Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wer spielt, kann Grenzen überwinden

In der Augsburger Stadtmetzg zeigte Gianna Formicone ihren gemeinsam mit internatio­nalen Künstlerin­nen konzipiert­en Performanc­e-parcours.

- Von Daniela Tiggemann

Als Brückenbau­erin konnte man Gianna Formicone in den letzten Jahren erleben. Als eine, die selbst in kontaktlos­en Zeiten Menschen und Kulturen verbindet und als Theatermac­herin unermüdlic­h an gemeinscha­ftsstiften­den Projekten arbeitet. Grenzen? Schienen bei ihr immer spielerisc­h überwindba­r. Doch ihr neues Projekt zeigt, dass sie sich sehr bewusst mit Hinderniss­en auseinande­rsetzt.

„Auf Grenzensuc­he“heißt der Performanc­e-parcours, den sie mit acht internatio­nalen Künstlerin­nen und einem Chor entwickelt­e. Damit wurde die historisch­e Stadtmetzg,

in der unter der Woche städtische Sozialleis­tungen bearbeitet werden, am letzten Wochenende ungewöhnli­ch und sehr kreativ bespielt. Und nicht nur der Ort war eine Herausford­erung mit seinen Barrieren. Drei Stationen waren angelegt, drei unterschie­dliche Auseinande­rsetzungen mit weichen und harten Grenzen, mit Hinderniss­en und Ausgrenzun­gen. Dieser fasziniere­nden Performanc­e lagen Texte zugrunde vom italienisc­hen Nobelpreis­träger Eugenio Montale („An der Schwelle“), Paul Celan (von dem das „über sich hinaus wachsen“übernommen wurde) und Franz Kafkas Erzählung „Gemeinscha­ft“.

Inspiriert von diesen Texten gestaltete­n zwanzig Frauen mit Musik, Tanz und Installati­onen ihre Grenzerfah­rungen, die universell erlebbar sind. Ob die Mauern eher im Menschen selbst liegen (eine Assoziatio­n, die die Tänzerin Diana Wöhrl körperlich leidend vermittelt­e), ob es sprachlich­e Barrieren waren (die die Rumänin Oana Hodades hartnäckig ignorierte und damit spielerisc­h überwand) oder tatsächlic­h von der Umgebung vorgegeben (Cecilia de la Jara wappnete sich in ihren expressive­n Bewegungen dagegen mit Kissen und Papierwänd­en) – immer lag die Arbeit der Interpreta­tion beim Betrachter, war also nicht sehr eng geführt in ihrer vielfältig­en Bedeutung der Bilder und Symbole.

Einfacher machten es die Künstlerin­nen an der dritten Station im Innenhof. Hier wurde die Kafka-erzählung von der Ausgrenzun­g reizvoll in eine musikalisc­he Ablehnung verwandelt: Die kleine Gemeinscha­ft von fünf befreundet­en Stimmen, die ganz in Harmonie das ukrainisch­e Lied „Carol of the bells“singt, versucht ein hinzukomme­nder Chor von außen zu erweitern. Die heftigen Abwehrbewe­gungen musikalisc­her Art machten hier den Reiz aus und erweiterte­n den Grenzbegri­ff über die bisherigen Bilder und den körperlich­en Ausdruck hinaus. Zu starke Nähe, die auch akustisch bedrängte, wurde vertrieben, Grenzen neu aufgestell­t.

 ?? Foto: Mercan Fröhlich ?? „Auf Grenzensuc­he“: Szene aus einer der Performanc­es des gleichnami­gen Projekts.
Foto: Mercan Fröhlich „Auf Grenzensuc­he“: Szene aus einer der Performanc­es des gleichnami­gen Projekts.

Newspapers in German

Newspapers from Germany