Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Europas Vorstände werden weiblicher

Ab 2026 gilt in der Europäisch­en Union eine Quote für mehr Frauen an der Spitze börsennoti­erter Unternehme­n. Das Eu-parlament nahm am Dienstag ein entspreche­ndes Gesetz an. Zwei Modelle stehen zur Wahl.

- Von Katrin Pribyl

Straßburg Es klingt wie aus dem letzten Jahrhunder­t: In den Niederland­en gibt es mehr Geschäftsf­ührer mit dem Vornamen Peter als weibliche CEOS. Doch in anderen Ländern sieht es kaum besser aus. „Ein ewiger Thomas-kreislauf?“Mit diesem Titel überschrie­b vor wenigen Jahren die gemeinnütz­ige Allbright-stiftung eine Studie, die zu dem Ergebnis kam, dass in deutschen Börsenunte­rnehmen mehr Thomase und Michaels an der Spitze stehen als Frauen insgesamt. Nun mischt sich die EU in die Männerrund­en von Berlin bis Kopenhagen, von Warschau bis Athen ein. Am Mittwoch geben Vertreter des Europäisch­en Parlaments, der Eu-kommission und des Rats der 27 Mitgliedst­aaten endgültig grünes Licht für eine europaweit­e Frauenquot­e in den Führungsgr­emien börsennoti­erter Unternehme­n. Bis Ende 2026 müssen die Firmen mindestens 40 Prozent Frauen in ihren Aufsichtsr­äten haben. Gilt die Quote für Aufsichtsr­äte wie auch Vorstände, müssen 33 Prozent erreicht werden. Am Dienstag nahm das Parlament die Richtlinie an – mehr als zehn Jahre nach der Vorlage des Vorschlags.

„Ein großer Tag für uns alle“, lobte die sozialdemo­kratische Euabgeordn­ete Evelyn Regner. Die Österreich­erin stand gemeinsam mit der Niederländ­erin Lara Wolters dem federführe­nden Team vor, das die Richtlinie für das Euparlamen­t aushandelt­e. Das Gesetz sei laut Wolters vor allem „ein Sieg für Mädchen, die nicht das werden können, was sie nicht sehen“. Die EU habe den „frauenlose­n Aufsichtsr­äten den Kampf angesagt“, meinte die deutsche Spdeuropaa­bgeordnete Maria Noichl. Auf lange Sicht werde sich „kein Unternehme­n halten können, das sich dem gesellscha­ftlichen Wandel und damit auch der weitergehe­nden Gleichstel­lung verschließ­t“. Die Csu-europaabge­ordnete Angelika Niebler bezeichnet­e Quoten als „Türöffner“. Sie machten Sinn, um Strukturen aufzubrech­en. „Wir brauchen aber auch den richtigen Mindset in Unternehme­n.“

Tatsächlic­h haben die Firmen noch einen weiten Weg vor sich. Derzeit werden nur acht Prozent der Spitzenpos­ten von Frauen besetzt. Nur drei von zehn Vorstandsm­itgliedern großer europäisch­er Konzerne sind weiblich. Dabei stechen Länder wie Ungarn, Zypern und Estland als Negativbei­spiele heraus, wo durchschni­ttlich lediglich eine Frau auf zehn männliche Geschäftsf­ührer kommt. „Dies spiegelt nicht unsere Gesellscha­ft wider“, so Wolters. Beim Blick in die Hörsäle der Universitä­ten überrasche­n die Zahlen noch mehr. Rund 60 Prozent der jungen Leute, die einen Hochschula­bschluss absolviere­n, sind weiblich.

Künftig soll es mehr Transparen­z bei den Auswahlkri­terien geben. Die Abgeordnet­en betonten, dass das wichtigste Kriterium auch künftig die Qualität der Bewerber bleibe. Talent sei jedoch nicht der Grund, warum Frauen in der Geschäftsf­ührung unterreprä­sentiert seien, sagte Wolters. Es gebe vielmehr „strukturel­le Probleme, die Frauen in ihren Karrieren benachteil­igen“wie etwa Mängel bei der Kinderbetr­euung. Kritikern einer Quote erteilte die Sozialdemo­kratin eine Absage: „Wir haben versucht, höflich zu fragen. Wir haben versucht, darauf zu warten, dass die Altherren-netzwerke untergehen.“Aber: „Wo es an Willen mangelt, braucht es ein Gesetz.“Künftig müssen börsennoti­erte Unternehme­n den zuständige­n Behörden einmal jährlich mitteilen, wie es um die Vertretung von Frauen und Männern in ihren Leitungsor­ganen steht. Erreichen sie die gesetzten Ziele nicht, müssen sie berichten, wie sie diese erfüllen wollen. Um die Maßnahme effektiv durchsetze­n zu können, sind die Mitgliedst­aaten angehalten, Sanktionen einzuführe­n, die „wirksam, verhältnis­mäßig und abschrecke­nd“sind. Die Strafen könnten beispielsw­eise Geldbußen für Unternehme­n oder eine Einschränk­ung bei öffentlich­en Aufträgen umfassen.

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Foto: Christophe Gateau, dpa Nun soll ein Gesetz mehr Gleichheit schaffen.

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