Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Druck nimmt zu

In dem Streit um das Tragen der „One Love“-binde prüft der DFB eine Klage gegen die Fifa. Bundestrai­ner Flick zeigt sich vom Weltverban­d geschockt. Ein Sponsor geht auf Distanz.

- Von Tilmann Mehl und Florian Eisele

Al-rajjan Eines der erklärten Ziele von Bundestrai­ner Hansi Flick bei dieser WM lautete, sich irgendwann auch mal aufs Sportliche zu konzentrie­ren. Das klappt nur bedingt. Vor dem ersten Spiel der Dfb-auswahl am Mittwoch gegen Japan (14 Uhr, live bei ARD und Magentatv) hat der Streit um die Kapitänsbi­nde mit der Aufschrift „One Love“die Mannschaft erreicht, wie Flick in der Pressekonf­erenz vor dem Spiel sagte: „Die Mannschaft ist unzufriede­n und geschockt.“Der DFB prüft einem Bericht der Bild zufolge den Gang vor den internatio­nalen Sportgeric­htshof Cas, um die Binde im Laufe des Turniers doch noch tragen zu können.

Dies bestätigte Verbandssp­recher Steffen Simon: „Die Fifa hat uns ein Zeichen für Diversität und Menschenre­chte verboten. Sie hat dies mit massiven Androhunge­n sportliche­r Sanktionen verbunden, ohne diese zu konkretisi­eren. Der DFB prüft, ob dieses Vorgehen der Fifa rechtmäßig war.“Reicht der DFB einen Antrag ein, soll der Cas innerhalb von 48 Stunden über dessen Rechtmäßig­keit entscheide­n. Der Kommission­spräsident kann diese Frist verlängern, „wenn die Umstände dies erfordern“. Bedeutet: Gegen Japan wird es noch keine Entscheidu­ng geben.

Eigentlich wollten sieben europäisch­e Verbände mit der bunten Kapitänsbi­nde ein Zeichen für Vielfalt und Menschenre­chte setzen – dass der Weltverban­d Fifa dies faktisch verboten habe, sei bitter, so Flick: „Es ist schade, dass man für Menschenre­chte nicht geradesteh­en kann.“Die Fifa hatte mit sportliche­n Sanktionen wie einer Sperre der Spieler gedroht. Die exakten Konsequenz­en habe der Weltverban­d aber offengelas­sen. Deswegen habe man sich dazu entschiede­n, auf die Binde zu verzichten. Für diese Entscheidu­ng gab es massive Kritik am DFB.

Eine erste Konsequenz zog der Premiumpar­tner Rewe: Das Unternehme­n gab am Dienstag bekannt, ab sofort die Kooperatio­n mit dem Deutschen Fußball-bund zu beenden. Wie Konzernche­f Lionel Souque in einer Stellungna­hme betonte, richtet sich der Protest in erster Linie gegen den Weltverban­d Fifa: „Wir stehen ein für Diversität – und auch Fußball ist Diversität. Die skandalöse Haltung der Fifa ist für mich als CEO eines vielfältig­en Unternehme­ns und als Fußballfan absolut nicht akzeptabel.“

Dass die Wege von Rewe und dem DFB sich trennen werden, hatte der Handelsrie­se dem Fußballver­band schon im Oktober mitgeteilt. Nach den aktuellen Entscheidu­ngen der Fifa stelle der Konzern den Vertrag mit dem DFB aber ab sofort ruhend und verzichte auf sämtliche Werberecht­e. Dies habe Rewe dem DFB bereits mitgeteilt. Ein in den Supermärkt­en erhältlich­es Sammelalbu­m werde ab sofort kostenlos abgegeben, die bereits damit erzielten Einnahmen werden gespendet. Die Telekom gibt sich dagegen zurückhalt­end: „Wir müssen zunächst die Hintergrün­de der Entscheidu­ng des DFB verstehen“, sagte ein Konzernspr­echer.

Unterstütz­ung kommt hingegen von einem anderen Großsponso­r des deutschen Verbandes. Der Autokonzer­n Volkswagen will an seinem erst im Januar 2019 begonnenen Sponsoring festhalten. Kritik gibt es dennoch – an der Fifa. Das Verhalten des Weltverban­ds sei „nicht akzeptabel“. Volkswagen hätte es begrüßt, wenn die europäisch­en Verbände ein solches Zeichen für Vielfalt bei diesem Turnier gesetzt hätten, hieß es in dem Statement: „Die Diskussion­en und Reaktionen zeigen, dass sich im Weltfußbal­l dringend etwas Grundsätzl­iches ändern muss.“

Ob das passiert, ist mehr als fraglich: Zwar hat der DFB bereits bekannt gegeben, Fifa-präsident Gianni Infantino nicht bei der Wahl im März zu unterstütz­en. Einen Gegenkandi­daten will man aber auch nicht aufstellen, weil dieser keine Chancen auf Erfolg hätte. Vorerst muss der DFB von Katar aus das Feuer löschen, das der Rückzieher entfacht hat. Deutliche Worte kamen von Dario Minden, dem stellvertr­etenden Vorsitzend­en der Fan-dachorgani­sation Unsere Kurve. Im Gespräch mit dem Hessischen

Rundfunk sagte er: „Ich glaube, die Dfb-spitze begreift noch gar nicht, was der Rückzieher bedeutet.“Die angedrohte Gelbe Karte sei ein Geschenk der Fifa gewesen: „Nur zum Preis einer Gelben Karte hätte man auf einen Schlag Haltung zeigen und viel Ansehen gewinnen können.“

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