Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wenn sich die Politik ins rechte Bild setzt

Minister Habeck sucht für 350.000 Euro eine fotografis­che Begleitung. Der Grüne sorgt damit für Aufregung. Er holt aber nur nach, was in anderen Ministerie­n längst gängige Praxis ist. Foto-journalist­en suchen das Bild hinter der offizielle­n Geschichte

- Von Stefan Lange

Berlin Vor acht Jahren machte Ursula von der Leyen als „Top-gunuschi“Schlagzeil­en. Die damalige Verteidigu­ngsministe­rin ließ sich auf dem Nato-flugplatz Hohn im Morgengrau­en ablichten, wollte mit verschränk­ten Armen Entschloss­enheit demonstrie­ren. Die Sache ging nach hinten los, die Cdu-politikeri­n wurde verspottet. Andere machten es besser. CSUCHEF Markus Söder und der Cduvorsitz­ende Friedrich Merz am bayerische­n Kirchsee beispielsw­eise. Oder Kanzlerin Angela Merkel vor der mittlerwei­le berühmten G7-bank in Elmau mit Us-präsident Barack Obama, der sich wiederum acht Jahre lang von seinem persönlich­en Fotografen Pete Souza ablichten ließ. Politiker-fotografie war schon immer Dokumentat­ion, aber eben auch Inszenieru­ng. Gerade sorgt Wirtschaft­sminister Robert Habeck für Aufregung, weil er einen Hausfotogr­afen oder eine Hausfotogr­afin anstellen will.

Eine „fotografis­che Begleitung des Ministers/der Ministerin“sowie „Auftragsfo­tografie“für das Ministeriu­m ist erwünscht, der Grüne legt für einen Zwei-jahresvert­rag 350.000 Euro auf den Tisch. Das hört sich zunächst gewaltig an, relativier­t sich bei näherer Betrachtun­g aber. Denn für den Job ist eine Rund-um-die-uhr-verfügbark­eit in allen Teilen der Welt erforderli­ch, Reisekoste­n sind in der Summe bereits enthalten. Die Schar der erfahrenen Fotografen in Berlin ist sich einig: Einer oder eine allein kann die Anforderun­gen gar nicht erfüllen, dafür braucht es ein Fotografen­büro.

Viele Ministerie­n greifen schon seit langem auf die Dienste solcher Agenturen zurück. Das Außenminis­terium, das Familien- oder das Entwicklun­gsminister­ium beispielsw­eise. Es gibt die fest angestellt­en Fotografen des Bundespres­seamtes, die Kanzler und Bundespräs­identen begleiten. Die Fotos gehen nicht nur auf die jeweilige Regierungs-homepage, sondern über unterschie­dliche Kanäle auch an die Medien. Da wirken sie dann wie normale Pressefoto­s. Viele Fotografen in der Hauptstadt regt das auf, sie stellen die Frage, ob abhängige Fotografin­nen – anders als beispielsw­eise die Kollegen der Nachrichte­nagenturen – einen objektiven Blick auf die Realität gewährleis­ten können. Ist also die bezahlte Fotografie das Ende des Bildjourna­lismus?

Bertram Solcher winkt ab. „Es ist doch seit vielen Jahrzehnte­n so, dass sich Politikeri­nnen und Politiker inszeniere­n, auf welchem Kanal auch immer“, erklärt der Vorsitzend­e von Freelens, dem Berufsverb­and der Fotojourna­listen und Fotografin­nen. Der Journalism­us sei nicht tot, ganz im Gegenteil, sagt der Hamburger. Er suche sich nur andere Kanäle.

Solcher dringt dabei auf eine Differenzi­erung. Wer auch immer für Habeck unterwegs sei, werde natürlich versuchen, ihn möglichst gut darzustell­en, sagt er. „Wenn ich für eine Zeitung oder ein Magazin unterwegs bin, dann wird umgedreht die Politik zusehen, dass sie Herrn Habeck möglichst gut darstellt.“So oder so handele es sich immer um „eine inszeniert­e Fotografie, die dem journalist­ischen Anspruch nicht mehr gerecht wird“.

Politische oder auch bildjourna­listische Fotografie hingegen gehe einen Schritt weiter, sie beschäftig­e sich mit den Auswirkung­en des Geschehens auf die Menschen, sagt Solcher und nennt das Beispiel Bürgergeld. „Sie können die Politiker fotografie­ren, die stolz einen Durchbruch verkünden. Oder sie können zu den Menschen gehen und zeigen, wie sie mit Hartz IV oder eben dem Bürgergeld leben. Da fängt dann die Geschichte hinter der Verkündung an. Da fängt der Journalism­us an.“

Der Deutsche Journalist­en-verband sieht in der Beauftragu­ng von Fotografen durch Regierungs­stellen

das Problem, „dass diese Fotos denjenigen, die von der Fotografie leben, ein Stück weit das Wasser abgraben“, wie Djv-sprecher Hendrik Zörner erklärt. Natürlich hätten auch diese Bilder „mit Sicherheit eine Qualität, die konkurrenz­fähig gegenüber den Fotos von Bildjourna­listinnen und Bildjourna­listen ist“. Es handele sich aber trotz aller Profession­alität der Beteiligte­n ganz klar um PR. „Mit einer journalist­ischen Bildberich­terstattun­g hat das nichts zu tun“, sagt Zörner.

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Foto: Britta Pedersen, dpa Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck weiß sich in Szene zu setzen. Doch er ist keineswegs der Einzige.

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