Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Suchen und Sehnen mit Mendelssohn
Oratorienchor glänzt mit Psalmen
Augsburg Da gab es kein langes Einstimmen, kein behutsames Bereiten des Themas – auf der Stelle wurden die Zuhörer und Zuhörerinnen gepackt vom „Schrei“der menschlichen Seele zu ihrem Gott. So stieg der Chor ein in Felix Mendelssohn Bartholdys (1809-1847) Vertonung des Psalms 42 op. 42, „Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir.“Neben dieser Vertonung führten der Schwäbische Oratorienchor und Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters unter Leitung von Stefan Wolitz in der gut besetzten Augsburger Kirche Herz-jesu, Pfersee, noch zwei weitere Werke des romantischen Komponisten Mendelssohn-bartholdy auf: eine Vertonung des Psalms 115 op. 31, „Nicht unserem Namen, Herr“, und die Fronleichnam-sequenz von Thomas von Aquin, „Lauda Sion“(op. 73).
In der Verschränkung von Chor und Sopran (Johanna Allevato) fanden in den sieben Sätzen, in die der 42. Psalm gefasst ist, das Suchen und Sehnen der menschlichen Seele Ausdruck. Tränen, Trauer, Fragen – „Wo ist nun dein Gott?“– all dies entfaltete die Sopranistin als „Seele“mit anrührender Intensität. Da mutete es fast gewaltsam an, wenn der Chor ihr immer und immer wieder kraftvoll entgegenwarf: „Harre auf Gott!“Die Unruhe der Seele fasst diese Vertonung in die stete Wiederholung der Frage: „Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir?“Man hörte, vom Orchester wunderbar herausgearbeitet, etwa die dahinrauschenden Fluten, die Wasserwogen , die über die Seele hinweggehen, sie mitzureißen drohen. Am Ende kommt es doch nicht zu Untergang, sondern – wie es der Dynamik eines Psalms entspricht – zu Zustimmung, Dank und Lobpreis Gottes.
Seltener aufgeführt wird Mendelssohns Vertonung des 115. Psalms, op. 31 – eine Entdeckung. Es bestach auch hier die verschränkte Rede und Gegenrede von Volk (Chor) und Betern (Tenor: Eric Price, Bass: Alban Lenzen). Der Psalm ist ein einziges Hoffen, dass Gott sie schütze – das Volk, die Kinder, das Haus Israel. Da klang eine wohlgeordnete Vielstimmigkeit, ein Miteinander und Ineinander auch der unterschiedlichen menschlichen Stimmungen. Da folgten dem machtvollen Statement des Chores „Nicht unserem Namen, nur deinem geheiligten Namen sei Ehr‘ gebracht“, die vertrauensvolle Hingabe und Trost – in wunderschöne Melodien.
Schon mehrere Komponisten haben die Sequenz „Lauda Sion“(„Lobe Zion, deinen Heiland“) von Thomas von Aquin, die traditionell am Fronleichnamsfest gebetet wird, vertont. Sie besingt das Lob der Eucharistie. Mendelssohn hat seine Komposition im Jahr 1846 als Auftragswerk zum 600. Jubiläum des Fronleichnamsfests in Lüttich geschaffen. Hier lohnte es sich, die deutsche Übertragung des lateinischen Textes mitzulesen, um zu sehen, wie wunderbar Chor, Orchester, Solisten – es kam noch die Altistin Carolin Cervino dazu – sich diesem in der Sequenz beschriebenen Geheimnis der Eucharistie in Bildern näherten. Das mochte für heutige Ohren fremd anmuten, weil aus dem 13. Jahrhundert und seiner Frömmigkeit stammend, aber irgendwie, durch die Kraft der Musik, fesselte es doch und rundete einen eindrucksvollen, nicht nur musikalisch, sondern auch wegen seiner geistlichen Botschaft, tiefgehenden Abend ab.