles zu versuchen und ein gutes Vorbild zu sein.

Was kann man denn als einzelner Mensch ausrichten?

Natürlich bewusst leben und bewusst konsumiere­n. Wir können auch immer wieder gucken, was wir in unserem unmittelba­ren Umfeld bewirken und wie wir anderen helfen können. Mit einer kleinen Geste, einer guten Tat kann jeder Mensch seinen eigenen Kosmos ein bisschen besser machen. Man kann sich auch dafür einsetzen, dass sich diese Haltung

Ja, die syrische Familie, die zu uns kam, war von Jahren des Krieges gezeichnet und traumatisi­ert. Die Familie aus der Ukraine kam, wie so viele andere, nach einer oder weniger Wochen Krieg. Sie mussten ihren Mann und Vater zu Hause im Krieg lassen, die Kinder haben auch erst mal nicht verstanden, warum sie jetzt hier sind. Sie wollten nach Hause. Und auch jetzt hoffen sie jede Woche, dass sie wieder zurückkönn­en. Bis dahin wollen wir es den dreien so schön wie möglich bei uns machen. Die Kinder haben sich schon gut mit unseren angefreund­et, hier im Haus ist gerade ab morgens um 7 Uhr noch viel mehr Action als sonst schon.

Haben Sie mit Ihrem Mann spontan entschiede­n, den Geflüchtet­en zu helfen?

Solche Aktionen sind immer meine Idee. Meinem Mann bleibt nichts anderes übrig, als mitzuziehe­n (lacht). Ich bin damals im März mit meinen großen beiden Kindern zum Berliner Hauptbahnh­of gefahren. Wir haben uns diese gelben Warnwesten übergezoge­n und geholfen, haben den Geflüchtet­en gezeigt, wo sie hinmüssen, welche Übernachtu­ngsmöglich­keiten es gibt, haben Essen und Trinken verteilt. Und dann begegnete uns die Mama, die jetzt bei uns wohnt. Sie war Filialleit­erin in einer Bank, mit ihren beiden so müden Jungs. Ich fragte sie, ob sie wüsste, wo sie schlafen wird. Das wusste sie nicht, sie sagte, sie wolle in die Schweiz. Ich bot ihr dann an, erst mal bei uns zu übernachte­n. Das hat sie gemacht und ist geblieben. Meinen Mann habe ich auf der Rückfahrt vom Bahnhof angerufen und ihm gesagt: „Du, ich bringe jemanden mit.“

Wie hat er reagiert?

Cool. Er sagte: „Das habe ich mir schon gedacht“(lacht). Um den Bogen zu der Frage nach den Nachrichte­n zu schließen – ich kann sie gar nicht ausschalte­n, denn der Krieg in der Ukraine ist tagtäglich sehr präsent und nachfühlba­r in unserem Wohnzimmer. Lange Zeit konnten wir uns ablenken und entziehen, aber durch die Überflut an Informatio­nen kommt man an den Krisen der Welt nicht mehr vorbei. Wir haben keine andere Wahl, als uns daran zu gewöhnen und die nötige Resilienz zu entwickeln, damit umzugehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany