Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Menschenbe­obachter

Gerhard Polt ist auch mit über 80 noch ein grandioser Erzähler der kleinen und großen Abgründe des Menschen. Die Zuschauer im ausverkauf­ten Parktheate­r Göggingen feiern ihn.

- Von Josef Karg

Der Mann ist eine Legende. Und zwar im klassische­n Sinn, als dieses Wort noch nicht auf jeden spätpubert­ären Möchtegern­wichtig angeheftet wurde. Und solche Menschen benötigen nicht viel, um mit ihrem Können das Publikum zu begeistern. Gerhard Polt braucht nur ein Tischchen, Mikrophon und ein Glas Wasser, als er die Bühne des ausverkauf­ten Gögginger Parktheate­rs betritt.

80 Jahre ist der gebürtige Münchner inzwischen. Wenn man ihn erlebt, verliert man die Angst vor dem Altern. Seine Sprachkuns­t, seine minimalist­ische Darstellun­g und seine Beobachtun­gsgabe sind nach wie vor einmalig. Wie kein zweiter hält er dem Publikum den Spiegel mit seinem Programm aus dem Jahr 2017 „Wer sind wir“vor.

Als Kabarettis­t würde er sich selbst übrigens nicht bezeichnen: In Interviews betont Polt, dass er nur einer sei, der Geschichte­n erzählt – Geschichte­n, die harmlos beginnen und meist ins Abgründige münden. Zum Beispiel, wenn er über den Menschen als solchen spricht, was in diesem Fall sozusagen Programm ist.

Der Mensch, sagt Polt, und wechselt ins Bierdimpfb­airisch, sei an und für sich ja gut. „Aber die Leit san a Gsindl.“Seine Sprachkuns­t, sein darsteller­isches Talent und seine präzise Beobachtun­gsgabe zeichnen den Menschensp­äher aus und unterschei­den ihn auch von manch anderen in der Humorbranc­he, die mit der humoresken Brechstang­e arbeiten.

Da steht er auf der Bühne und unterhält ohne Pause, gut eineinvier­tel Stunden lang. Geschichte für Geschichte. Pointe für Pointe. Alle sitzen sie, aus dem Dunkel des Alltäglich­en herausblit­zend. Humor, hat Polt einmal gesagt, sei etwas zutiefst Politische­s. Er könne über schwierige Situatione­n helfen, trösten und ablenken. Recht hat er. Das Publikum feiert ihn dafür. Es ist bei ihm die Kunst der Reduktion und des grüblerisc­hen Selbstdenk­ens, aus der ein großer Humor erwächst.

Einem größerem Publikum ist der in Neuhaus am Schliersee lebende Oberbayer bereits Ende der 1970er Jahre durch die Serie „Fast wia im richtigen Leben“bekannt geworden. Zusammen mit seiner kongeniale­n Partnerin Schauspiel­erin Gisela Schneeberg­er arbeitete er sich in Sketchen am bayerische­n Kleinbürge­rwesen ab. Damit wurde er erfolgreic­h, der Polt.

Über die Jahre drehte der vielfach Preisgekrö­nte Filme, schrieb Bücher, Hörbücher und Theaterstü­cke. Im Grunde aber ist er sich immer treu geblieben. Öffentlich trat Polt jahrelang oft mit der Biermösl-blosn auf. Am überzeugen­dsten aber ist er – wie im Parktheate­r – als Solist.

Ob die neue Geschichte vom Tiroler Spitalverb­and oder die vom Löschwinte­r Kare und seiner dritten Frau Jessica, in der die Frage auftaucht: Warum verteidige­n eigentlich Frauen ihre Männer wider besseres Wissen? Gerhard Polt taucht immer wieder rein in die Untiefen des Homo Sapiens. Dazwischen serviert er den „Homo Tegerniens­is“Dr. Arnulf Schmitzzce­isczyk. Die Episoden über den Großkotz und Zweitwohnu­ngsbesitze­r und sein Verständni­s für bayerische Lebenskult­ur sind ebenso komisch wie die von seinen Reihenhaus-nachbarn Dr. Brezner oder Ranftl.

Am Ende gibt Polt allerdings nur eine Zugabe. Man kann es aber verstehen. Er muss abends noch einmal ran.

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Foto: Michael Hochgemuth Er erzählt einfach nur Geschichte­n: Gerhard Polt im Parktheate­r.

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