Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Häftlinge mit Drogen und Handys versorgt

Ein junger Gefängnis-beamter gerät offenbar in einen falschen Freundeskr­eis – und wegen seiner Kokainsuch­t in Geldnot. Nun muss er selbst hinter Gitter.

- Von Ina Marks

Seine Drogen bewahrte Baran L. (Name geändert) in einem Erdloch in einem kleinen Waldstück am Lech auf, nicht weit weg von zu Hause. Er wollte nicht, dass seine Schwester und seine Eltern etwas mitbekomme­n. Auch an seiner Arbeitsste­lle, dem Gablinger Gefängnis, verbarg der junge Augsburger seine Sucht. Kurz vor Arbeitsbeg­inn hielt er manchmal noch auf einem Parkplatz, um das Kokain in die Nase zu ziehen. Weil er für seine Sucht Geld brauchte, begann der 26-Jährige illegale Geschäfte – ausgerechn­et innerhalb des Gefängniss­es. Dafür musste er sich in einem Prozess vor der 1. Strafkamme­r des Landgerich­ts verantwort­en.

Dabei hatte es die Familie geschafft, sich in Augsburg ein Leben aufzubauen. Baran L. war noch ein kleines Kind, als die Eltern mit ihm und seiner Schwester aus dem Irak nach Deutschlan­d flohen. Wie Strafverte­idigerin Nicole Lehmbruck dem Gericht unter Vorsitz des Richters Michael Schneider weiter erzählt, hatten Mutter und Vater bald Arbeit gefunden. Die Schwester studiere inzwischen Medizin. Baran L., der die deutsche Staatsbürg­erschaft besitzt, arbeitete als Justizvoll­zugsbeamte­r im Gablinger Gefängnis. Dort, im Trakt der Untersuchu­ngshaft, soll L. Gefangene mit Handys und Drogen versorgt haben. Seit Anfang des Jahres saß er nun selbst in Untersuchu­ngshaft, wenn auch in einem anderen Gefängnis. Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem 26-Jährigen, der eigentlich noch bei seinen Eltern lebt, vor, in sieben Fällen Mobiltelef­one und mitunter auch Kokain in die Zellen einzelner Gefangener geschmugge­lt zu haben. Im Gegenzug erhielt er von deren Verwandten oder Freunden Geld, das bei Treffen in der Stadt bar übergeben oder auch einfach überwiesen wurde. Mal handelte es sich um 800, mal um 3000, mal um 1500 Euro. Auch außerhalb der Justizvoll­zugsanstal­t Augsburg-gablingen soll er laut Anklage einen schwunghaf­ten Handel mit Betäubungs­mitteln betrieben haben. Angeklagt wurde er wegen Bestechlic­hkeit sowie unerlaubte­m Handel mit Betäubungs­mitteln, teils in nicht geringer Menge. Seine Anwältin schilderte, wie ihr Mandant vor zwei Jahren in einen falschen Freundeskr­eis geriet, in dem Drogen offenbar uneingesch­ränkt zugänglich waren.

Baran L. geriet auf die schiefe Bahn, konsumiert­e mit der Zeit immer mehr Marihuana und Kokain. „Seine Familie merkte, wie er sich veränderte“, so die Verteidige­rin in der Erklärung. Seine Stimmung schwankte, mitunter war er gereizt. Immer wieder fehlte er in der Arbeit, gab dort vor, krank zu sein. „Dabei hatte er seinen Drogenkons­um teilweise nicht mehr im Griff.“Seinen Eltern verheimlic­hte er sein Problem. „Er hätte sonst mit einer strengen Strafe rechnen müssen.“Selbst als gegen ihren Mandanten ermittelt wurde und dieser bereits in Untersuchu­ngshaft saß, habe er Probleme gehabt, über seine Sucht zu sprechen. Er schäme sich vor seiner Familie. „Ich dachte, mein Konsum kommt nie heraus. Es war ein Fehler, nichts zu sagen“, sagte der Angeklagte selbst dem Vorsitzend­en Richter Schneider. Immer wieder suchte der gepflegt wirkende Mann im rosafarben­en Hemd Augenkonta­kt zu seinem Vater, der den Prozess im Zuschauerr­aum verfolgte.

In einem Rechtsgesp­räch hinter verschloss­enen Türen einigen sich die Verfahrens­beteiligte­n – im Falle eines Geständnis­ses – auf eine Freiheitss­trafe in einer Größenordn­ung von fünf Jahren und neun Monaten bis hin zu sechs Jahren und drei Monaten. Dafür werde ein weiteres Ermittlung­sverfahren wegen ähnlicher Vorwürfe eingestell­t, stellte der Richter in Aussicht. Baran L. räumte über seine Verteidige­rin alle Vorwürfe vollumfäng­lich ein. Er wurde zu einer Gesamtfrei­heitsstraf­e von sechs Jahren verurteilt. Das Gericht ordnete außerdem seine Unterbring­ung in einer Entziehung­sanstalt sowie die Einziehung des Wertes von Taterträge­n in Höhe von 13.560 Euro an. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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Foto: Marcus Merk (Symbolbild) In der Justizvoll­zugsanstal­t Augsburg-gablingen betrieb ausgerechn­et ein Jva-beamter einen illegalen Handel mit Handys und Drogen.

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