Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Der Menschenbeobachter
Gerhard Polt ist auch mit über 80 noch ein grandioser Erzähler der kleinen und großen Abgründe des Menschen. Die Zuschauer im ausverkauften Parktheater Göggingen feiern ihn.
Der Mann ist eine Legende. Und zwar im klassischen Sinn, als dieses Wort noch nicht auf jeden spätpubertären Möchtegernwichtig angeheftet wurde. Und solche Menschen benötigen nicht viel, um mit ihrem Können das Publikum zu begeistern. Gerhard Polt braucht nur ein Tischchen, Mikrophon und ein Glas Wasser, als er die Bühne des ausverkauften Gögginger Parktheaters betritt.
80 Jahre ist der gebürtige Münchner inzwischen. Wenn man ihn erlebt, verliert man die Angst vor dem Altern. Seine Sprachkunst, seine minimalistische Darstellung und seine Beobachtungsgabe sind nach wie vor einmalig. Wie kein zweiter hält er dem Publikum den Spiegel mit seinem Programm aus dem Jahr 2017 „Wer sind wir“vor.
Als Kabarettist würde er sich selbst übrigens nicht bezeichnen: In Interviews betont Polt, dass er nur einer sei, der Geschichten erzählt – Geschichten, die harmlos beginnen und meist ins Abgründige münden. Zum Beispiel, wenn er über den Menschen als solchen spricht, was in diesem Fall sozusagen Programm ist.
Der Mensch, sagt Polt, und wechselt ins Bierdimpfbairisch, sei an und für sich ja gut. „Aber die Leit san a Gsindl.“Seine Sprachkunst, sein darstellerisches Talent und seine präzise Beobachtungsgabe zeichnen den Menschenspäher aus und unterscheiden ihn auch von manch anderen in der Humorbranche, die mit der humoresken Brechstange arbeiten.
Da steht er auf der Bühne und unterhält ohne Pause, gut eineinviertel Stunden lang. Geschichte für Geschichte. Pointe für Pointe. Alle sitzen sie, aus dem Dunkel des Alltäglichen herausblitzend. Humor, hat Polt einmal gesagt, sei etwas zutiefst Politisches. Er könne über schwierige Situationen helfen, trösten und ablenken. Recht hat er. Das Publikum feiert ihn dafür. Es ist bei ihm die Kunst der Reduktion und des grüblerischen Selbstdenkens, aus der ein großer Humor erwächst.
Einem größerem Publikum ist der in Neuhaus am Schliersee lebende Oberbayer bereits Ende der 1970er Jahre durch die Serie „Fast wia im richtigen Leben“bekannt geworden. Zusammen mit seiner kongenialen Partnerin Schauspielerin Gisela Schneeberger arbeitete er sich in Sketchen am bayerischen Kleinbürgerwesen ab. Damit wurde er erfolgreich, der Polt.
Über die Jahre drehte der vielfach Preisgekrönte Filme, schrieb Bücher, Hörbücher und Theaterstücke. Im Grunde aber ist er sich immer treu geblieben. Öffentlich trat Polt jahrelang oft mit der Biermösl-blosn auf. Am überzeugendsten aber ist er – wie im Parktheater – als Solist.
Ob die neue Geschichte vom Tiroler Spitalverband oder die vom Löschwinter Kare und seiner dritten Frau Jessica, in der die Frage auftaucht: Warum verteidigen eigentlich Frauen ihre Männer wider besseres Wissen? Gerhard Polt taucht immer wieder rein in die Untiefen des Homo Sapiens. Dazwischen serviert er den „Homo Tegerniensis“Dr. Arnulf Schmitzzceisczyk. Die Episoden über den Großkotz und Zweitwohnungsbesitzer und sein Verständnis für bayerische Lebenskultur sind ebenso komisch wie die von seinen Reihenhaus-nachbarn Dr. Brezner oder Ranftl.
Am Ende gibt Polt allerdings nur eine Zugabe. Man kann es aber verstehen. Er muss abends noch einmal ran.