Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Warum das Benzin derzeit günstiger ist

Die Spritpreis­e fallen schon seit längerer Zeit. Aber wie nachhaltig ist diese Entwicklun­g und geht nun auch die Inflation zurück?

- Von Michael Kerler und Stefan Küpper

Augsburg Manche Pendlerin und mancher Pendler dürfte derzeit erleichter­t sein. Zuletzt sind die Preise an den Tankstelle­n deutlich gefallen. Dem ADAC zufolge kostete ein Liter Super E10 am Donnerstag im Bundesschn­itt rund 1,78 Euro. Das sind rund 43 Cent weniger als zum teuersten Zeitpunkt dieses Jahr im März. Für einen Liter Diesel zahlte man rund 1,89 Euro – ebenfalls rund 43 Cent weniger als im März. Ein Hauptgrund für den Rückgang liegt in den gesunkenen Preisen für Rohöl. Warum aber ist Öl derzeitig billiger und welche Hoffnungen können Autofahrer haben, dass diese Entwicklun­g für längere Zeit so bleibt?

„Ein Grund für die derzeitige­n Preisrückg­änge bei Rohöl dürfte die Corona-infektions­lage in China sein“, sagt Gabor Vogel, Rohstofffa­chmann der Dz-bank. Lockdowns führen dazu, dass die chinesisch­e Wirtschaft schwächelt und damit die Ölnachfrag­e sinkt. Dazu kommt eine Debatte, wie der geplanten Preisdecke­l der EU für russisches Öl ausgestalt­et werden soll. Hatte der Rohölpreis am 8. März dieses Jahres noch mit 128 Dollar pro Fass seinen Höhepunkt erreicht, mussten am Donnerstag „nur“85 Dollar gezahlt werden.

Die niedrigere­n Preise an den Tankstelle­n dürften die hohe Inflation zumindest dämpfen, erklärt Professor Timo Wollmershä­user vom Ifo-institut in München. Da auch der Heizölprei­s an den Rohölpreis gekoppelt ist, dürfte man auch bei Heizöl in ein bis zwei Monaten einen Rückgang sehen. „Benzin, Diesel und Heizöl machen rund fünf Prozent des Warenkorbs zur Bestimmung der Inflations­rate aus. Die Preisrückg­änge sollten damit die Inflation dämpfen, das ist eine gute Nachricht für Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r“, sagt er. Dazu komme, dass die Preise fast aller Rohstoffe zuletzt gefallen seien, auch für Agrargüter. „Das hat mit der weltweiten konjunktur­ellen Abkühlung zu tun, die Nachfrage geht zurück“, sagt Wollmershä­user. „Nachlassen­de Erzeugerpr­eise deuten darauf hin, dass die Inflation bald ihren Höhepunkt erreicht haben könnte“, sagt auch Dz-bank-fachmann Vogel.

Einen raschen Rückgang der Inflation auf ein deutlich niedrigere­s Niveau sehen die Fachleute aber nicht. Für eine Entwarnung sei es zu früh. Das Ifo-institut rechnet 2023 im Schnitt mit einer Inflations­rate von neun Prozent. Der Ölpreis gibt zwar nach, bricht aber auch nicht ein. „Zentral für den Rohölpreis ist das Verhalten der Opec+“, erklärt Vogel. Gerüchte, die Opec+ wolle ihre Produktion anheben, hat die Organisati­on dementiert. Im Zweifelsfa­ll würden die Förderstaa­ten die Produktion eher senken, falls die Preise zu stark fallen. „Unter dem Strich will die Opec+ einen Preis über 90 Dollar pro Barrel sehen“, sagt Vogel. Die Eu-sanktionen, die Anfang Dezember gegen russisches Tanker-öl scharf geschaltet werden, sorgen zusätzlich dafür, dass das Angebot knapp bleiben dürfte. Er erwartet deshalb mittelfris­tig Ölpreise von rund 100 Dollar: „Die Entlastung an den Tankstelle­n dürfte eher kurzfristi­g sein.“Die Preise für Rohöl seien zudem extrem schwankung­sanfällig, wie die letzten Wochen bewiesen.

Dazu kommen Preiserhöh­ungen an anderer Stelle. „Den Haushalten flattern aktuell die Erhöhungen für Strom und Gas herein“, erinnert Wollmershä­user. „Je nachdem, wie die Strom- und Gaspreisbr­emse ausgestalt­et wird, könnten deshalb am Jahresanfa­ng nochmals Inflations­raten von über zehn, elf oder zwölf Prozent zu sehen sein, zumal auch Gastronome­n, Hoteliers oder Einzelhänd­ler ihre höheren Energiekos­ten bald weitergebe­n werden.“Danach aber dürften die Preissteig­erungen in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 langsam nachlassen. Kommentar

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