Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Sie will auf das Leid aufmerksam machen
In Kabul engagierte sich die 26-jährige Zohra Amiri für Frauenrechte in Afghanistan. Nach der Machtübernahme der Taliban musste sie fliehen – und will sich jetzt von Augsburg aus engagieren.
Zohra Amiri ist 26 Jahre alt und hat schon viel erlebt: Die Afghanin besuchte in ihrer Heimatstadt Kabul Schule und Universität. Sie setzte sich dort für Frauenrechte ein, gründete einen Verein für die Bildung von Frauen und Mädchen und gegen Gewalt an Frauen und Zwangsheirat. Als die Taliban die Macht übernahmen, war die junge Frau in Gefahr und konnte mit Unterstützung der Amerikaner das Land verlassen. Sie lebt seit Anfang Februar in Augsburg und will von hier aus auf die Situation der Frauen in ihrem Heimatland aufmerksam machen.
Zohra Amiri will nicht, dass die Frauen in Afghanistan in Vergessenheit geraten. Das Hauptaugenmerk der Menschen liege derzeit auf viele andere Krisen. Deshalb wird sie nicht müde, darauf hinzuweisen, dass seit der Machtübernahme der Taliban am 15. August 2021 die Rechte von Frauen und Mädchen in ihrem Heimatland stark eingeschränkt wurden. „Mädchen dürfen nicht mehr zur Schule gehen“, sagt sie. Sie dürften sich nicht frei bewegen, selber Entscheidungen treffen. Sie höre von Zwangsehen und Gewalt gegen Frauen und Mädchen. „Es ist jetzt schlimmer als vor 20 Jahren“, sagt sie verzweifelt. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 rief die Nato im Oktober den Bündnisfall aus und begann ihre militärische Intervention in Afghanistan. Zohra Amiri wuchs während dieser Zeit in Kabul auf, durfte eine Schule besuchen und später studieren. Sie wählte Jura und Literatur. „Meine Eltern haben mich immer unterstützt und waren stolz auf mich“, sagt sie. Auch als sie sich für Frauenrechte einsetzte, 2015 einen Verein gründete, der zu Hochzeiten laut ihren Angaben 1000 Mitglieder zählte.
„80 Prozent waren Frauen, 20 Prozent Männer“, sagt sie. Gemeinsam setzten sie sich für Frauen und Mädchen ein. „In den Großstädten, wie Kabul, war es ganz normal, dass Mädchen beispielsweise zur Schule gingen und Frauen die Universität besuchen und auch einer Arbeit nachgehen durften. Auf dem Land war das nicht überall üblich“, berichtet Amiri. Als die Taliban im vergangenen Jahr die Macht übernahmen, versuchten sie und der Verein ihr Engagement aufrechtzuerhalten. Bei einer Aktion im Oktober 2021 wurden sie und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter über Stunden aufgehalten. Sie habe auch einmal einen Schlag auf den Kopf bekommen, berichtet sie. Zu der Zeit lebte sie bereits in einem Versteck. „Die Taliban waren zweimal bei meinen Eltern zu Hause und haben nach mir gefragt, weil ich auf einer Liste stehe“, sagt sie. Zohra Amiri wusste, dass sie Afghanistan verlassen muss. Mithilfe der Amerikaner gelangte sie nach Pakistan. Von dort aus ging es zuerst nach Spanien und dann nach Deutschland. Seit Februar lebt sie in der Gemeinschaftsunterkunft in der Ottostraße. „Ich wollte wegen Angela Merkel nach Deutschland. Sie ist ein Vorbild für mich“, sagt sie.
Von hier aus will sich die junge Frau weiter für afghanische Frauen einsetzen, Netzwerke gründen und sich engagieren. Sigrid Pätzold, Geschäftsführerin bei In Via, dem katholischen Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit, lernte Zohra Amiri bei einem Projekt kennen. In Kooperation mit den Augsburger Organisationen Tür an Tür, Diakonisches Werk, Terre des Femmes, Gleichstellungsstelle der Stadt, der Arbeitsgemeinschaft Augsburger Frauen und dem Aktionsbündnis „Nein zu Gewalt an Frauen“veranstaltet In Via am Sonntag, 27. November, 11 Uhr, im Café Tür an Tür, Wertachstraße 29, einen asylpolitischen Frühschoppen. Zohra Amiri wird dort als Referentin auftreten. Ihr Auftritt ist Teil der Aktionen und Veranstaltungen zum internationalen Tag „Nein zu Gewalt an Frauen“, der am 25. November begangen wird. Die Veranstaltungen finden von 18. November bis 27. November statt.
Zohra Amiri musste sich in Kabul vor den Taliban verstecken