Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Warum das Benzin derzeit günstiger ist
Die Spritpreise fallen schon seit längerer Zeit. Aber wie nachhaltig ist diese Entwicklung und geht nun auch die Inflation zurück?
Augsburg Manche Pendlerin und mancher Pendler dürfte derzeit erleichtert sein. Zuletzt sind die Preise an den Tankstellen deutlich gefallen. Dem ADAC zufolge kostete ein Liter Super E10 am Donnerstag im Bundesschnitt rund 1,78 Euro. Das sind rund 43 Cent weniger als zum teuersten Zeitpunkt dieses Jahr im März. Für einen Liter Diesel zahlte man rund 1,89 Euro – ebenfalls rund 43 Cent weniger als im März. Ein Hauptgrund für den Rückgang liegt in den gesunkenen Preisen für Rohöl. Warum aber ist Öl derzeitig billiger und welche Hoffnungen können Autofahrer haben, dass diese Entwicklung für längere Zeit so bleibt?
„Ein Grund für die derzeitigen Preisrückgänge bei Rohöl dürfte die Corona-infektionslage in China sein“, sagt Gabor Vogel, Rohstofffachmann der Dz-bank. Lockdowns führen dazu, dass die chinesische Wirtschaft schwächelt und damit die Ölnachfrage sinkt. Dazu kommt eine Debatte, wie der geplanten Preisdeckel der EU für russisches Öl ausgestaltet werden soll. Hatte der Rohölpreis am 8. März dieses Jahres noch mit 128 Dollar pro Fass seinen Höhepunkt erreicht, mussten am Donnerstag „nur“85 Dollar gezahlt werden.
Die niedrigeren Preise an den Tankstellen dürften die hohe Inflation zumindest dämpfen, erklärt Professor Timo Wollmershäuser vom Ifo-institut in München. Da auch der Heizölpreis an den Rohölpreis gekoppelt ist, dürfte man auch bei Heizöl in ein bis zwei Monaten einen Rückgang sehen. „Benzin, Diesel und Heizöl machen rund fünf Prozent des Warenkorbs zur Bestimmung der Inflationsrate aus. Die Preisrückgänge sollten damit die Inflation dämpfen, das ist eine gute Nachricht für Verbraucherinnen und Verbraucher“, sagt er. Dazu komme, dass die Preise fast aller Rohstoffe zuletzt gefallen seien, auch für Agrargüter. „Das hat mit der weltweiten konjunkturellen Abkühlung zu tun, die Nachfrage geht zurück“, sagt Wollmershäuser. „Nachlassende Erzeugerpreise deuten darauf hin, dass die Inflation bald ihren Höhepunkt erreicht haben könnte“, sagt auch Dz-bank-fachmann Vogel.
Einen raschen Rückgang der Inflation auf ein deutlich niedrigeres Niveau sehen die Fachleute aber nicht. Für eine Entwarnung sei es zu früh. Das Ifo-institut rechnet 2023 im Schnitt mit einer Inflationsrate von neun Prozent. Der Ölpreis gibt zwar nach, bricht aber auch nicht ein. „Zentral für den Rohölpreis ist das Verhalten der Opec+“, erklärt Vogel. Gerüchte, die Opec+ wolle ihre Produktion anheben, hat die Organisation dementiert. Im Zweifelsfall würden die Förderstaaten die Produktion eher senken, falls die Preise zu stark fallen. „Unter dem Strich will die Opec+ einen Preis über 90 Dollar pro Barrel sehen“, sagt Vogel. Die Eu-sanktionen, die Anfang Dezember gegen russisches Tanker-öl scharf geschaltet werden, sorgen zusätzlich dafür, dass das Angebot knapp bleiben dürfte. Er erwartet deshalb mittelfristig Ölpreise von rund 100 Dollar: „Die Entlastung an den Tankstellen dürfte eher kurzfristig sein.“Die Preise für Rohöl seien zudem extrem schwankungsanfällig, wie die letzten Wochen bewiesen.
Dazu kommen Preiserhöhungen an anderer Stelle. „Den Haushalten flattern aktuell die Erhöhungen für Strom und Gas herein“, erinnert Wollmershäuser. „Je nachdem, wie die Strom- und Gaspreisbremse ausgestaltet wird, könnten deshalb am Jahresanfang nochmals Inflationsraten von über zehn, elf oder zwölf Prozent zu sehen sein, zumal auch Gastronomen, Hoteliers oder Einzelhändler ihre höheren Energiekosten bald weitergeben werden.“Danach aber dürften die Preissteigerungen in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 langsam nachlassen. Kommentar