Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Bürgergeld startet mit härteren Regeln

Union setzt sich bei den Sanktionen und der Reduzierun­g des Schonvermö­gens durch.

- Von Stefan Lange

Berlin Der Weg für die größte Sozialrefo­rm der letzten 20 Jahre ist frei: Die Ampel-koalition hat sich am Dienstag nach harten Kämpfen überrasche­nd früh mit der Union auf die Einführung des Bürgergeld­es geeinigt. Beide Seiten machten Kompromiss­e, konnten aber ihre wichtigste­n Forderunge­n durchsetze­n. SPD, Grüne und FDP bekommen die gewünschte­n Verbesseru­ngen bei der Weiterbild­ung von Arbeitssuc­henden sowie höhere Hinzuverdi­enstmöglic­hkeiten. CDU und CSU verbuchen Absenkunge­n beim Schonvermö­gen sowie die Streichung der so genannten Vertrauens­zeit als Erfolg für sich. Eine Einigung im Vermittlun­gsausschus­s an diesem Mittwoch dürfte deshalb nur noch Formsache sein. Das Bürgergeld könnte damit wie geplant zum Jahreswech­sel in Kraft treten.

Das Bürgergeld als Hartz-ivnachfolg­e hatte den Bundestag passiert, wurde im Bundesrat anschließe­nd aber von der Union blockiert. Beide Seiten riefen den Vermittlun­gsausschus­s an, um einen Kompromiss zu finden. In den letzten Tagen wurden hinter den Kulissen zwischen den Regierungs­parteien und der Union zahlreiche Gespräche geführt. Das Ergebnis mündete in einen Vorschlag, den Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) dem Vermittlun­gsausschus­s zuleitete. Das Gremium entscheide­t souverän, es könnte in Details noch Änderungen am bisherigen Verhandlun­gsergebnis geben. Die großen Linien indes stehen fest.

Heil hatte vor allem auf eine Verbesseru­ng der Qualifizie­rungsmögli­chkeiten für Arbeitssuc­hende gedrungen und machte bei diesem Punkt keine Abstriche. Der wichtigste Aspekt dabei: Der Vermittlun­gsvorrang in Arbeit wird abgeschaff­t. Bisher galt die Prämisse, dass Arbeitssuc­hende möglichst schnell eine neue Tätigkeit aufnehmen mussten. Selbst wenn es sich dabei nur um einen befristete­n Hilfsjob handelte. Künftig sollen die Jobcenter sie so qualifizie­ren, dass sie dauerhaft in Arbeit bleiben. Jugendlich­e in Bürgergeld-familien können außerdem vom eigenen Einkommen, etwa vom Lehrlingsg­ehalt, mehr Geld für sich behalten. Bisher wurde es auf die Hartz-sätze angerechne­t.

Auf der anderen Seite konnten CDU und CSU zentrale eigene Forderunge­n durchsetze­n. So soll das Schonvermö­gen für den ersten Partner in einem Haushalt von bisher 60.000 auf 40.000 Euro reduziert werden. Für alle anderen bleiben 15.000 Euro vom Ersparten unangetast­et. Das ist die Hälfte dessen, was ursprüngli­ch geplant war. Halbiert werden soll auch die Zeit, in der Vermögen von der Anrechnung aufs Bürgergeld verschont wird, und zwar von 24 Monaten auf ein Jahr. Den Angaben zufolge wird dabei zwischen reinem Geldvermög­en und der Altersvors­orge unterschie­den. Letztere unterliegt offenbar weniger strengen Zugriffsmö­glichkeite­n des Staates.

Heil hatte zudem eine Vertrauens­zeit von sechs Monaten geplant, in der Pflichtver­letzungen ohne Konsequenz­en geblieben wären. Diese Vertrauens­zeit wurde auf Druck der Union gestrichen. Sanktionen können damit bereits vom ersten Tag an verhängt werden. Heils Planungen sehen unter anderem eine Kürzung des monatliche­n Regelsatze­s um bis zu 30 Prozent vor. Kosten für Unterkunft und Heizung werden nicht gemindert. CDU-CHEF Friedrich Merz zeigte sich erfreut darüber, dass die Ampel „zu meiner Überraschu­ng“bereit gewesen sei, so weit zu gehen. Csu-landesgrup­penchef Alexander Dobrindt sagte: „Opposition wirkt.“

Mit dem Bürgergeld werden die Regelsätze erhöht. Für Alleinsteh­ende beispielsw­eise um 53 auf 502 Euro. Heil zufolge ist das die „mit Abstand höchste Erhöhung seit Einführung der Grundsiche­rung im Jahr 2005“. Das Bürgergeld soll zum 1. Januar 2023 in Kraft treten.

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